Braunschweig. Braunschweig hat mit Marcel Schlinga seinen ersten Brotsommelier. Aber: Was ist gutes Brot, und wie backe ich es? Und hier kommt ein schönes Rezept.

Sommelier – unter diesem Begriff verstehen die meisten Menschen Weinexperten, die Kunden in Restaurant und Weinhandlung zu Weinen beraten und die Weine im Detail beschreiben können. Doch es gibt mittlerweile auch ausgebildete Brotsommeliers. Zum Beschreiben gibt es beim Brot genug, schließlich ist deutsches Brot mit seinen über 3200 registrierte Brotsorten Weltkulturerbe.

Braunschweigs erster Brotsommelier heißt Marcel Schlinga. Der 36-jährige Braunschweiger arbeitet in der Autostadt in Wolfsburg in der Brotmanufaktur „Das Brot“, ist Bäckermeister und Konditor. 2019 machte er dann die Ausbildung zum Brotsommelier an der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim. Die Ausbildung kostete mehrere Tausend Euro.

Brotsprache: von feinporig bis zartsplitternd

Schlinga hat dort gelernt, über die Sensorik zu sprechen. Das sind die Sinneseindrücke, die ein Brot beschreiben. Zu unserem Treffen hat er ein Brot aus einer Braunschweiger Bäckerei mitgebracht: „Hier haben wir ein eckiges Brot mit gesprenkelter Oberfläche, braun-gräulicher, Kruste, das vorher abgeflämmt wurde. Die Kruste ist knackig und zartsplitternd und die Krume feinporig.“

Was er so beschreibt, das ist festgelegt in der Weinheimer Brotsprache. Wie Winzer einen Wein etwa als „trocken mit leichtem Barrique und einer feinen Note von Steinfrüchten“ beschreiben, geht es hier um Porigkeit, Form und Färbung.

Marcel Schlinga in einem Feld des Ur-Getreides Schwarzer Emmer.
Marcel Schlinga in einem Feld des Ur-Getreides Schwarzer Emmer. © Marcel Schlinga

Schlinga hat in seiner Arbeit für jedes Brot eine Art Steckbrief erstellt. Das hilft den Verkäuferinnen und Verkäufern, das Brot für die Kundinnen und Kunden treffend zu beschreiben. Zusätzlich liefern Brotsommeliers auch Vorschläge, wie das Brot am besten serviert wird. „Zu einem kräftigen Roggenbrot empfehle ich zum Beispiel einen schönen Schinken und ein Glas Rotwein, zu einem Baguette eher Weißwein und den passenden Dip“, sagt Schlinga.

Für die Ausbildung zog er extra nach Süddeutschland nach Bad Friedrichshall und arbeitete für die Bäckerei Hirth. „Ich will mich immer weiterbilden und nicht stehen bleiben, sonst macht man sein Leben lang das gleiche“, erklärt Schlinga den Schritt.

Das lernt ein Brotsommelier

Voraussetzung, um an der Ausbildung zum Brotsommelier teilzunehmen, ist ein Meistertitel als Bäcker, Konditor, als Küchenmeister oder ein gleichwertiges Studium. Neben der Sensorik geht es um internationale und deutsche Brotkultur und ihre Vermarktung. Die Ausbildung ist rein theoretisch. So schrieb Schlinga eine Facharbeit über Brot aus Schwarzem Emmer. Das Ur-Getreide mit seinen charakteristischen schwarzen Ähren soll schon zu Zeiten der römischen Kaiser angebaut worden sein. Weil die industrielle Landwirtschaft es verschonte, ist es noch in der Ursprungsform erhalten.

Spannend an der Ausbildung sei auch gewesen, mit 18 Fachleuten aus ganz Deutschland in Kontakt zu kommen. Noch heute helfen sich die Kurs-Absolventen gegenseitig, etwa bei der Digitalisierung der Kassensysteme.

Was gutes Brot ausmacht

Aber was macht für den Brotsommelier ein gutes Brot aus? „Zunächst einmal muss es handwerklich hergestellt worden sein“, so Schlinga. Es muss Sauerteig sein mit hochwertigen Zutaten, gut gelagert. Ein Sauerteig muss mindestens 12 bis 16 Stunden arbeiten. „Du machst das Brot heute – und backst erst morgen“. Dann sei das Brot auch bekömmlicher.

Wichtig bei einem guten Brot ist auch die Kruste, die beim Backen entsteht. Schlinga erklärt: Dafür muss das Brot bei 260 Grad angebacken werden, um dann die Temperatur zu senken. Je nach Sorte variiert die Backzeit.

Zwar würden auch große Bäckereiketten Sauerteig verwenden und gut arbeiten. Keine Frage. Allerdings müssten diese auch sehr große Mengen produzieren. Und das bedeutet: Maschinen-Einsatz statt Handwerkskunst. Bei Broten vom Discounter würden die Hersteller zusätzlich mit technischen Enzymen nachhelfen, um den Prozess zu beschleunigen. Mit diesen künstlich hergestellten Eiweißen lassen sich Backeigenschaften das Brotes beeinflussen. Beispielsweise wandeln Amylasen die Stärke des Mehls in Zucker um.

