Flecken. Überall schwarz-weiße Flecken. Mehr als 80 Kühe, alle in denselben Farben. Und nur eine ist die Richtige. Die muss ich finden, die eine. Die Kuh im Heuhaufen sozusagen.

Die eine Kuh, der ich vorab eine kleine Go-Pro-Kamera um den Kopf gebunden habe – und die jetzt im Kreise ihrer Schwestern verschwunden ist. In diesem Kuhstall irgendwo im nirgendwo im Landkreis Gifhorn. Es ist frühmorgens, noch weit vor sechs Uhr. Ich hatte damals – 2016 war es – als Volontärin die Aufgabe, ein Video zu produzieren. Das Thema: Nachtarbeit. Mein Job: Einen Bauer und seine „Damen“ beim ersten Melkdurchlauf des Tages zu begleiten.

Daher meine ausgebuffte Idee: Ich lasse einfach eine Kuh den Job erledigen. Sie soll, wenn alles gut geht, ein tolles Video machen. Wie sie durch den Stall läuft, dann selbstständig in Richtung Melkstand trottet. Dort verharrt, um gemolken zu werden. Und dann wieder gemütlich in den Stall zurückkehrt. So die Theorie. Und wie lief’s in der Praxis? Sagen wir mal: Nicht optimal.

Problem eins: Kühe finden umgebundene Kameras eher nicht so gut. Es dauerte also, bis ich eine Kuh fand, die das lockere Kamerahalsband nicht von ihrer Stirn herunterschrubbte. Ich sag es besser gleich dazu: Alles mit dem Einverständnis des Landwirts.

Problem zwei: Ich musste den richtigen Zeitpunkt finden, um die Kamera einzuschalten. Denn der Akku war nicht mehr taufrisch, das wusste ich vom Online-Kollegen, der mir das Gerät mitgegeben hatte. Ich wählte einen Moment. Immerhin: Es war der richtige.

Aber dann kam Problem drei: Der Kamera-Akku war wirklich hinüber, obwohl vollständig geladen. Die Aufzeichnungen zeigen: Es ging gut los. Kamera an, die Kuh marschierte los in Richtung Melkstand. Und dann bricht das Video ab – nach nur wenigen Sekunden. Die ganze Arbeit für die … Kuh.

Also stehe ich weniger später da. Sehe: Alle Kühe sind nach dem Melken wieder zurück im Stall. Aber die mit der Kamera, die ist nirgends zu entdecken. Also schiebe ich mich durch die schwarz-weißen Reihen. Werde misstrauisch beäugt. Meine Gummistiefel schmatzen im Mist.

Und dann endlich finde ich sie, die eine. Die Kamera hängt mittlerweile unter ihrem Kinn. Und das Befestigungsband sieht aus – wahrscheinlich hat sich die Kuh inzwischen irgendwo mal hingelegt.

Ich kehrte also ohne Video in die Redaktion zurück. Aber um eine Erfahrung reicher. Und um mindestens drei Waschgänge, um den Dreck und den Gestank wieder aus dem Kameraband herauszubekommen.

75 Jahre Braunschweiger Zeitung

Dieser Text ist Teil unseres großem Themenschwerpunktes zum 75-Jährigen Bestehen der Braunschweiger Zeitung.

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