Was geschieht mit dem Anstandsrest beziehungsweise mit den noch gefüllten Töpfen in der Küche?

Anstand bei Tisch – ein Quell der Regeln, Ausnahmen und inzwischen skurril anmutenden Empfehlungen, die niemand mehr versteht. Dazu gehört der Anstandsrest. Heutzutage lässt man ihn unsicher scherzend auf Fleisch- und Kuchenplatten oder auf Fingerfood-Tellern zurück. Das wird für absolut vornehm und anständig gehalten, ist aber Erziehungssache. Der Anstandsrest wurde in Knigges Zeiten erfunden, als Essen und Trinken teuer und nicht für jedermann erschwinglich waren. Er war ein perfides Zeichen sozialer Kritik. Das Stück Torte, die Scheibe Braten blieben vordergründig zurück, weil der Gast so glaubhaft versichern konnte, gesättigt zu sein. In Wirklichkeit wurde dem Gastgeber aber damit mitgeteilt, dass er nicht ausreichend auftafeln konnte, um seine Gäste zu sättigen. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass bei privaten Einladungen hin und wieder zu hören ist: Greift zu, es ist noch draußen. Damit wäre dann jede Blamage ausgeschlossen. Was geschieht mit dem Anstandsrest beziehungsweise mit den noch gefüllten Töpfen in der Küche? In den Müll? Das wäre ein Frevel. Was also tun? Was die Gäste nicht essen, bekommen sie mit nach Hause. Oder mit realistischem Blick einkaufen und kochen. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Das übt sich.