Braunschweig. Hund, Katze, Meerschweinchen – Vertraute in Kriegs-Zeiten, wenn Familien auseinandergerissen sind. In Braunschweig kümmert man sich auch um sie.

Wie eine Heimsuchung kommt der Krieg in der Ukraine über die Menschen, die eben noch in Frieden lebten und nun vor Tod und Zerstörung auf der Flucht sind – nur das Nötigste konnten sie mitnehmen. Dass dazu auch Haustiere gehören und dass diese in Braunschweig ebenfalls angemessen versorgt werden, ist eine weitere Geschichte der bedenkenswerten Ereignisse dieser Tage.

Eine Zuflucht für Haustiere aus der Ukraine mit (von links) Leiter Michael Fricke und Sprecherin Frauke Engel von den Johannitern sowie dem städtischen Veterinär-Chef Dr. Jürgen Grötzschel.
Eine Zuflucht für Haustiere aus der Ukraine mit (von links) Leiter Michael Fricke und Sprecherin Frauke Engel von den Johannitern sowie dem städtischen Veterinär-Chef Dr. Jürgen Grötzschel. © Henning Noske

Stippvisite an der Stadthalle, Flüchtlingsunterbringung, Station Tier-Unterbringung. Alles hat hier seine Ordnung. Treffen mit Amtstierarzt Dr. Jürgen Grötzschel, Leiter des städtischen Veterinärwesens. Dazu: Spitz, Yorkshire-Terrier, Katze, Meerschweinchen, Hamster, ein Nymphensittich ...

Haustiere. Nicht nur das. Familienvertraute in Zeiten, da Familien auseinandergerissen sind. Hauptsächlich Frauen und Kinder gleich nebenan in der Stadthalle. Tiere als Gefühlsanker einerseits, aber auch als schwache, abhängige Geschöpfe und Kreaturen, für die man Verantwortung übernommen hat. Und nicht aufgibt.

Haustiere sorgen auch für Stabilität in solch belastenden Situationen

Die Stadt Braunschweig ist auch für diese Aufgabe, die mancherorts auch anders beurteilt wird als hier, ein vorbildlicher Partner. Dies verkörpert Amtstierarzt Grötzschel, einerseits streng der Tierseuchen-Bekämpfung verpflichtet, andererseits in Sorge und Fürsorge für Tier- und Menschenwohl. „Es gibt da enge Bindungen. So sorgen Haustiere auch für Stabilität in solch belastenden Situationen“, weiß er.

Enge Bindungen in belastenden Situationen: Familien-Spitz in Obhut.
Enge Bindungen in belastenden Situationen: Familien-Spitz in Obhut. © Henning Noske

Bloß in die Stadthalle dürfen die Tiere nicht hinein, schon klar. Also wurde draußen zunächst ein Metallcontainer aufgestellt. Aber das geht besser, wussten die Johanniter, die die Leitung der Flüchtlingsunterbringung übernahmen. Sie bauten ein luftigeres Zelt auf, sorgten für Licht und mit Unterstützung etlicher Spender für reichlich Futter und ein freundliches Ambiente.

Das gehört alles zusammen. Vor allem der Kontakt mit den Besitzern, mit den Kindern, Müttern, die sich kümmern, regelmäßig vorbeischauen, füttern, spazierengehen. Eine Alternative wäre das Tierheim, so wie es anderswo teilweise auch gehandhabt wird. Bloß, dass das Wort „Tierheim“ im osteuropäischen Raum ja ganz anders verstanden wird. Schwer zu übersetzen. Es markiert aber dort eher, ganz anders als hier, die allerletzte Station vorm Einschläfern.

Amtstierarzt: Die Tiere müssen unter einem wirksamen Tollwut-Impfschutz stehen

Also Mensch und Tier vereint in der Ferne, aber doch räumlich getrennt, in emotionaler Nähe. Kommen wir zu den hiesigen veterinären Amtspflichten. Klar, Kontrolle der Impfnachweise für Hund und Katze. Die Tiere müssen unter einem wirksamen Tollwut-Impfschutz stehen.

Manche Tiere sind geimpft, manche jedoch auch nicht. Manchen fehlt auch der Nachweis. Also wird die Tollwut-Impfung angeordnet. Zwar liegt nach Berechnungen des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tiergesundheit die Wahrscheinlichkeit, dass ungeimpfte Haustiere aus der Ukraine hier Tollwut einschleppen könnten, bei etwa eins zu 300.000. Doch es gibt halt Vorschriften. Ist auch gut so. Neun Tierarzt-Praxen in Braunschweig haben sich für solche Impfungen bereiterklärt, bezahlt werden sie von der Stadt.

Haustiere als Gefühlsanker, Familienvertraute: Nymphensittich.
Haustiere als Gefühlsanker, Familienvertraute: Nymphensittich. © Henning Noske

Heile Welt als Fluchtort, Zwischenstopp, Auffangstation. „Das hier ist nur ein Notbehelf. Zur Ruhe kommen. Menschen und Tiere sollen zusammen wohnen“, sagt Jürgen Grötzschel. Das wirft dann schon die Frage auf, wie es mal weitergehen soll. Was den Krieg betrifft, weiß das grad keiner, nicht mal die gewieftesten Militärstrategen. Was die Haustiere auf der Flucht betrifft, so hört man, in Braunschweig könne demnächst auch eine Unterkunft zur Verfügung stehen, in der auch Menschen mit ihren Tieren untergebracht werden können.

Johanniter ziehen ein zufriedenes Zwischenfazit der Arbeit

Einstweilen wurden schon 30 Haustiere im Container und im Zelt an der Stadthalle betreut und versorgt, derzeit sind es rund zehn. An freundlichen Angeboten von Menschen, die Tiere bei sich aufzunehmen, mangelt es übrigens nicht. „Ja, sehr gern, aber nur gemeinsam mit ihrem Herrchen oder Frauchen“, heißt es dann. Dann flacht das Interesse etwas ab.

Michael Fricke von den Johannitern, gemeinsam mit seinem Kollegen Sven Kaspersinski Leiter der Flüchtlingsunterkunft in der Stadthalle, zieht ein zufriedenes Zwischenfazit der Arbeit, auch der Haustier-Betreuung: „Es läuft sehr gut. Wir haben viele Spenden bekommen und viele Ehrenamtliche, die uns unterstützen.“

Und wie lange geht das nun alles noch, wann ist es vorbei? Das weiß keiner. Gebell an der Stadthalle als traurig-wütender Sound. Unterbrochen, wenn ein gebeugter Mensch hineinkommt, wenige Minuten der Vertrautheit, ein kleiner Gang, Hoffnung. Darum geht es.

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