Gifhorn. Hubertus Heil, Philipp Raulfs und Kirsikka Lansmann (SPD) sowie Christian Schroeder (Grüne) sind für das Wahlalter 16 – aber es gibt auch Kritiker.

Soll das Wahlalter bei Landtags- und Bundestagswahlen auf 16 gesenkt werden? Erst vor einigen Wochen hat der Bundestag beschlossen, für die Europawahl das Alter der Wahlberechtigten zu ändern: Bei der Europawahl 2024 dürfen in Deutschland auch 16-Jährige wählen. In Niedersachsen steht das Thema im Koalitionsvertrag, erst vor wenigen Tagen hat Landtagspräsidentin Hanna Naber (SPD) noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig ihr das Wahlalter ab 16 ist. Was sagen die Landtags-, Bundestags- und Europaabgeordneten aus dem Landkreis Gifhorn zu dem Thema. Hier ein Überblick:

Bundesarbeitsminister: Ein Gewinn für unsere Demokratie

Bundestagsabgeordneter Hubertus Heil (SPD): „Die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei Bundes- und Landtagswahlen wäre ein Gewinn für unsere Demokratie. Junge Menschen haben das Recht, ihre Zukunft aktiv mitzugestalten. Den jungen Menschen für eine Teilnahme an Wahlen auf Landes- und Bundesebene die nötige Reife abzusprechen halte ich für falsch und wenig überzeugend. Diese Argumentation ist antiquiert und wurde bereits gegen die Senkung des Wahlalters für die Bundestagswahl von 21 auf 18 Jahre unter Willy Brandt vorgebracht. Viele junge Menschen sind politisch interessiert, tragen Verantwortung und setzen sich ein. Zudem werden momentan viele Entscheidungen getroffen, die die Zukunft und somit das Leben kommender Generationen prägen. Es ist an der Zeit, den Stimmen junger Menschen mehr politisches Gehör zu verschaffen. Deshalb senken wir das aktive Wahlalter zur Europawahl auf 16 Jahre ab. Als Nächstes wollen wir das Grundgesetz ändern, um auch das aktive Wahlalter für die Wahl zum Deutschen Bundestag auf 16 Jahre zu senken. Die Wahlrechtskommission hat bereits festgestellt, dass für die Absenkung des Wahlalters für die Bundestagswahl keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen“, so der Bundesarbeitsminister.

Europaabgeordnete Lena Düpont (CDU): „Das Wahlrecht ist in Deutschland aus guten Gründen mit der Volljährigkeit verbunden, viele anderen Fragen von Rechten und Pflichten sind an dieses Alter geknüpft. Eine Entkopplung von diesem Grundsatz würde bedeuten, dass diese nicht mehr Hand in Hand gehen. Die schon bisher vorgesehene erweiterte Wahlmöglichkeit etwa bei Kommunalwahlen nimmt dabei Rücksicht auf die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten im unmittelbaren Umfeld von Jugendlichen. Wichtig ist, dass sich Kinder und Jugendliche bereits jetzt in den politischen Willensbildungsprozess einbringen können – junge Menschen, die sich nicht repräsentiert fühlen, können sich in Parteien oder Jugendorganisationen engagieren, um so die Zukunft zu gestalten.

Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die bei der Europawahl 2024 erstmals ihre Stimme abgeben dürfen, tragen dadurch sehr viel Verantwortung. Sie können mitentscheiden, in welche Richtung die Europäische Union sich entwickelt. Mit dem Recht geht einher, sich mit den Besonderheiten der Europäischen Union auseinanderzusetzen, die in vielen Bereichen anders funktioniert, als wir das aus dem nationalen politischen System gewohnt sind. Insofern lade ich alle ein, sich damit intensiv zu befassen und stehe jederzeit dafür zur Verfügung. In der europäischen Zusammenarbeit liegt enormes Potenzial, gerade für die Themen und Wünsche der Jüngeren. Es lohnt sich also auf jeden Fall, die Stimme abzugeben. Erasmus+, Discover EU, EU Youth Dialog, die Jugendgarantie und der European Solidarity Corps sind nur einige wenige Beispiele von Programmen, die für Jugendliche und junge Erwachsene explizit entwickelt wurden.“

