Bloß nicht eine neue Bewegung „Weihnachten ohne Weihnachtsbäume“ initiieren, wir haben genug Bewegungen, die gegen irgendwas sind.

Die Weihnachtsbaumverkäufer sind in diesem Jahr sehr kreativ mit ihren Werbesprüchen. Am lustigsten fand ich auf einem Schild: „Unsere Weihnachtsbäume sind mit Abstand die besten.“ Nachdem ich an der Verkaufsstelle vorbeigefahren war, fiel mir ein Beitrag ein, den ich im Fernseher gesehen habe. In dem erfuhr ich, dass ein Baum bis zu acht Jahre wächst, bevor er geerntet wird. „Acht Jahre!“, dachte ich, danach werden sie nur ein paar Tage aufgestellt und entsorgt. Ist das gegenüber der Natur gerecht? „Ach“, dachte ich weiter, bloß nicht eine neue Bewegung „Weihnachten ohne Weihnachtsbäume“ initiieren, wir haben genug Bewegungen, die gegen irgendwas sind.

Ich kenne zwar diesen Wirtschaftszweig nicht, aber man muss auch daran denken, dass Menschen sie anbauen und davon leben. Außerdem sieht es schon gut aus, wenn sie schön geschmückt in den Wohnzimmern stehen.

Als ich noch ein Kind war, haben sehr wenig Beniner Weihnachtsbäume aufgestellt. Ich erinnere mich, dass nur meine angeheiratete französische Tante jedes Jahr einen Baum aufgestellt hat, mit einer Krippe darunter. Es gibt zwar in Benin weder Nordmanntannen noch Fichten, aber einen Baum mit ähnlicher Struktur, den man Filao nennt. Mit den Jahren schmücken aber immer mehr künstliche Weihnachtsbäume die Wohnungen. Auf alle Fälle habe ich in allen Ländern, in denen ich gelebt habe, gesehen, dass das Jahresende immer funkelt und glitzert. Selbst in der kommunistischen Sowjetunion wurden am Jahresende Weihnachtsbäume durch die Gegend transportiert.

Aber welchen Bezug habe ich selbst zum Weihnachtsbaum? Als ich das erste Mal einen Weihnachtsbaum in meiner Gaststätte aufgestellt habe, war die Geste ein Zeichen für meinen persönlichen Wandel vom Studenten, der in einer Kneipe gejobbt hat, zu einem emanzipierten Betreiber einer Gaststätte. Die Markierung einer Zustandsänderung, wie man in der Thermodynamik sagt. Wenn ich es könnte, würde ich jedes Jahr zu Weihnachten zum Polarkreis fahren. Ich liebe die Stimmung zum Jahresende, aber ich mag den Trubel zu Weihnachten überhaupt nicht. Ich möchte am liebsten alleine sein. Das Fest ist für die meisten Menschen ein Vergnügen, für mich ist es Arbeit. In diesem Jahr ist es schon komisch, keine Einkäufe zu machen, keine Anfragen zu erhalten: „Machst du einen Brunch zu Weihnachten?“ „Machst du eine Silvesterparty?“ Ich werde in der „Home-Gastwirtschaft“ feiern mit der Hoffnung, dass es im nächsten Jahr anders sein wird.

Nachdem beschlossen wurde, dass die Läden über die Feiertage schließen müssen, habe ich an einen Mann gedacht, den ich vor einigen Jahren verärgert habe. Ich hatte mit seiner Frau in einem Lager gearbeitet. Er fuhr sie täglich durch die Stadt zur Arbeit und holte sie ab. Ob wir Nachtschicht, Spätschicht oder Frühschicht hatten, es war egal: Er wartete immer vor dem Tor auf sie. Da die beiden aus einem russischen Sprachgebiet stammen und ich den russischen Humor liebe, der manchmal rücksichtlos ist, sagte ich zu ihm: Deine Frau sagte, du bist nicht so nett, wie du es uns täglich zeigst, indem du sie abholst. Er verzog sein Gesicht, ich achtete nicht sehr darauf und verabschiedete mich. Am nächsten Tag rief mich eine andere Kollegin an und warf mir vor, ein Ehepaar auseinander gebracht zu haben. „Wie denn?“ fragte ich verwundert.

Zuhause angekommen, sagte der Ehemann zu seiner Frau, sie hätte mir gegenüber schlecht über ihn geredet, deswegen hätte ich ihm gesagt, dass er nicht nett wäre. Daraufhin packte er seine Sachen und verließ die gemeinsame Wohnung. Ich war schockiert. Ich fuhr zu der Ehefrau und entschuldigte mich. Sie beruhigte mich und sagte, dass ich mir keine Vorwürfe machen sollte. Einen Monat später, im Januar, erfuhr ich, dass der Ehemann wieder eingezogen war. Ich vermutete, dass er wahrscheinlich ausgezogen war, weil er kein Geschenk zu Weihnachten machen wollte oder konnte. Mein Scherz war für ihn eine passende Gelegenheit. Er könnte wieder von der aktuellen Lage profitieren.

Luc Degla studierte im Benin Mathematik und in Moskau und Braunschweig Maschinenbau. Der freie Autor lebt in Braunschweig. In seiner Kolumne beschreibt er sein Leben mit den Deutschen.