Braunschweig. Sie wurde im Internet gemobbt und bedroht, auf offener Straße bespuckt: Lijana Kaggwa weiß, wie sich Cybermobbing anfühlt – und gibt Tipps.

Die Tür schwingt auf, und eine schlanke, junge Frau kommt in die Turnhalle. Wie auf einem Laufsteg schreitet sie auf hohen Hacken durch die Halle, schwingt die Hüften zur Musik – so, wie sie es einst von Topmodel Heidi Klum gelernt hat.

Lijana Kaggwa (25) hat im Jahr 2020 bei der Casting-Show „Germany’s next Topmodel“ mitgemacht und es bis ins Finale geschafft. Im Finale stieg sie überraschend aus – sie wollte damit ein Zeichen setzen gegen den Shitstorm, den sie in den Wochen zuvor in den sozialen Medien zu erleiden hatte.

Im Finale trug sie den gleichen Mantel, den sie auch jetzt in der Turnhalle Alte Waage trägt. Der helle Stoff ist in großen Buchstaben mit Beschimpfungen beschriftet: „Affe, verrecke!“ steht da und die Wörter „Schlampe“, „abartig“ und „Dreck“. All’ das hatte sie damals zu hören bekommen: jede Menge Beleidigungen und auch Drohungen gegen sie und ihre Familie.

Selbstbewusst schildert Lijana Kaggwa mehreren hundert Schülern und Schülerinnen ihre Geschichte. Stella Ost, Lehrerin an der Johannes-Selenka-Berufsschule, hat die junge Frau zum Präventionstag der Schule nach Braunschweig eingeladen. In 40 Workshops befassten sich rund 800 Schüler an diesem Tag mit präventivem Handeln. Schwerpunkt: Cybermobbing.

Jana-Marie Wihmer macht derzeit ihre Fachhochschulreife an der Johannes-Selenka-Schule und sagt: „Als Antwort auf Beiträge in den sozialen Medien erhält man schnell freizügige Bilder und so. Ich gebe deshalb kaum etwas von mir im Internet preis.“
Jana-Marie Wihmer macht derzeit ihre Fachhochschulreife an der Johannes-Selenka-Schule und sagt: „Als Antwort auf Beiträge in den sozialen Medien erhält man schnell freizügige Bilder und so. Ich gebe deshalb kaum etwas von mir im Internet preis.“ © Braunschweiger Zeitung | Bernward Comes

Lijana Kaggwa: Ich wurde auf offener Straße bespuckt

Lijana Kaggwa hatte im Mai mit einem Enthüllungsvideo bei Youtube für Aufsehen gesorgt: Bewusst hatte sie die Verschwiegenheitsklausel, die alle Teilnehmerinnen bei GNTM unterzeichnen müssen, gebrochen und berichtet, was sie beim Dreh hinter den Kulissen erlebt hat: wie die Redaktion künstlich Stress provoziert und sie ihrer Meinung nach so manipuliert habe, dass sie als „Quotenzicke“ rüberkam. Knapp drei Millionen mal wurde das Video bereits aufgerufen. Die Produktionsfirma hat gegen die Behauptungen geklagt, in einem ersten Urteil hat Kaggwa einen Teilsieg errungen.

Fakt ist: Als die Dreharbeiten abgeschlossen waren und die Folgen ausgestrahlt wurden, entlud sich über Lijana Kaggwa ein Shitstorm. Den Schülern berichtet sie, wie sie all den Hass, der im Internet über ihr ausgekippt wurde, erlebt hat: „Es war mitten im Corona-Lockdown, ich war allein zu Hause, und bei mir gingen sekündlich Nachrichten ein: man solle mir die Fresse einschlagen, mich vergewaltigen. Meine Adresse wurde geleakt, ich wurde auf offener Straße bespuckt, mein Auto wurde zugemüllt und in meinem Garten wurde ein Köder ausgelegt, um meinen Hund zu vergiften.“

Schülerin löscht alle Accounts: „Ich wollte raus aus der toxischen Umgebung“

Sie habe Polizeischutz erhalten und gedacht, nach ein oder zwei Wochen werde sich der Sturm legen. „Aber es wurde immer schlimmer. Und irgendwann fängst du an, zu glauben, was die Leute schreiben. Du fragst dich: Wie kann es sein, dass dich so viele Leute hassen?“ Sie habe sich zu Hause verkrochen: „Ich war depressiv und habe überlegt, wie ich mir das Leben nehmen soll.“

Nicklas-Leander Kostian macht eine Ausbildung zum Bäckerei-Fachverkäufer. Er sagt: „Früher wurde ich einige Jahre in der Schule gemobbt. Irgendwann habe ich es ignoriert, es war mir egal – seitdem ist alles gut.“
Nicklas-Leander Kostian macht eine Ausbildung zum Bäckerei-Fachverkäufer. Er sagt: „Früher wurde ich einige Jahre in der Schule gemobbt. Irgendwann habe ich es ignoriert, es war mir egal – seitdem ist alles gut.“ © Braunschweiger Zeitung | Bernward Comes

Erst mit professioneller Hilfe sei es ihr gelungen, die negativen Gedanken zu vertreiben und zu ihrer alten Lebensfreude zurückzufinden, erzählt Kaggwa, die als Model und Influencerin arbeitet. „Ich habe gelernt: Meine Gedanken gehören mir. Ich bin frei. Und nur die Liebe siegt – die Liebe zu mir!“ Ihre Tipps: „Diskutiert nicht rum mit Hatern. Meldet die Personen. Löscht Hassnachrichten!“

Cybermobbing – einige Schüler im Publikum haben es selbst erlebt oder kennen jemanden, den es getroffen hat. „In meinem Umfeld wurden mal Leute stark gemobbt“, erzählt Emmy Stade (20) am Rande der Veranstaltung. Sie wollte damals „raus aus dieser toxischen Umgebung“, habe alle ihre Accounts gelöscht und sich drei Jahre lang von sozialen Plattformen im Internet ferngehalten. Auch heute noch sei sie sehr vorsichtig mit privaten Inhalten: „Ich sehe keinen Sinn darin, mein Leben mit fremden Menschen zu teilen – und als junge Frau ist man nicht gut geschützt.“

Auch Sara Kosic (17) hat einige unschöne Begegnungen im Netz gehabt: „Ich habe eine Morddrohung erhalten, weil einem Mann meine Meinung nicht gepasst hat. Das war ein Schock für mich.“ Sie sei damals 14 oder 15 Jahre alt gewesen. Daraus hat sie gelernt: „Ich kommentiere viel, stelle aber kaum Persönliches öffentlich ins Internet – das teile ich nur mit Freunden.“

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