„Persönlichkeitsspaltung? Umnachtung? Mindestens: Dämmerung.“

Jetzt ist es soweit. Viel zu oft habe ich hochmütig gewisse Umnachtungs-Kommunikationen von Zeitgenossen kommentiert. Habe mich beömmelt über die Liebste, die ein Weihnachtspäckchen aus Versehen an sich selbst adressierte, was zu einer echten Überraschung bei der Bescherung führte. Habe geschmunzelt über Whatsapp-Nachrichten, die garantiert einer ganz, ganz anderen Gruppe zugedacht waren. Habe gefeixt über E-Mails, die ich irrtümlich bekam, obwohl doch gerade von mir gar nicht so schmeichelhaft die Rede war. Habe mich geärgert über schlampige Nachrichten ohne Anrede – und habe immerzu selbstzufrieden gedacht, wie wichtig es doch ist, in all den kommunikativen Wirrnissen des Alltags ein Mindestmaß an Akkuratesse sicherzustellen.

Doch nun, Sie ahnen es, ist es passiert. Nun bekam ich die E-Mail eines Freundes zurückgeschickt. Er, der leider durchaus anders heißt, war irritiert darüber, dass ich den Schrieb so begonnen hatte: „Lieber Harald…“

Ach, lieber Harald! Du aber auch! Persönlichkeitsspaltung? Umnachtung? Mindestens: Dämmerung. Jetzt helfen nur noch Sprichwörter. „Hochmut kommt vor dem Fall“ zum Beispiel. Oder auch dieses, durchaus auf E-Mail-Verkehr übertragbare: „Selbstgespräche haben den Vorteil, dass man immer zu Wort kommt.“