Braunschweig. Ausgerechnet die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr kritisieren den Bau der Feuerwache in Rüningen. Warum der Standort aus ihrer Sicht falsch ist.

An der Westerbergstraße zwischen den Braunschweiger Stadtteilen Rüningen und Broitzem soll die neue Feuerwache Südwest gebaut werden. Doch ausgerechnet die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr sehen das äußerst kritisch. Ihrem Unmut machten sie in der letzten Sitzung des Stadtbezirksrats Südwest Luft.

Mit ihrer emotional vorgetragenen Kritik überraschten sie auch den Großteil der Bezirksratsmitglieder – diese stimmten am Ende geschlossen gegen den Entwurf des Bebauungsplans „Feuerwache Westerbergstraße“.

Der Neubau der Feuerwache Südwest ist eines der Großprojekte der kommenden Jahre in Braunschweig. Am 7. Februar entscheidet der Verwaltungsausschuss über den Entwurf, anschließend sollen die Pläne öffentlich ausgelegt werden. Sofern die Politik grünes Licht gibt, könnte bereits 2024 oder 2025 mit dem Bau begonnen werden.

Ein Zuschauer rief: „Fehlplanung!“

Die Stadt hat das Grundstück bereits gekauft, um dort, direkt neben der Autobahnmeisterei, die neue Feuerwache zu bauen. Sie soll dafür sorgen, dass die Einsatzkräfte auch im Südwesten Braunschweigs die Schutzziele erreichen und schnell genug dorthin kommen, wo Menschen in Gefahr sind.

Vertreter der Stadtverwaltung stellten im Stadtbezirksrat nun den Entwurf des Bebauungsplans vor. Es ging um den Lärmschutz in Richtung Gartenstadt, um eine Ampelanlage, die den Einsatzfahrzeugen eine grüne Welle bescheren soll, sowie die Bestückung des Dachs mit Solarpanels. Doch plötzlich gab es Unruhe unter den Zuhörern, einer rief: „Fehlplanung!“, ein anderer: „Falscher Standort – die Wache gehört in die Weststadt!“

Es waren Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Rüningen, die sich zu Wort meldeten. Die Sitzung wurde unterbrochen, um die Kritiker zu Wort kommen zu lassen. Die Freiwilligen Feuerwehren in Broitzem und Rüningen funktionierten hervorragend, so ihr Argument – eine Feuerwache an dieser Stelle sei deshalb überflüssig.

Wäre die Weststadt der bessere Standort für die neue Feuerwache?

„Das Ding macht alles kaputt“, monierte einer und merkte an: „Aktuell sind wir meistens die ersten vor Ort. Wie soll das werden – kommen wir dann nur noch, um nach dem Einsatz der Berufsfeuerwehr die Schläuche aufzurollen?“ Der bessere Standort für die Feuerwache sei definitiv die Weststadt, hieß es: In dem Stadtteil mit knapp 25.000 Einwohnern gebe es viele Einsätze, aber keine Freiwillige Feuerwehr. Der Kran, der in der Wache stationiert werden soll, sei dort außerdem an der falschen Stelle – er werde doch in erster Linie für Einsätze im Norden auf der A2 benötigt. Eine weitere Sorge der Bürger: dass die geplante Ampel an der künftigen Feuerwache für zusätzliche Staus in Rüningen sorgen könnte.

Der Standort für die Feuerwache stoße auf Ablehnung, stellte der Bezirksrat nach dem emotionalen Austausch fest – und stimmte geschlossen gegen den Entwurf des B-Plans. Dafür gab es kräftigen Applaus.

Sven Grabenhorst, Ortsbrandmeister von Broitzem, war bei der Sitzung anwesend und ist zudem SPD-Mitglied im Stadtbezirksrat. Er wollte sich im Anschluss auf Anfrage der Redaktion aber vorerst nicht zu dem Thema äußern, bittet um Verständnis und schreibt: „Zuerst werden die Dinge intern miteinander besprochen.“ Ein anderer Feuerwehrmann aus Broitzem, dessen Name der Redaktion bekannt ist, sagt: „Es gibt auch bei uns eine gewisse Skepsis und Fragen zur künftigen Aufgabenverteilung. Wir sind aber keineswegs gegen die Wache Südwest!“

Die Angst der Kameraden: Werden wir nicht mehr gebraucht?

Frank Witt, Ortsbrandmeister von Rüningen, war bei der Sitzung des Bezirksrats nicht zugegen, kennt aber die Vorbehalte. Er erklärt: „Die Kameraden haben Angst, dass sie nicht mehr gebraucht werden. Wozu braucht es eine Freiwillige Feuerwehr, wenn sich 500 Meter weiter eine Feuerwache der Berufsfeuerwehr befindet?“

Fühlen die Kameraden ihre Arbeit nicht wertgeschätzt? „Das glaube ich nicht“, antwortet Witt: „Es ist eher ein Problem mangelnder Kommunikation“. Vor einigen Jahren habe es ein Gespräch über die geplante Feuerwache mit allen Beteiligten gegeben, danach aber keine weiteren Termine: „Das lag natürlich auch an Corona. Den Entwurf des Bebauungsplans haben die Kameraden jedenfalls in der Sitzung zum ersten Mal gesehen. Da hat sich dann wohl der ganze Unmut entladen. Das hat seine Wirkung offenbar nicht verfehlt.“

Letzte Anmerkung bezieht sich auf den Gesprächstermin in der kommenden Woche, den die Verwaltung flugs angesetzt hat, nachdem sie vom Verlauf der Sitzung erfahren hatte: Teilnehmen werden die Ortsbrandmeister der betroffenen Ortsfeuerwehren sowie die Leitung der Berufsfeuerwehr. Erläutert werden sollen die Hintergründe zum Neubau. Zudem solle „noch einmal direkt auf die konkreten Fragen und Bedürfnisse der Ortsfeuerwehren eingegangen werden, um gemeinsam Lösungen dazu zu entwickeln“, heißt es aus der Pressestelle der Stadt. Gespräche dieser Art seien schon 2017 durchgeführt worden.

