Braunschweig. Andreas Paruszewski leitet das queere Zentrum Onkel Emma in Braunschweig. Aber was genau ist eigentlich queer? Wir haben mit ihm gesprochen.

Was bedeutet eigentlich „queer“? Das queere Zentrum Onkel Emma wird vom „Verein für sexuelle Emanzipation“ (VSE) betrieben, der die queere Party am Samstag, 28. Januar, mitorganisiert und auch Veranstalter des Sommerloch-Festivals und des CSD-Pride in Braunschweig ist. Aber was bedeutet das eigentlich, queer zu sein? Darüber sprechen wir ausführlich mit Andreas Paruszewski, Geschäftsführer des Vereins für sexuelle Emanzipation.

Der VSE wurde 1989 gegründet, ursprünglich von schwulen Männern, um ein schwules Zentrum zu gründen. Der Verein versteht sich mittlerweile als Dachorganisation für queeres Engagement. Ziel ist es, Raum dafür zu schaffen und Sprachrohr für queere Menschen gegenüber der Stadt und der Verwaltung zu sein. Insgesamt treffen sich in dem Haus in der Echternstraße 9 insgesamt über 20 Gruppen – plus Arbeitsgruppen für die verschiedenen Veranstaltungen.

Was ist eigentlich eine queere Party? Wir stellen den Organisator der nächsten Party in Braunschweig am 28.1., Andreas Paruszewski, vor. Er ist Geschäftsführer des Vereins für sexuelle Emanzipation.
Was ist eigentlich eine queere Party? Wir stellen den Organisator der nächsten Party in Braunschweig am 28.1., Andreas Paruszewski, vor. Er ist Geschäftsführer des Vereins für sexuelle Emanzipation. © Bernward Comes

Andreas Paruszewski, seit wann sind Sie Geschäftsführer des Vereins für sexuelle Emanzipation in Braunschweig und was konnten Sie bisher erreichen?

Ich bin 1996 zum Verein gekommen und war dann 20 Jahre ehrenamtlich im Vorstand tätig. Seit 2021 bin ich hauptamtlicher Geschäftsführer des Vereins. Zuvor habe ich 20 Jahre lang für die Aids-Hilfe Niedersachsen in Hannover als stellvertretender Geschäftsführer gearbeitet. In der Tätigkeit hatte ich sehr viel mit Zuwendungsrecht und Projektmittelakquise zu tun und habe gesehen, dass dieses Wissen hier gebraucht wird. Und dass ist auch jetzt meine Aufgabe, mich zum Beispiel um Projektmittel zu kümmern, Abrechnungen zu machen. Ein Erfolg ist, seit ich da bin, dass die Stadt Salzgitter, Stadt Wolfenbüttel, der Landkreis Wolfenbüttel und der Landkreis Helmstedt uns mit einem kleinen Betrag fördern, da wir sehr viele Anfragen aus der Region erhalten. Die Stadt Braunschweig bleibt der größte Geldgeber. Unser Ziel für 2023 ist, ab dem 1. Juli eine professionelle Trans-Beratungsstelle auch für die Region einzurichten. Ehrenamtlich wie es jetzt ist, ist es nicht mehr zu leisten.

Wie viele Bürger nutzen derzeit die Angebote des Vereins?

Zu den „Trans-Lions-Cubs“, bis 27 Jahren, zählen circa 50 bis 60 Leute, die sich wöchentlich hier treffen. Das ist zurzeit unsere größte Gruppe. Zu unserem queeren Kneipenabend am Freitag, zu dem alle kommen können, kommen rund 20 bis 50 Leute. Unsere Gruppe „bi-together“ besteht aus zehn bis zwölf Personen. Die „queer-teacher“ sind sehr aktiv. Das „Schlau-Aufklärungsprojekt“ zu den Themen sexuelle Orientierung und geschlechtliche Vielfalt, das an Schulen geht, ist sehr aktiv und umfasst bis zu 15 Personen. Für das Projekt gibt es für die Koordination sogar einen Mini-Job und es bekommt mehr Anfragen von Schulen, als bedient werden können.

Zum Teil kommt das Gefühl auf, die Welt sei hinsichtlich sexueller Orientierungen vielfältiger geworden. Es gibt nicht mehr nur die Begrifflichkeiten schwul, lesbisch, bi- und asexuell, sondern auch cis, trans, non-binär, inter. Die Kategorien sind mehr geworden. Können Sie uns diese einmal erklären?

Im Prinzip gibt es hier zwei Kategorien, die häufig durcheinandergeworfen werden. Die eine ist die sexuelle Orientierung, dazu zählen schwul, lesbisch, bi- oder pansexuell und es gibt die Kategorie geschlechtliche Identität. Bin ich Mann, Frau, cis oder trans. Und hier gibt es Überschneidungen. Menschen, die trans sind, können trotzdem schwul oder lesbisch sein. Je nachdem ob Mann Mann liebt oder Frau Frau liebt.

Lassen Sie uns genauer über die Kategorie geschlechtliche Identität sprechen. Was bedeutet cis, trans, non-binär und inter genau?

