Braunschweig. Das alte Kontorhaus ist saniert. Im Kellergeschoss befinden sich rätselhafte Eisenbahnschienen.

Das Ringgleis in Braunschweig hat eine neue Attraktion. Am Westbahnhof wurde die Sanierung des alten Kontorhauses abgeschlossen. Eine ganz besondere Sanierung. Denn alte Fotos zeigten auf dem Dach einen Drachen. Er brüllt nun wieder.

Wann der Drache einst verschwand, weiß man nicht. Warum der Drache einst auf dem Dach angebracht wurde, weiß man auch nicht. Doch der Kontorhaus-Verein war der Ansicht, so Tamara Ostermann: „Wenn saniert wird, dann kehrt auch der Drache auf das Dach zurück.“ Der Verein hat das Kontorhaus gerettet. Es gelang, die Stadtverwaltung von Kauf und Sanierung zu überzeugen.

Gebaut wurde das einstige Chefbüro der Holzhandlung Brachvogel im Jahr 1899. Über den Arbeitsplatz im Kontorhaus sagt Udo Gebauhr: „Vom Schreibtisch aus blickte man über die Wasserfläche des alten Jödebrunnens. Auf der Gegenseite freier Blick über die Felder bis nach Broitzem. Tangenten-Wall und Weststadt gab es damals noch nicht. Einen schöneren Arbeitsplatz wird es damals wohl kaum gegeben haben.“

Blick hinein in das Kontorhaus. Dielen, Holzdecke und ein Kamin, der aber nicht mehr in Betrieb ist.
Blick hinein in das Kontorhaus. Dielen, Holzdecke und ein Kamin, der aber nicht mehr in Betrieb ist. © regios24 | Stefan Lohmann

Von der längst vergangenen Holzhandlung blieb am Westbahnhof viel erhalten. Die Fassade des Kufa-Hauses gehört dazu. Ebenso eine Eisenbahn-Drehscheibe unweit des Jugendplatzes. Grund: Förderprogramm Soziale Stadt. Der dortige Bezirksrat sorgte dafür, dass Fördergelder flossen. Auch die Sanierungskosten des Kontorhauses verteilen sich auf Stadt, Land und Bund.

Gering waren die nicht. Bis zum Jahr 2012 war das Gebäude zwar bewohnt, was den gänzlichen Verfall verhinderte. Am Ende kostete die Sanierung dennoch 360.000 Euro. Versorgungsleitungen, Dach, Wege ­– alles war sanierungsbedürftig.

Der Drache war allerdings nicht inbegriffen. Ursprünglich war er aus Eichenholz. Fragmente waren erhalten geblieben. Doch die Rekonstruktion wäre für den Verein unbezahlbar gewesen, erzählt Ostermann. „Die Idee, Corten-Stahl zu verwenden, wurde verworfen. Der neue, alte Drache besteht aus Edelstahl.“ Kostenpunkt, so die Vereinsvorsitzende: „Vierstellig – trotz bester Verbindungen. Ein Kraftakt. Der Kontorhaus-Verein hat nur 16 Mitglieder. Glücklicherweise wurden wir von Sponsoren unterstützt.“

Freitag fand die Schlüsselübergabe statt. Der Verein hat das Kontorhaus von der Stadt gemietet. Die Refinanzierung soll über die Vermietung des Kontorhauses als ganz besonderer Veranstaltungsort erfolgen. Die Grundfläche beträgt 20 Quadratmeter. Platz genug für Gruppentreffen mit bis zu 20 Personen. Bis zu 12 Personen finden Platz, wenn Tische aufgestellt werden. Möglich macht dies das etwas größere Untergeschoss mit Teeküche und WC. Dort gilt es noch ein Rätsel des Gebäudes zu lösen.

Untergeschoss: Dort findet man die rätselhaften Eisenbahnschienen aus dem Jahr 1870.
Untergeschoss: Dort findet man die rätselhaften Eisenbahnschienen aus dem Jahr 1870. © regios24 | Stefan Lohmann

Denn das Erdgeschoss ruht auf unverwüstlichen Eisenbahnschienen. Sie wurden im Jahr 1870 gefertigt und gerade frisch rot gestrichen. Statisch ist das eine unbedenkliche, aber außergewöhnliche Lösung. Woher die Schienen stammen, weiß man nicht. Der Westbahnhof ist zwar nah. Doch Stadtteilheimatpfleger Heiko Krause sagt: „Die Holzhandlung Brachvogel betrieb damals einen weltweiten Holzhandel und hatte vier Ringgleis-Anschlüsse. Es war überhaupt kein Problem, sich von sonstwo per Eisenbahn die Schienen bis aufs Firmengelände liefern zu lassen.“

Der Verein wird demnächst mit der Vermietung beginnen, kündigt Ostermann an. Die Arbeiten am Kontorhaus sind aber noch nicht ganz abgeschlossen. Das Umfeld ist verwildert. Es wird noch nachgebessert. Denn auch wenn das Kontorhaus geschlossen ist, soll es zum Ringgleis-Ziel werden, wo man innehalten kann. Pläne werden nach den Sommerferien der Politik vorgestellt. Spätestens im nächsten Frühjahr soll das alte Kontorhaus wieder sein alten Glanz ganz zurück erhalten.

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