Bad Lauterberg/Bad Sachsa. Gibt es eine einfache Lösung für Personalmangel und Unterrichtsausfall an Schulen? Südharzer glauben, ein Hindernis erkannt zu haben.

An vielen Schulen im Südharz herrscht Personalmangel. Einige pensionierte Lehrkräfte würden gerne helfen. Aber ihre Einsatzbereitschaft trifft nach wie vor auf Hindernisse.

Im Kampf gegen den Lehrermangel an Schulen im Südharz und in ganz Niedersachsen greift der Ortsverband Bad Lauterberg/Bad Sachsa der Bildungsgewerkschaft GEW nun an einem bestimmten Punkt an: Man will sich dafür einsetzen, dass Lehrkräften im Ruhestand weniger bürokratische Hindernisse in den Weg gelegt werden, wenn sie noch bereit sind, Unterricht zu erteilen.

Vertretungslehrkräfte: Das hindert Schulen im Südharz an der Einstellung

Bei der Jahreshauptversammlung 2024 hatten Mitglieder vor allem kritisiert, dass bislang der Wille schwer erkennbar sei, Unterrichtsausfälle wirklich zu verringern. Eine Schule könne nämlich - selbst bei einer nur 80-prozentigen Unterrichtsversorgung - nur dann eine Vertretungslehrerin bekommen, wenn eine nachgewiesene Langzeit-Erkrankung einer einzelnen Lehrkraft vorliege. Ein großes Stunden-Defizit bei der Unterrichtsversorgung rechtfertigt allein bislang noch immer keine Einstellung einer Vertretungskraft.

Nachdem die GEW Kontakt mit dem Landtagsabgeordneten des Wahlkreises, Alexander Saade (SPD), sowie mit dem Kultusministerium aufgenommen hatte, berichtet Pressewart Walter Ziegler vom GEW-Ortsverband, was sich inzwischen getan hat. Vom Büro des Landtagsabgeordneten sei demnach schnell die Antwort gekommen, dass Saade für Lösungen, die im Sinne einer besseren Unterrichtsversorgung wären, mit dem bildungspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion und mit dem Kultusministerium in Kontakt treten wolle. In der Antwort hieß es laut Ziegler weiter, dass sich das Ministerium intensiv mit der Angelegenheit befasse und inzwischen die Devise verfolge, dass die Einstellung von Lehrkräften im Ruhestand mit Teilzeitverträgen erleichtert werden solle.

Führungszeugnis: Das kritisiert die GEW Bad Lauterberg/Bad Sachsa daran

„Die Antwort aus dem Ministerium liegt damit auf einer Linie mit der Absichtserklärung, mit der Ministerpräsident Weil und Kultusministerin Hamburg gemeinsam im Dezember 2023 breite Beachtung in den Medien gefunden hatten“, beurteilt Ziegler die Lage. Damals hatten Stephan Weil (SPD) und Julia Willie Hamburg (Bündnis 90/ Die Grünen) erklärt, Vertretungsverträge für Pensionäre und andere Lehrkräfte nunmehr zügig erleichtern zu wollen.

Mitglieder des hiesigen GEW-Verbandes hatten auf der Jahreshauptversammlung 2024 außerdem bemängelt, dass diese Lehrkräfte für jeden auf kurze Zeit befristeten Vertretungsvertrag neben anderen Papieren immer wieder ein erweitertes Führungszeugnis zur Vorlage bei Behörden, umgangssprachlich auch großes polizeiliches Führungszeugnis genannt, beantragen und vorlegen müssen.

Diesen Zweck erfüllt die Kontrolle durch die Führungszeugnisse

Ziegler selbst erhielt diesbezüglich ein Antwortschreiben des Kultusministeriums. Darin habe man ihn darüber belehrt, dass das polizeiliche Führungszeugnis stets unerlässlich sei, also auch für Lehrkräfte, die unbeanstandet 40 Jahre lang ihren Dienst im Bildungswesen geleistet haben. Diese Auffassung unterstrich das Ministerium Ziegler zufolge mit einem beigefügten umfangreichen Paragrafenwerk, dem Niedersächsischen Führungszeugniserlass.

