Braunschweig. Auf dem Hauptfriedhof findet man Nutzpflanzen als Grab-Bepflanzung. Daran gibt es Kritik. Wir fragen nach: Verboten, Irrweg oder neuer Trend?

Wie hat in Braunschweig Grab-Bepflanzung auszusehen? Auf dem Hauptfriedhof findet man einige Gräber mit Nutzpflanzen als Grab-Bepflanzung. Daran stößt sich Leserin Inge Günzel. Friedhof und Obst- und Gemüseanbau, so meint sie, das gehöre nicht zusammen.

Tatsächlich. Keine Spur von klassischer Grab-Bepflanzung mit Stauden, Heide oder Büschen. Am Fuße der Grabsteine stattdessen Kürbisse, Erdbeer-Pflanzen, abgeerntete Johannisbeersträucher, ein Apfelbaum mit Früchten, Rote Bete und Kohlrabi-Pflanzen. Man stutzt und fragt Experten. Zum Beispiel die der benachbarten Gärtnerei Spittel. Das Unternehmen ist regelmäßig und auch erfolgreich dabei, wenn auf Landes- und Bundesgartenschauen Friedhofsgärtnereien im Wettbewerb der besonders schönen Grab-Gestaltung konkurrieren.

Nein, sagt Geschäftsführerin Julia Spittel-Dimitrijevic, in Wettbewerben spielten Nutzpflanzen zur Grab-Bepflanzung bislang keine Rolle. „Aber auch wir wurden bereits gefragt, ob wir Tomaten für eine Grab-Bepflanzung haben. Haben wir aber nicht.“ Empörend findet Spittel-Dimitrijevic Nutzpflanzen nicht: „Wenn es ein letzter Wille gewesen ist, oder der Verstorbene zum Beispiel ein besonders guter Gärtner gewesen ist, den die Angehörigen genau so in Erinnerung behalten wollen – was sollte gegen Nutzpflanzen sprechen?“

Bepflanzung als Trauer-Bewältigung

Ethische Bedenken hat die Expertin auch keine: „Natürlich ist eine Grab-Bepflanzung mit Nutzpflanzen ungewöhnlich. Und darum wird es immer jemanden geben, der sich daran stößt. Man sollte aber berücksichtigen, dass die Grab-Bepflanzung auch Teil der Trauerbewältigung ist. Wer weiß außerdem, ob es so bleibt?“ Bei Gemüsepflanzen handele es sich um eine Saison-Bepflanzung. „Wenn von Grabstellen auch als letzter Garten gesprochen wird, dann ist das hier nur wörtlich genommen worden.“

Wilhelm Klose tut sich schwer. Der stellvertretende Leiter der Friedhofsverwaltung meint: „Wir selbst bieten die Bestattung auf einer Wiese mit Apfel- und Birnbäumen an.“ Das Gelände des Hauptfriedhofs wandelt sich. Insektenhotels findet man dort ebenso wie Blühstreifen. Wenn auf einem Grab ein Apfelbaum gepflanzt werde, falle ihm dazu spontan ein: „Der Apfel ist eine biblische Frucht.“

„Gräber auf dem Hauptfriedhof sind 1,70 Meter tief – dorthin reichen Wurzeln nicht“

Ob sich hier ein Trend anbahnt, vermag Klose nicht zu beurteilen: „Bei Berlin gibt es mittlerweile einen Friedhof, wo der Gemüseanbau ausdrücklich erwünscht ist.“ Man finde auf Friedhöfen auch Bambus-Anpflanzungen, um Biogas zu erzeugen. Auch Solaranlagen. Aufgelöste Grabstellen würden vielerorts zu Kleingärten. Technische Gründe sprechen nicht gegen Obst- und Gemüsepflanzen. „Gräber auf dem Hauptfriedhof sind 1,70 Meter tief. Dorthin reichen Wurzeln nicht.“

In Braunschweigs Friedhofsordnung findet man nur den Passus: „Jede Grabstätte ist so zu gestalten und so der Umgebung anzupassen, dass die Würde des Friedhofes in seinen Einzelteilen und seiner Gesamtanlage gewahrt ist.“ Klose meint: „Im Friedhofsausschuss müssten wir besprechen, ob es einer Regelung bedarf.“

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