Die Lösung, die einzige Lösung aus dieser Situation heraus, kann nur aus der Wissenschaft kommen.

Auf dem Domplatz zu Braunschweig treffen sich zwei Gestalten, an Jahren nicht jung. Einer aus der Gegend, ein anderer von weit her. Der Platz ist leer, das Licht diffus, es ist nicht klar, ob es morgens oder abends ist.

Besucher (B): Was ist passiert? Antwortender (A): Ein Virus ist gekommen. B: Ist es gefährlich? A: Sehr gefährlich für viele, aber nicht für alle. Es trifft ältere Menschen und vorerkrankte Menschen am schlimmsten. Aber es kann auch die Mittleren, die Jungen, die Dünnen, die Gesunden schwer treffen. B: Was sollen wir tun? A: Haltet Abstand, wascht die Hände und verabredet Euch mit anderen Menschen am besten an der frischen Luft oder in gut durchlüfteten Räumen. B: Dann werden wir uns sicher nicht infizieren? A: Über die Jahre werden sich trotzdem viele Menschen infizieren, 50 bis 70 Prozent – so die Annahmen. Denk darüber nach. Es ist überall, und es gibt keinen Impfstoff. Aber gerade wird versucht, dass jeder es zu unterschiedlichen Zeiten bekommt. Bisher in Deutschland sogar erfolgreich. Und wer zu einer Risikogruppe gehört, sollte es am besten gar nicht bekommen. B: Wann wird das Virus wieder weg sein? A: Das geht nicht wieder weg. Es könnte 18 Monate dauern, bis wir einen Impfstoff bekommen. B: Hmm, sollten wir dann nicht besser annehmen, um das unangenehme Gefühl der Bedrohung und Angst loszuwerden, dass es alles in allem wie eine Grippewelle verläuft? A: Leider nicht. Das hängt zum einen damit zusammen, dass wir gegen diesen neuen Virus nur eine ganz geringe Grundimmunität haben. Also nur wenige sind durch verwandte Viren, mit den wir schon mal infiziert wurden, leicht geschützt, aber eben nicht genügend. Man kann berechnen, wie hoch die Sterblichkeit im Durchschnitt über die letzten Jahre war und stellt dann fest, dass es Gebiete in Italien gibt, wo diese Sterblichkeit im März/April elfmal höher war, als das zu erwarten gewesen wäre. B: Aber hier in Braunschweig und insgesamt in Deutschland ist es doch gar nicht so schlimm. A: Das stimmt, aber Vorsicht: Wer rechtzeitig einen Schirm gegen einen Regenschauer aufspannt und nicht nass wird, sagt danach auch nicht, es hat ja gar nicht so schlimm geregnet, da hätte ich mir ja den Schirm sparen können. Und manchmal muss man in die Ferne schauen, um zu sehen, was passieren kann, wenn man ein weniger gutes Gesundheitssystem hat als wir, oder Maßnahmen zu spät ergriffen werden. Hier muss man nicht nur zurück nach Bergamo und New York schauen, sondern aktuell ist es schlimm in Brasilien, wo jeden Tag viele hundert Menschen am Virus sterben, Menschen in Massengräbern ihre letzte Ruhe finden müssen. Oder in vielen Ländern Afrikas, die zum Teil alle Maßnahmen genau wie wir getroffen haben, aber nicht die medizinische Versorgung besitzen, um das Virus aufzuhalten. Ärzte, Pfleger und Laborassistenten sind in einem hohen Maße infiziert, Essensressourcen sind knapp und Rücklagen gibt es keine. Man könnte wütend werden auf Menschen, die all dies leugnen. B: Gibt es denn auch Hoffnung, ist das Virus im Sommer weniger stark? A: Das ist die Hoffnung – aber es bleibt ein Tanz mit einem Tiger, denn Erfahrungen aus vorherigen Pandemien zeigen, dass so ein Erreger im Herbst wieder zu mehr Infektionen führt. B: Wie kann das sein? A:. Das Virus ist auch jetzt wahrscheinlich noch in allen Städten vorhanden, aber wir haben gemeinsam, Wissenschaftler genau wie jeder Bürger, die Kurve in Deutschland und mittlerweile auch in ganz Europa abgeflacht – hier in Braunschweig auch durch einen hervorragend funktionierenden Krisenstab. Aber das Virus wird sehr wahrscheinlich im Herbst mit aller Macht zurückkommen. Auch im Winter. In der Zwischenzeit wird es den ganzen Sommer über bei uns sein, ohne dass sich seine Wirksamkeit ändert. B: Ach, jetzt haben wir nur eine kleine Schlacht gewonnen, werden im Sommer etwas belohnt, und dann droht ein weiteres übles Kapitel im Kampf gegen das Virus – und das auch noch, wenn die Tage dunkler werden? Immer diese Prophezeiungen – bei der Schweinegrippe hat man uns doch auch Horrorszenarien vorhergesagt und dann war es gar nicht so schlimm, auch wenn es viele Fälle gab. A: Das stimmt, Wissenschaftler sind keine Propheten und nicht unfehlbar, sie leben gerade davon zu lernen, sich zu korrigieren, besser zu werden. Bei der Schweinegrippe hatten gerade ältere Menschen durch Grippewellen, die sie in ihrer Jugend erlebt hatten, einen guten Immunschutz, das hat man erst im Nachhinein gelernt. Nur leider wissen wir, dass den im Moment niemand hat, auch die älteren Menschen nicht, die so stark betroffen sind. Hinzu kommt, dass wir bisher keine Therapien und keinen Impfstoff haben.

Die zwei Gestalten verschwinden. In die auf- oder untergehende Sonne… Wer weiß das schon….

Also Schluss mit dem Theater. Die Lösung, die einzige Lösung aus dieser Situation heraus, kann nur aus der Wissenschaft kommen, indem ein Impfstoff gefunden wird, der gut verträglich ist und in allen Altersgruppen gut wirkt. Bis dahin seien wir umsichtig und wachsam. Auch ein Tiger greift vor allem an, wenn man wegschaut. Es bleibt also ein nicht ungefährlicher Tanz mit Vor- und Rückschritten. Wir müssen hierbei in Bewegung bleiben und den Kopf auffrischen, um ein hohes Diskussionsniveau zu halten, denn wir brauchen Lösungen für Kindergärten, Schulen, Universitäten, Behörden, Betriebe, Kultur, Urlaubsreisen und Groß-, Mittel- und Kleinindustrie. Was wir nicht brauchen, sind realitätsverweigernde und schmollende Kritik daran, dass das Virus in unsere so schön eingerichtete Welt gekommen ist. Das ist schlimm, ärgerlich, grausam, ungerecht – und nicht mehr zu ändern. Ändern können wir, wie wir darauf reagieren.

Erfolgsautor Prof. Martin Korte („Hirngeflüster“) von der TU Braunschweig ist einer der bekanntesten deutschen Gehirnforscher. Er berät große Wissens-Shows im TV und schreibt für unsere Zeitung.