Cis ist der Gegenbegriff zu trans. Eine Trans-Person ist eine Person, die feststellt, dass das ihr von Geburt an zugewiesene Geschlecht nicht zu ihr passt. Oder auch die vorhandenen geschlechtlichen Merkmale nicht zum gefühlten Geschlecht passen. Das heißt häufig, nicht immer, gibt es dann eine operative Anpassung.

Ein Beispiel: Wenn mein zugewiesenes Geschlecht bei der Geburt männlich war, und ich stelle fest, das passt nicht, weil ich sage, ich bin eine Frau und entwickele mich dahingehend, dann bin ich eine Trans-Frau. War mein zugewiesenes Geschlecht bei der Geburt weiblich, aber ich stelle fest, dass ich ein Mann bin, bin ich ein Trans-Mann.

Und „cis“ (lat. für diesseits) bedeutet, ich bin als Mann oder Frau geboren, mir wurde das Geschlecht zugewiesen – und ich fühle mich auch so. Die meisten Menschen in unserer Gesellschaft sind also „cis“.

Non-binär heißt, ich fühle mich weder der Kategorie Mann noch Frau zugehörig.

Intergeschlechtliche Menschen sind bei der Geburt mit Merkmalen von beiden Geschlechtern geboren, es ist also nicht eindeutig, ob es Jungen oder Mädchen sind. Früher wurde diesen Personen dann ein Geschlecht zugeordnet, das macht man heute nicht mehr.


Lesen Sie hier mehr:

Seit wann wird in der Szene in diesen Kategorien gedacht. Macht man das schon immer so?

In Braunschweig war die Entwicklung erst später zu spüren als in Berlin, Göttingen, Oldenburg und anderen Städten. Als wir 1996 angefangen haben, das Sommerloch-Festival und den CSD-Pride und auch die Men Dance/Women Dance zu organisieren, lief es noch unter dem Motto „les-bi-schwul“ – also wurde nur nach der sexuellen Orientierung ausgerichtet.

Mittlerweile hat sich das in Braunschweig geändert, der Begriff queer tauchte vorher schon auf, als wir 2011 das „Onkel Emma“ als queeres Zentrum gegründet haben. Es entstand der Wunsch, umfassender zu denken, ein Dach für alle Gruppen zu sein, die sich jenseits der heteronormativ-geprägten Gesellschaft befinden. Und erst mit der Gründung des „Onkel Emma“ gab es die erste Trans-Gruppe in Braunschweig.

Seit wann wird der Begriff „queer“ in der Szene verwendet?

Schon lange, er geht auf Judith Butler aus den USA zurück. ich weiß noch, dass ich in den Nuller-Jahren bei einem Workshop in Göttingen war, und in einer parallel stattfindenden Gruppe wurde die „queer theory“ besprochen. Als wir dann in der Pause zusammenkamen, hieß es, wir seien jetzt alle queer und nicht mehr schwul oder lesbisch. Der Begriff queer wird unterschiedlich genutzt. Es gibt Leute, die sich als queer definieren, weil sie sagen, sie haben keine Lust, sich als trans, cis, lesbisch oder schwul zu bezeichnen und sagen, ich will mich nicht einordnen in die anderen Schubladen. Und wir benutzen queer als Oberbegriff für all‘ die besprochenen Kategorien. Deswegen heißt es hier das queere Zentrum und damit meinen wir sowohl die sexuellen Orientierungen, als auch die geschlechtlichen Identitäten.

Die Partyreihe hat unter dem Namen Mendance seit 1989 in Braunschweig Tradition. Seit ein paar Jahren wird der Zusatz „Queere Party“ verwendet. Ist sie auch offen für heterosexuelle Menschen?

Zu den Partys sind alle willkommen, die queeren Menschen wohlgesonnen sind und gerne mit ihnen zusammen feiern möchten. Mein Eindruck ist, dass es eine sehr gemischte Veranstaltung ist, auch von der Altersstruktur her. Hier feiern sehr junge und sehr alte Menschen zusammen. Ich führe das auf die traditionelle Partyreihe Mendance zurück, die seit den neunziger Jahren stattfindet und mittlerweile den Zusatz Womendance trägt. Jetzt benutzen wir den Ausdruck Mendance eher als traditionsreichen Oberbegriff, aber eigentlich ist es eine queere Party. Menschen, die gute Laune haben, sind herzlich willkommen!

Infos: Queere Party, Samstag, 28. Januar, ab 22 Uhr im Stereowerk, Böcklerstraße 30 in Braunschweig. Eintritt bis 23 Uhr 8 Euro, danach 10 Euro.

Glossar: Queer bezeichnet eine große Vielfalt von geschlechtlichen Identitäten. Queer wird häufig als Sammelbegriff verwendet. Manchmal sind einfach Menschen gemeint, die nicht heterosexuell sind. Quelle: Handreichung für Kommunalpolitik im Auftrag des Queeren Netzwerks Niedersachsen e.V.