Wer allein aus dem Gefühl der moralisch überlegenen Gegenwart auf die Vergangenheit zurück blickt, entdeckt bei jedem Menschen Verdammenswürdiges.

Seit der Tötung des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz gehen Menschen überall auf der Welt auf die Straße, um gegen Rassismus zu demonstrieren. Ziel der Wut der Demonstranten sind auch immer wieder Statuen historischer Persönlichkeiten.

Dabei waren die ersten Ziele wenig überraschend und nachvollziehbar. Warum stehen in vielen Städten der US-Südstaaten noch immer Statuen von Menschen, die bereit waren, für die Erhaltung der Sklaverei einen Krieg gegen ihre Mitbürger zu führen? Doch der Bildersturm stoppte nicht an den Denkmälern für Sklavenhändler und brutalen Kolonialherren wie den belgischen König Leopold II.. Ohne zwischen denjenigen zu unterscheiden, die tatsächlich für ihre Verstöße gegen elementare Menschenrechte geehrt wurden, und solchen, die zwar zweifelhafte Ansichten vertraten, zugleich aber für gesellschaftlichen Fortschritt stehen, haben Demonstranten zum Beispiel auch Statuen von George Washington und Thomas Jefferson gestürzt.

Es stimmt, dass Jefferson Sklaven hielt. Er ist aber auch der Autor dieser Zeilen im wohl großartigsten politischen Dokument der Menschheitsgeschichte: „Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glückseligkeit.” In der Unabhängigkeitserklärung der USA von 1776 wurden nicht nur erstmals in einem offiziellen Staatsdokument allgemeine Menschenrechte formuliert, sie war auch entscheidende Inspiration für die Französische Revolution und ihren Traum von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Eine Statue von Winston Churchill in London-Westminster wurde nun besprüht mit „war ein Rassist“. Ja, Churchill war ein Kind des Viktorianischen England, und er hatte die typischen Überlegenheitsüberzeugungen eines Kolonialoffiziers des britischen „Empire“ verinnerlicht. Aber es war derselbe Churchill, der 1940 die Flamme der Zivilisation am Rande Europas hochhielt, während der Rest des Kontinents in der Dunkelheit des Rassenwahns zu versinken drohte. Wer allein aus dem Gefühl der moralisch überlegenen Gegenwart auf die Vergangenheit zurück (und hinab-) blickt, wird bei jedem so betrachteten Menschen Verdammenswürdiges entdecken. Selbst Mahatma Gandhi wird nun als „Rassist und Sex-Täter“ ins Visier genommen. Das Problem scheint auch vielen der zumeist linken Bilderstürmer zumindest unbewusst klar zu sein. Wie sonst ist zu erklären, dass sie vor Kritik an einem ihrer eigenen Idole zurückschrecken, dem erst kürzlich in Trier ein Denkmal gesetzt wurde – gespendet von der chinesischen Diktatur. Als „jüdischen Nigger Lasalle“ bezeichnete der Geehrte 1862 den Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins. Dessen „Zudringlichkeit“ sei „auch niggerhaft“. Seinen eigenen farbigen Schwiegersohn nannte er den „Abkömmling eines Gorillas“. Der Autor dieser und weiterer rassistischer und antisemitischer Aussagen: Karl Marx.