Sein Lieblingsbrot, beschreibt er, habe eine offenporige Krume, womit das Innere des Brotes jenseits der Kruste gemeint ist. Und vor allem: eine krachende Kruste. „Wenn du schneidest, merkst du, dass es wegsplittert.“

So einfach wie bei Weinen, bei denen man klar zwischen Rebsorten unterscheiden kann, ist es beim Mehl fürs Brot leider nicht. Selten ist es tatsächlich sortenrein. Ein positives Beispiel ist das reine Lichtkorn-Roggenmehl, das seine Qualität den helleren Ähren verdankt.

Schlinga entwickelt zwei neue Brote pro Monat

Auch abseits der Brotsommelier-Ausbildung bildet Schlinga sich weiter, machte in seinem Urlaub eine Tour, bei der er bei zwölf Bäckereien hospitierte. „Es war spannend zu sehen, wie die Bäcker von Köln bis Linz oder Zürich arbeiten“, sagt er. Die Brotkultur unterscheide sich von Region zu Region. Im Braunschweiger Land sei das Heidebrot beliebt, in Süddeutschland hingegen stünden Dinkel und Weizenbrote im Fokus. Das beliebteste Brot der Deutschen sei jedoch das Toastbrot, und das kommt aus der Industrie.

Für „Das Brot“ in Wolfsburg kreiert Schlinga pro Monat ein bis zwei neue Brote. „Dafür bin ich Bäcker geworden: Du bist kreativ und siehst nach kurzer Zeit das Ergebnis deiner Arbeit.“ Seine neueste Kreation ist ein Rote-Beete-Walnuss-Ciabatta auf Dinkelbasis mit Emmer-Vollkornmehl. „Du hast den erdig-fruchtigen Geschmack der Rübe, aber auch das nussige Aroma“, beschreibt er. Wenn er neue Brote entwickelt, gibt er sie gern direkt den Kunden zum Probieren – und lernt dabei viel über ihren Geschmack. „Der entscheidet ja letztlich.“

Deutsches Brot ist aus seiner Sicht wegen seiner Einzigartigkeit Weltkulturerbe geworden. „Nicht umsonst sagen die meisten Auswanderer oder Leute, die aus dem Urlaub zurückkommen, dass sie das deutsche Brot vermissen.“

Rezept: Bauernbrot für das Backen zu Hause

Das Bauernbrot nach Rezept von Brotsommelier Marcel Schlinga.
Das Bauernbrot nach Rezept von Brotsommelier Marcel Schlinga. © Marcel Schlinga

„Das ist ein ideales Brot zur Vesper. Es lässt sich gut mit Frischkäse und Gouda kombinieren, ein Glas Riesling rundet alles perfekt ab“, beschreibt Brotsommelier Marcel Schlinga sein Bauernbrot. Hier das Rezept:

Für 2 Brote à 650 g

Vorteig:

  • 250 g Dinkelmehl, Typ 630
  • 1 g Hefe
  • 250 g Wasser
  • Quellstück:
  • 30 g Semmelbrösel/Altbrot
  • 60 g Wasser

Hauptteig:

  • 250 g Dinkelmehl, Typ 630
  • 100 g Roggenmehl, Typ 1150
  • 100 g weichgekochte Kartoffeln
  • 12 g Salz
  • 5 g Hefe
  • 300 g Wasser

Zubereitung:

1. Für den Vorteig die Zutaten mit dem Wasser verrühren. Den fertigen Vorteig etwa 2 Stunden abgedeckt in Raum stehen lassen, bis sich das Volumen verdoppelt hat. Dann über Nacht in den Kühlschrank stellen.

2. Für das Quellstück die Semmelbrösel/Altbrot mit 60 ml Wasser übergießen und vermischen. Mindestens eine Stunde quellen lassen.

3. Für den Hauptteig alle Zutaten bis auf das Salz in die Küchenmaschine geben, sechs Minuten auf langsamer Stufe mischen. Dann das Salz zugeben und den Teig weitere 2 min langsam kneten und 1 min schnell fertig kneten.

Der Teig sollte sich gut fenstern lassen. Wenn das nicht der Fall ist, noch etwas weiterkneten (aber Vorsicht, der Teig sollte nicht glänzen). Die Ideale Teigtemperatur ist 24 Grad. Den fertigen Teig mindestens 3 bis 4 Stunden ruhen lassen (am besten in einer leicht geölten Schüssel und abgedeckt mit Folie oder Küchentuch). Nach circa einer Stunde den Teig einmal schonend zusammenfalten.

4. Nach der Teigruhe den Teig mit etwas Mehl aus der Schüssel holen, in zwei gleich große Stücke teilen und schonend rund zusammenlegen. Mit dem Schluss (der Seite, auf der der Teig eingefaltet wurde) nach unten in ein bemehltes Körbchen legen.

5. Nach etwa einer Stunde sollte das Brot die doppelte Größe haben. Damit ist es backbereit.

6. Vor dem Backen die Brote auf einen bemehlten Holzschieber kippen, auf ein Backblech schieben und in den auf 240 Grad (Ober-/Unterhitze) vorgeheizten Ofen geben. Nach etwa 5 Minuten auf 180 Grad zurückdrehen. Die Backzeit beträgt circa 40 bis 45 Minuten.

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