Wie das Bildungsportal Niedersachsen erklärt, dient die Überprüfung durch diese Führungszeugnisse dem Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Straftaten. Für die Ausstellung des Dokuments fallen normalerweise Kosten in Höhe von 13 Euro an. Man kann sich aber davon befreien lassen, zum Beispiel wenn man für eine Behörde oder eine gemeinnützige Organisation ehrenamtlich tätig ist.

Warum muss es ein erweitertes Führungszeugnis sein?

„Das Führungszeugnis, umgangssprachlich auch polizeiliches Führungszeugnis genannt, ist eine auf grünem Spezialpapier gedruckte Urkunde, die bescheinigt, ob die betreffende Person vorbestraft ist oder nicht“, informiert das Bundesamt für Justiz. Die Daten über Vorstrafen stammen demnach aus dem Bundeszentralregister, das Führungszeugnis sei ein Auszug daraus.

Das Führungszeugnis gibt es in unterschiedlichen Ausführungen: Ein Privatführungszeugnis oder einfaches Führungszeugnis wird zum Beispiel zur Vorlage beim Arbeitgeber benötigt. Das Führungszeugnis stellt das Bundesamt für Justiz aus und übermittelt es dem Antragsteller.

Das Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde, beispielsweise für die Erteilung einer Fahrerlaubnis, enthält neben strafgerichtlichen Entscheidungen auch bestimmte Entscheidungen von Verwaltungsbehörden, wie den Widerruf einer Berufserlaubnis. Ein Führungszeugnis zur Vorlage bei einer deutschen Behörde wird der betreffenden Behörde unmittelbar übersandt.

Ein erweitertes Führungszeugnis benötigen vor allem Personen, die im Kinder- oder Jugendbereich tätig werden wollen (zum Beispiel an Schulen oder in Sportvereinen). Dieses enthält auch Eintragungen, die in besonderer Weise für die Eignungsprüfung für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen von Bedeutung sind.

Ein Europäisches Führungszeugnis erhalten Personen, die - neben oder anstatt der deutschen - die Staatsangehörigkeit eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder des Vereinigten Königreiches Großbritanniens und Nordirlands besitzen.

GEW im Südharz zeigt sich unzufrieden mit der Antwort aus der Politik

Auf die Frage, warum eine stark unterversorgte Schule keine Ruhestands- oder andere Vertretungslehrkräfte einstellen darf, um den Mangel abzumildern, seien die Verfasser des Schreibens allerdings mit keinem Wort eingegangen.

Der GEW-Ortsverband Bad Lauterberg/Bad Sachsa hat eigenen Angaben zufolge nachgehakt und eine Antwort zu dieser Frage angemahnt, „damit unterversorgte Schulen und ihre Lehrkräfte nicht ständig am Limit arbeiten müssen, wenn es doch für einen Teil der fehlenden Lehrerstunden praktische Lösungsmöglichkeiten mit erfahrenen Kräften gäbe.“

Das fordert die Lehrergewerkschaft im Südharz

Auch das Büro des Landtagsabgeordneten Saade fordert die GEW noch einmal auf: „Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass auch eine Unterrichtsversorgung unter 100 Prozent den Einsatz von Ruheständlern oder ähnlichen Vertretungslehrkräften rechtfertigt und nicht erst zusätzliche Sonderkatastrophen wie die langfristige Krankschreibung einer Lehrkraft eintreten müssen.“

Bisher habe die GEW keine Antwort des Ministeriums erhalten. „Der eigenen vollmundigen Ankündigung zum Trotz hat die Landesregierung allem Anschein nach bislang nichts unternommen, um die durchaus möglichen Hilfen für Schulen, die sich in großer Personalnot befinden, zu erleichtern“, schimpft Ziegler. Immerhin Alexander Saade habe aber zugesichert, sich als Abgeordneter weiter um die Sache zu kümmern.

Die Bildungsgewerkschaft GEW findet den Umgang der Landesregierung mit möglichen Lösungen für Unterrichtsausfall befremdlich, habe aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es bald zum Abbau bürokratischer Hindernisse und zu vernünftigen Lösungen kommen kann.

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