Braunschweig. Wie kann ein glückliches Leben gelingen? 300 Braunschweiger Kinder lernen das im „GlüGS“-Projekt des TU-Glücks-Forschers Tobias Rahm.

Für rund 300 Braunschweiger Viertklässlerinnen und Viertklässler wird nach den Herbstferien ein ganz neues Fach auf dem Stundenplan stehen: Glück. Bis zum Ende des ersten Schulhalbjahrs wird es an 16 Braunschweiger Grundschulen dabei darum gehen, wie die Kinder ihr eigenes Wohlbefinden verbessern können. „Glück ist lernbar“, ist die Botschaft, die Glücksforscher Tobias Rahm vom TU-Institut für Pädagogische Psychologie vermitteln will.

Rahm steckt hinter dem „GlüGS“-Projekt, das er mit der Buchautorin Carina Mathes ins Leben gerufen hat. Ihre Bücher „Curriculum Schulfach Glückskompetenz“, von denen zwei Ausgaben erschienen sind, bilden das inhaltliche Grundgerüst. Was ist Glück? Wie kann man Glück vermehren? Kann man Glück im Körper spüren? Und was hat das alles mit Dankbarkeit zu tun? Spielerisch und kreativ werden Themen wie diese Woche für Woche bearbeitet. Da schreiben sich die Kinder beispielsweise gegenseitig Postkarten mit Komplimenten. Und sie packen ihren „gelben Rucksack“, in den sie nur ihre schönsten Momente stecken.

„Wohlbefinden ist lernbar und fördert akademische Leistungen“

Hinter dem Projekt steckt das hehre Ziel, positiven Einfluss auf die psychische Gesundheit der Gesellschaft zu nehmen. Das Risiko, im Verlauf seines Lebens an einer Depression zu erkranken, liegt laut Rahm bei 20 Prozent. Demnach erfährt jeder Fünfte mindestens eine depressive Phase. „Es ist eine gute Idee, große Ziele zu haben und kleine Schritte dahin zu gehen“, sagte Rahm bei der Vorstellung des Projekts an der TU Braunschweig vor Grundschullehrerinnen und -lehrern sowie -leiterinnen und -leitern. Der Glücksunterricht sei einer dieser Schritte. Überbewertet solle er nicht werden. „Wir werden nicht alle dazu bringen, aufzublühen. Aber wir wollen mehr dazu bringen.“

Einen Missstand wolle er nicht beheben, so Rahm. „Wir haben ein gutes Bildungssystem.“ Aber er sehe, dass die Potenziale manchmal nicht gehoben werden könnten. „Was aber wäre, wenn wir alle wüssten, was förderlich für ein langfristig glücklich gelingendes Leben ist?“, fragte Rahm. Er fragte kritisch – und rhetorisch –, ob man das überhaupt lehren könne und ob das nicht auf Kosten der akademischen Leistung gehe, da andere Fächer dem Glücksunterricht ja im Stundenplan Platz machen müssten. „Jetzt soll Schule auch noch für glückliche Menschen sorgen“, schloss Rahm an und löste dann auf: „Aber beides beflügelt sich.“ Er legte Studienergebnisse vor, die belegen, dass Schülerinnen und Schüler, die sich mit ihrem eigenen Wohlbefinden beschäftigten, besser in Tests abschnitten als solche, die dies nicht taten. „Wohlbefinden ist lernbar und fördert akademische Leistungen.“

Das „GlüGS“-Projekt wird wissenschaftlich begleitet

Wissenschaftlich begleiten werden soll auch das Braunschweiger „GlüGS“-Projekt. Rahm hat Fragebögen vorbereitet und es soll auch eine qualitative Befragung der Teilnehmenden sowie der Vergleichsgruppe geben, die sich aus Kindern der Parallelklasse zusammensetzt, die nicht am Glücks-Unterricht teilnehmen.

Podcast mit Glücksforscher Tobias Rahm

Der Unterricht wird von Lehramts-Studierenden durchgeführt, die die Arbeit mit Rahm eng in einem begleitenden Seminar vor- und nachbesprechen. In Zweier-Teams werden sie an den Grundschulen im Einsatz sein. An der Grundschule Gliesmarode beispielsweise findet der Glücks-Unterricht in einer Verfügungsstunde statt. Andrea Bieler wird die Lehrerin sein, in deren Klasse die Glücks-Stunden stattfinden werden. „Für die Schülerinnen und Schüler kann das nur gut sein“, sagt sie aus Erfahrung. Denn sie selbst hat mit anderen Lehrkräften bereits an einem Training von Rahm zur Steigerung des Wohlbefindens für Lehrkräfte teilgenommen. Die Idee dahinter: Glückliche Lehrer, glückliche Schüler. „Wir haben davon profitiert“, sagte Bieler. Keine Frage, dass sie nun auch beim Schülerprojekt dabei sein wollten.

Wie Grashalme im Wind, die sich immer wieder aufrichten

Gelobt wurde das Projekt auch von Torsten Glaser, Leiter des Regionalen Landesamts für Schule und Bildung Braunschweig, gerade vor dem Hintergrund von Pandemie, Krieg und Klimakrise: „Insbesondere in Krisenzeiten ist es wichtig, dass Kinder Empfindungen ausdrücken können und sie Strategien zur Krisenbewältigung bekommen. Nichts ist schlimmer, als sie allein zu lassen.“ Er ist sicher,, dass „der Erfolg von ganz allein kommt, wenn die Kinder zufriedener in die Schule gehen“.

Mathes, die mit ihren Büchern die Grundlage für die Glücksstunden geschaffen hat, sagt: „Resiliente Menschen haben es leichter, nach einer Krise wieder in die Ausgangslage zu kommen.“ Sie seien wie Grashalme im Wind, die sich schnell wieder aufrichten. „Das höchste Ziel ist es, Kindern die Fähigkeit zum Wohlbefinden mitzugeben, damit ihr Leben glücklich gelingen mag.“

Am „GlüGS“-Projekt beteiligen sich die Grundschulen Gliesmarode, Am Schwarzen Berge, Broitzem, Bebelhof, Diesterwegstraße, Stöckheim, Mascheroder Holz, Wenden, Melverode, Heidberg, Lindenberg, Rautheim, Völkenrode-Watenbüttel, Volkmarode sowie die Grund- und Hauptschulen Rüningen und Pestalozzistraße.

Ablauf einer Glücksstunde:

Begrüßungsritual - Schüler springen zum Start der Stunde auf eines von drei laminierten Karten und bestimmen damit, wie sie begrüßt werden wollen: Förmlich, per Handschlag oder mit einem kleinen Tänzchen.

Inhalte vermitteln - Anhand kleiner Geschichten werden Inhalte zu folgenden Themen vermittelt: Was ist Glück? Glück ist lernbar. Glück vermehren. Altruismus und Gutes tun. Glück im Körper spüren. Emotionale Ansteckung. Sich seiner Selbst bewusst sein. Perspektive wechseln. Dankbarkeit. Entspannung und Achtsamkeit.

Abschluss mit Body-Percussion-Ritual. Einen Brief für die Eltern bekommen die Kinder mit nach Hause. Darin gibt es weitere Anregungen für zu Hause.

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