Gifhorn. Er macht aus den 100 Jahre alten Bildern seinen Urgroßvaters spektakuläre Farbaufnahmen. Das ist danach zu sehen.

Was wäre gewesen, wenn der 1940 verstorbene Gifhorner Adolf Bettenhäuser für seine Fotografien schon Farbfilme gehabt hätte? Das Ergebnis kann seit Samstag im Kavalierhaus bewundert werden. Dort stellt Martin A. Seth Fotografien seines Urgroßvaters aus, die er am Computer nachträglich koloriert hat – zum größten Teil mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI).

Bei diesem Bild des Gifhorner Schlosses hat Martin A. Seth die Künstliche Intelligenz zwei Fotografien (eine alte und eine neue) zu einem neuen Bild verrechnen lassen.
Bei diesem Bild des Gifhorner Schlosses hat Martin A. Seth die Künstliche Intelligenz zwei Fotografien (eine alte und eine neue) zu einem neuen Bild verrechnen lassen. © Privat | Martin A. Seth

Eigentlich wollte Seth bei der Vernissage „gar nicht groß was sagen“. Nur so viel: Im Traum sei dem 70-Jährigen der Urgroßvater erschienen. Und er habe ihm gesagt: „Martin, das hast du gut gemacht! Gib jedem eine Zigarre.“ Tabakwaren verteilte Seth im Kavalierhaus nicht – er hatte nur eine symbolische Zigarre dabei. Aber die hatte eine besondere Beziehung zu den Bildern.

Denn der 1862 geborene Adolf Bettenhäuser hat einst in der Torstraße einen Zigarrenladen betrieben. Ende des 19. Jahrhunderts sprang er auf einen neuen Trend auf und setzte sein Gewerbe auf ein zusätzliches Standbein: mit einem Ansichtskartenverlag. Dafür fotografierte der Vorfahre von 1900 bis 1930 fleißig Gifhorner Motive – die sein Urenkel später im Nachlass wiederfand.

Mehr als 100 Glasplatten hat Seth bearbeitet

Mehr als 100 Glasplatten in der Größe von 13 mal 18 Zentimeter habe Seth schließlich nicht nur digitalisiert, sondern mit Spezialprogrammen auch bearbeitet – sie quasi den heutigen Sehgewohnheiten angepasst. Da kommen die Aufnahmen vom Bahnübergang der Braunschweiger Straße, vom Schillerplatz, aus der Torstraße, vom Schloss und aus dem Turnverein fast so daher, als seien sie erst vor wenigen Jahren mit analoger Technik gemacht worden.

Die Bürgerstiftung Kavalierhaus zeigt historische Fotos und einige neue Aufnahmen aus dem gleichnamigen Buch von Martin A. Seth.
Die Bürgerstiftung Kavalierhaus zeigt historische Fotos und einige neue Aufnahmen aus dem gleichnamigen Buch von Martin A. Seth. © Reiner Silberstein

„Aber man muss aufpassen!“, sagt Seth. Denn die KI-Software koloriere, wie es aus anderen Bildern gelernt hat: Der Himmel ist immer blau, die Dächer rot. Aber ob die Hausfassade in Wirklichkeit weiß oder gelb war, könne sie einfach nicht wissen. „Auch die Mützen würde das Programm nie rot machen.“

Das Interesse an den Bildern war groß, die beiden Ausstellungsräume rappelvoll. „Das haben wir selten bei Eröffnungen“, gab Bernhard Schürmann zu, der Vorsitzende der Bürgerstiftung Kavalierhaus. Es gab aber Ausweichmöglichkeiten: zum Beispiel bei der anschließenden Matinee im Garten, zu der die Honolulus sangen.

Die Fotos wirken mit der neuen Technik gleich ganz anders

„Eine tolle Ausstellung! Genießen Sie sie!“, empfahl auch Barbara Bergau, die Vorsitzende des Museums- und Heimatvereins. Den Farbeffekt in den alten Fotos verglich sie mit dem erst kürzlich mit dem Oscar prämierten Spielfilm „Im Westen nichts Neues“: „Ich erinnere mich noch gut an meinen Schuldienst. Als ich den Schülern die erste Verfilmung von 1930 zeigte, hieß es gleich: ‘Oh, wie langweilig! Ist ja schwarzweiß!’“ Jetzt, nachdem Seth sich die moderne Technik zunutze gemacht hat, wirkten die Fotos gleich ganz anders. „Ein spannendes Projekt!“

Die Bürgerstiftung Kavalierhaus zeigt historische Fotos und einige neue Aufnahmen aus dem gleichnamigen Buch von Martin A. Seth.
Die Bürgerstiftung Kavalierhaus zeigt historische Fotos und einige neue Aufnahmen aus dem gleichnamigen Buch von Martin A. Seth. © Reiner Silberstein

Die Ausstellung ist noch bis zum 28. Mai im Kavalierhaus zu sehen. Interessierte können sich die Bilder aber auch nach Hause holen oder sie verschenken: Martin A. Seth hat sie und noch einige mehr in einem Buch veröffentlicht: „Neuer Blick auf das alte Gifhorn“ ist im Buchhandel erhältlich.

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