„Vor neun Tagen wurde Deutschland von einem Tsunami überrollt. Doch diesmal bestand die Flutwelle nicht aus Wasser, sondern aus Desinformation.“

Am 11. März 2011 brach ein Tsunami über die Ostküste Japans herein. Das Tōhoku-Erdbeben und die dadurch ausgelöste Flutwelle kosteten etwa 20.000 Menschen das Leben.

Vor neun Tagen wurde Deutschland von einem Tsunami überrollt. Doch diesmal bestand die Flutwelle nicht aus Wasser, sondern aus Desinformation. „Zehn Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima gedenkt Japan heute der 16.000 Todesopfer“, hieß es im Deutschlandfunk. „Japan erinnert an Opfer der Fukushima-Katastrophe“, titelte das Handelsblatt. „Die Katastrophe von Fukushima hat mehr als 15.000 Menschen das Leben gekostet“, verkündete die Tagesschau. Auch die Grünen schrieben – mal wieder – bei Twitter die Todesopfer der „Nuklearkatastrophe von Fukushima“ zu. Den Höhepunkt dieses Gemischs aus Halbwahrheiten, Unwahrheiten und handfesten Lügen lieferte aber die unermüdliche Erneuerbare-Energien-Propagandistin Prof. Claudia Kemfert: „Die Fukushima-Atomkatastrophe war eine der schlimmsten menschengemachten Katastrophen der Welt.“

Zum Vergleich: Allein der Bruch des Banqiao-Staudamms in China 1975 forderte mindestens 160.000 Menschenleben. Bei der Überflutung der Vajont-Staumauer in Italien 1963 starben etwa 2000 Menschen. Die Todesopfer des Atomunfalls von Fukushima hingegen kann selbst ein Sägewerker auch dann noch an den Fingern einer Hand abzählen, wenn er zuvor beherzt in die Kreissäge gegriffen hat.

Während sich tausende Japaner am 11. März versammelten, um schweigend der Opfer des Erdbebens vor zehn Jahren zu gedenken, berichteten deutsche Medien fast ausnahmslos so, als ginge es eigentlich um den Unfall im Kernkraftwerk Fukushima am 12. März. Und wie vor zehn Jahren reibt man sich verwundert die Augen, wenn man aus Medien außerhalb Deutschlands, erfährt, dass nicht Fukushima im Zentrum der Naturkatastrophe lag, sondern die Präfektur Miyagi, die rund 60 Prozent der Opfer beklagte. Da wundert es nicht, dass mit wenigen Ausnahmen (wie etwa in dieser Zeitung) kaum über den kurz zuvor veröffentlichten Bericht des Wissenschaftlichen Ausschusses der UN zur Untersuchung der Auswirkungen atomarer Strahlung (UNSCEAR) berichtet wurde. Denn dass laut UNSCEAR unter den Bewohnern der Präfektur Fukushima „keine nachteiligen Gesundheitseffekte dokumentiert sind, die auf Strahlung zurückgeführt werden können“ und auch in Zukunft eine höhere Krebsrate „wahrscheinlich nicht zu erkennen“ sein wird, passt nicht ins Bild der Kemfert’schen Menschheitskatastrophe. Es gehört zum Medienversagen, dass im Zuge des deutschen Atomausstiegs infolge eines Desasters in Japan nie ernsthaft die Frage nach der Übertragbarkeit gestellt wurde. Entsprechend überraschend mag es klingen, dass ein deutsches Kernkraftwerk auf dem Sicherheitsstandard von 2011 selbst eine Naturkatastrophe wie in Japan ohne Kernschmelze überstanden hätte.

Der Autor war Redakteur dieser Zeitung und ist Pressereferent des Julius-Kühn-Instituts.