Landtagsabgeordneter Philipp Raulfs (SPD): „Wir alle freuen uns, wenn junge Menschen sich für die Gesellschaft engagieren und einbringen und ermutigen sie oft dazu. Sei es in der Feuerwehr, im Jugendclub, im Sportverein oder an anderer Stelle. Dazu gehört dann auch, ihnen die Verantwortung zu geben, wählen zu gehen und sich für ihre Themen einsetzen zu können. Ich kenne viele Jugendliche, die sich mehr mit Politik beschäftigen als manche Person über 50. Nur, weil erst mit 18 die offizielle Volljährigkeit eintritt, bedeutet das nicht, dass Jugendliche mit 16 und 17 den Wert unserer Demokratie und die Möglichkeit zu wählen nicht richtig einschätzen. Ich finde es wichtig, dass wir das den Jugendlichen zutrauen und sie und ihre Haltungen sowie Positionen nicht klein reden.

Landtagsabgeordneter Stefan Marzischewski-Drewes (AfD): „Die volle Strafmündigkeit und Abschluss von Verträgen ist mit der Volljährigkeit verknüpft. Soll diese auch auf 16 Jahre herabgesetzt werden? Mit 16 Jahren auch als Soldat dienen? Zu Recht sprechen sich daher Dreiviertel der Deutschen gegen eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei Bundestagswahlen (Civey-Umfrage 03/2019) aus. Die AfD hat bei der Juniorwahl zur Landtagswahl 2022 sehr gute Wahlergebnisse erzielen können, sogar über dem Ergebnis der Landtagswahl. Die AfD würde von jungen Wählern also profitieren, dennoch muss das Große und Ganze näher betrachtet werden, denn die AfD steht für Grundsätze und Werte und ist nicht auf den eigenen Vorteil bedacht.“

Landtagsabgeordneter Christian Schroeder (Grüne): „Auch Jugendliche haben ein Recht auf Beteiligung. In den Parlamenten wird über eine Vielzahl von Fragen entschieden, die für das Leben der Jugendlichen eine unmittelbare Bedeutung haben und mit denen Weichen für ihre Zukunft gestellt werden. Gerade das Landesparlament entscheidet über die Schulpolitik - eines der Themen, in dem junge Menschen Experten sind. Die jungen Menschen brauchen eine Stimme! Die Absenkung des Wahlalters auf 16 ist ein erster wichtiger Schritt, um die Beteiligung junger Menschen zu verbessern. Nur durch die aktive Teilnahme an unseren demokratischen Prozessen, lernt man Demokratie zu leben.“

Gifhorns Bürgermeister plädiert für Beibehaltung

Gifhorns Bürgermeister Matthias Nerlich (CDU): „Ich sehe eine grundsätzliche Absenkung des Wahlalters skeptisch. Bei Kommunalwahlen, wenn es um die Themen direkt vor Ort geht, kann man sich auch in jungen Jahren eine Meinung bilden, da finde ich das Wählen ab 16 legitim. Bei Bundestagswahlen und Co., wo plötzlich Fragen wie Innere Sicherheit oder Außenpolitik eine Rolle spielen, sehe ich es kritischer. Die Jahre bis zur Volljährigkeit sind aus meiner Sicht gut angelegt, damit Jugendliche sich noch besser mit den politischen Prozessen vertraut machen können. Ab der Volljährigkeit greifen dann ja auch alle anderen Rechte und Pflichten in unserem Land.“

Landtagsabgeordnete Kirsikka Lansmann (SPD): „Junge Menschen wollen und sollen sich politisch engagieren. Viele von ihnen starten in diesem Alter bereits mit einer Ausbildung oder engagieren sich in Vereinen oder im Ehrenamt. Sie übernehmen in diesem Zusammenhang Verantwortung für sich und andere. Daher ist es wichtig, dass wir sie auch gesellschaftlich stärker teilhaben lassen. Dazu gehört für mich, dass sie mit dem Wahlrecht ab 16 Jahren auch politisch mitgestalten können. Wichtig finde ich, dass wir junge Menschen stärker politisch fördern. In der Schule können diese Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler beispielsweise durch Kinder- und Jugendparlamente noch weiter ausgebaut werden.“

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