Braunschweig. Der 45-Jährige soll in Portugal mehrere Frauen brutal vergewaltigt und zwei Kinder missbraucht haben. Nun hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben.

Noch immer ist das Schicksal der dreijährigen Madeleine Beth McCann ungewiss. Gegen den 45 Jahre alten Deutschen, der im Verdacht steht, das britische Mädchen im Mai 2007 aus einer Appartementanlage im portugiesischen Ferienort Praia da Luz entführt und ermordet zu haben, erhebt die Braunschweiger Staatsanwaltschaft unterdessen weitere schwere Vorwürfe: In ihrer am Dienstag vor dem Braunschweiger Landgericht erhobenen Anklage wirft sie dem vielfach Vorbestraften weitere Sexualverbrechen zwischen Dezember 2000 und Juni 2017 in Portugal vor: drei schwere Vergewaltigungen sowie den zweifachen sexuellen Missbrauch eines Kindes.

Zwei der Vergewaltigungen wurden der Justiz nach Zeugenaussagen aus dem Umfeld des in Portugal lebenden Deutschen bekannt: Bekannte hatten den Ermittlern von Videoaufnahmen mit Vergewaltigungsszenen berichtet, auf denen der heute 45-Jährige zu sehen gewesen sei.

Danach soll der Maddie-Verdächtige irgendwann zwischen 2000 und 2006 eine unbekannt gebliebene, zwischen 70 und 80 Jahre alte Frau in ihrer Ferienwohnung in Portugal im Schlafzimmer überrascht, gefesselt und vergewaltigt haben. Anschließend schlug er laut Anklage maskiert mehrfach mit einer Peitsche auf das Opfer ein. So schilderten es Zeugen, die die Videoaufnahme in den Wohnung des Beschuldigten entdeckt, abgespielt und später vernichtet hatten.

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Noch eine weitere Vergewaltigung soll der Mann auf Video aufgezeichnet haben: Diese Aufnahme zeigte nach den Angaben der Zeugen ein ebenfalls unbekannt gebliebenes deutschsprachiges Mädchen im Alter von mindestens 14 Jahren, das in dem vom Angeklagten bewohnten Haus in Praia da Luz nackt an einen Holzpfahl gefesselt war. Auch dieses Opfer soll er gepeitscht und brutal zum Oralverkehr gezwungen haben.

72-jährige Amerikanerin erstattete Anzeige gegen einen Unbekannten

Die Ermittlungen in diesen beiden Fällen hatten zur Aufklärung einer weiteren Vergewaltigung geführt: Eine 72 Jahre alte Amerikanerin hatte schon früher Anzeige gegen einen Unbekannten erstattet, der sie 2005 in ihrem Ferienhaus überfallen, geschlagen und vergewaltigt hatte. Der Fall zeigte Parallelen zu der Videoaufnahme, von der Zeugen berichtet hatten. Eine sichergestellte DNA-Spur auf dem Bett der 72-Jährigen überführte den deutschen Auswanderer. Das Braunschweiger Landgericht verurteilte ihn im Dezember 2019 zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe, die er zurzeit verbüßt.

Zuständig ist die Braunschweiger Justiz, weil der aus Süddeutschland stammende Mann seinen letzten deutschen Wohnsitz in Braunschweig hatte.

Der Braunschweiger Staatsanwalt Hans Christian Wolters.
Der Braunschweiger Staatsanwalt Hans Christian Wolters. © dpa | Ole Spata

Medienberichte über die Vergewaltigung der US-Amerikanerin im Zusammenhang mit dem Fall Maddie. brachten ein weiteres Sexualverbrechen ans Licht: Eine Irin erkannte in dem Vorgehen des 45-Jährigen wieder, was sie selbst erlitten hatte. Auch diese Ermittlungen mündeten in die aktuelle Anklage: Am 16. Juni 2004 soll der Beschuldigte gegen 3 Uhr nachts im portugiesischen Praia da Rocha über den Balkon Zugang zum Appartement der damals 20-jährigen Irin verschafft haben. Die schlafende Frau sei dann von dem maskierten Angeschuldigten unter Vorhalt eines Messers geweckt und brutal vergewaltigt worden, heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft Anschließend habe der Angeschuldigte die Frau an einen Tisch gefesselt, geknebelt und erneut vergewaltigt.

Oralverkehr und auf dem Rücken ausgepeitscht

Sodann habe er das Opfer mit einer mitgebrachten Peitsche auf dem Rücken ausgepeitscht und schließlich gewaltsam den Oralverkehr mit dem Opfer ausgeführt. Große Teile des Geschehens habe der Angeschuldigte mit einer mitgebrachten Videokamera gefilmt.

Während der Angeschuldigte laut Anklage später über den Balkon floh, gelang es dem Opfer, sich zu befreien und weinend um Hilfe zu bitten.

Am 07. April 2007 soll der Beschuldigte nachmittags an einem Strandabschnitt von Salema im Distrikt Faro in Portugal nur mit Schuhen bekleidet und ansonsten nackt einem dort an den Felsen spielenden zehnjährigen, deutschen Mädchen hinter einem Felsloch aufgelauert haben. Er habe das Kind am Handgelenk gepackt und begonnen, an seinem nackten Penis Masturbationsbewegungen zu vollziehen. Dabei habe er das Mädchen grinsend aufgefordert, auf sein nacktes Geschlechtsteil und die daran vollzogenen Masturbationsbewegungen zu schauen, um sich dadurch sexuell zu erregen. Nachdem der Angeschuldigte zum Samenerguss gekommen sei, habe er von dem Mädchen abgelassen und sei geflüchtet.

Blickkontakt zu einem 11-jährigen Mädchen beim Schneckenfest

Im Juni 2017 soll er nachts gegen 2 Uhr während des sogenannten Schneckenfestes auf einem Spielplatz in Bartolomeu de Messines in Portugal Blickkontakt zu einem 11-jährigen portugiesischen Mädchen aufgenommen haben, die auf der Schaukel des dortigen Spielplatzes gesessen habe. Unter ständigem Blickkontakt mit dem Kind soll er seine Hose und Unterhose heruntergezogen und masturbiert haben, bis das erschrockene Mädchen hilfesuchend zu ihrem Vater gelaufen sei. Noch vor Ort wurde er von der Polizei festgenommen.

Der über 100 Seiten umfassenden Anklageschrift sind mehrjährige, sehr intensive und aufwendige Ermittlungen in mehreren europäischen Ländern, insbesondere durch das Bundeskriminalamt, vorangegangen, heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft.

Bei dem Angeschuldigten handelt es sich um einen mehrfach vorbestraften Sexualstraftäter, der unter anderem auch wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden ist.

Zeugenaufruf des Bundeskriminalamts

Die Anklage erfolgte zur Jugendkammer des Landgerichts Braunschweig, weil es sich bei den Opfern einiger der angeklagten Taten um Kinder oder Jugendliche handelt und damit sogenannte Jugendschutzsachen vorliegen.

„Die Ermittlungen zum Verschwinden Madeleine McCanns dauern indes ungeachtet der Anklageerhebung weiter an“, so die Staatsanwaltschaft. Angesichts der laufenden Ermittlungen können diesbezüglich zum jetzigen Zeitpunkt auch weiterhin keine näheren Informationen zu den bisherigen Ermittlungsergebnissen mitgeteilt werden.

In diesem Zusammenhang bittet die Staatsanwaltschaft auch weiterhin um Mithilfe der Bevölkerung. Ein Zeugenaufruf mit weiteren Informationen findet sich auf der Webseite des Bundeskriminalamtes: www.bka.de/oeffentlichkeitsfahndung.