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Unsere Redaktion hat einige Fragen aus der Sitzung aufgegriffen und die Stadtverwaltung um Antworten gebeten:

Warum ist eine Feuerwache Südwest notwendig?

Im Jahr 2017 hatte die Stadtverwaltung einen Gutachter mit der Erstellung eines Feuerwehrbedarfsplans beauftragt. Der Gutachter stellte eine nicht ausreichende Abdeckung des süd-westlichen Stadtgebietes fest und empfahl die Errichtung eines zusätzlichen Standortes der Berufsfeuerwehr in diesem Bereich.

Warum wurde dieser Standort ausgewählt?

Als optimalen Standort für die Errichtung einer Südwestwache empfahl der Gutachter das Grundstück an der Westerbergstraße. Dorthin sollen laut Stadtverwaltung zehn Einsatzkräfte von der Feuerwache Süd im Heidberg mit Einsatzleitwagen, Drehleiter und Hilfeleistungslöschfahrzeug verlegt werden, so dass kein weiteres Personal und keine zusätzlichen Fahrzeuge benötigt werden.

Warum wurde kein Standort in der Weststadt ausgewählt?

Ein alternativer Standort in der Weststadt wurde ebenfalls intensiv geprüft, erklärt Stadtsprecher Rainer Keunecke: „In Betracht kämen grundsätzlich Flächen an der Ludwig-Winter-Straße.“ Dieser Standort sei zwar verkehrsgünstig gelegen, doch könnte an diesem Standort aufgrund der größeren Distanz zur bestehenden Wache im Heidberg nicht das aktuelle Personal aufgeteilt werden, da sich die Feuerwachen nicht mehr so schnell unterstützen könnten. Heißt: mehr Personal wäre nötig. Der Bau einer Wache an der Ludwig-Winter-Straße hätte zudem erhebliche Überschneidungen in der Innenstadt zur Folge, erklärt Keunecke. Die Abdeckung der südwestlichen Stadtteile wäre hingegen schlechter: „Somit sind die Flächen an der Westerbergstraße der optimale Standort für eine zusätzliche Wache im Hinblick auf eine möglichst großflächige Abdeckung des Stadtgebietes und einer möglichst wirtschaftlichen Vorhaltung von Feuerwehreinsatzkräften.“

Warum soll der Kran an der Feuerwache Südwest stationiert werden, wo er doch deutlich häufiger an der A2 im Norden der Stadt benötigt wird?

Die Wache Südwest soll unter anderem die Werkstätten der Berufsfeuerwehr beinhalten, die bisher an der Hauptwache an der Tunicastraße angesiedelt sind: KFZ-Werkstatt, Gerätewerkstatt, Kleiderkammer… Dieser Umzug sei dringend notwendig, so die Stadt, da die bisherigen Werkstätten zu klein seien und nicht mehr den gestiegenen Anforderungen entsprächen. In diesen Werkstätten arbeitet das Personal, welches auch die Einsatzfahrzeuge der Berufsfeuerwehr besetzt. Der Gutachter hat daher empfohlen, auch die Sonderfahrzeuge der Berufsfeuerwehr (unter anderem den Kran) an den Standort Südwest zu verlegen. Der Standort direkt an der A39 sei ideal, da die Autobahnen in alle Richtungen umgehend erreicht werden könnten. Die A2 sei von diesem Standort in der gleichen Zeit erreichbar wie aktuell von der Hauptwache. Davon abgesehen, würden Sonderfahrzeuge wie der Kran nicht innerhalb kürzester Zeit an einer Unfallstelle benötigt.

Warum wird nicht zuerst die ebenfalls geplante Feuerwache Nord gebaut?

Durch die neue Südwestwache könne die dringend benötigte Modernisierung der Werkstätten der Feuerwehr umgesetzt werden, so die Stadt. Ebenso werde durch die Verlagerung der Werkstätten und der Sonderfahrzeuge eine Sanierung der Hauptwache erst möglich: „Weiterhin wurde die Priorisierung der Südwestwache vor der Nordwache durch den Gutachter empfohlen, da durch ihn das Risiko in der Weststadt höher bewertet wird als das Risiko im nördlichen Stadtbereich.“

Wie geht es jetzt weiter?

Nach dem Hintergrundgespräch mit allen Beteiligten soll am 1. Februar der Bebauungsplan-Entwurf Thema im öffentlichen Ausschuss für Planung und Hochbau sein. Am 7. Februar entscheidet dann der Verwaltungsausschuss in nicht-öffentlicher Sitzung.

- der Text wurde aktualisiert -

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