Braunschweig. Algorithmen, Querdenker, Streit und Hetze: Autorinnen unserer Braunschweiger Jugendredaktion schreiben über die Spaltung der Gesellschaft (Teil 3).

Die Spaltung der Gesellschaft – eigentlich ein guter Titel für den nächsten Hollywood- Blockbuster, nicht? Eine dramatische Geschichte rund um Ablehnung, Akzeptanz und Zurückweisung, auf der einen Seite die Guten und auf der anderen die Bösen. Dreht sich der Film jetzt noch um ein menschenfeindliches Virus, dann kann man sich das Kinoticket eigentlich schon wieder sparen. Denn mit dieser Erzählung wären wir in der Realität angekommen.

Aber woher weiß ich eigentlich, wer im realen Leben zu den Guten oder den Bösen gehört? Die Realität hat, soweit ich weiß, kein Drehbuch mit festgelegten Superhelden und Bösewichten. Ich persönlich würde mich der guten Seite zuordnen, denn ich habe mich an jegliche Corona-Verordnungen gehalten und bin geimpft.

Gehören Menschen, die meine Überzeugungen nicht teilen, zu den „Bösen“?

Doch gehören Menschen, die meine Überzeugungen nicht teilen – und nicht „blind“ der Politik folgen wollen –, gleich zu den „Bösen“? Oder sind sie im Grunde nicht einfach nur anders als die Mehrheit, der ich angehöre?

Machen wir einen kleinen Ausflug in die Vergangenheit zu Nikolaus Kopernikus und Galileo Galilei. Beide waren im Gegensatz zur restlichen Welt davon überzeugt, dass sich nicht die Erde, sondern die Sonne im Zentrum unserer Galaxie befindet. Heute wissen wir, dass sie recht gehabt haben, doch damals wurden ihre Theorien als „Schwindelhirnelein“ bezeichnet und Anhängern drohten Folter und andere harte Strafen. Denn die katholische Kirche, die im Mittelalter die beherrschende Autorität in Europa war, hat das heliozentrische Weltbild nicht toleriert.

Cynthia Seidel ist Autorin der Jugendredaktion „Streetwords“ der Braunschweiger Zeitung.
Cynthia Seidel ist Autorin der Jugendredaktion „Streetwords“ der Braunschweiger Zeitung. © Privat

Wie stehe ich zu Impfgegner:innen?

Tolerieren können wir grundsätzlich nur Dinge, die wir ablehnen, die also im Gegensatz zu unserer Meinung stehen. Bezogen auf meine persönliche Einstellung zur Pandemie wären das beispielsweise Impfgegner:innen oder Demonstrant:innen gegen die Corona-Politik. Weiterhin muss ich aber auch akzeptieren, dass diese Menschen im Zweifel (gute) Gründe haben, weshalb sie eine andere Meinung als ich vertreten.

Doch auch Toleranz hat ihre Grenzen, und die fangen da an, wo die Akzeptanz-Gründe aufhören. Wenn ich nicht verstehe, warum jemand sich nicht impfen lässt und es mich zusätzlich noch in meinem Wohlbefinden einschränkt oder bedroht, dann geht es nicht mehr nur um Anderssein, sondern um das Aufwiegen der Freiheit des einen gegen die des anderen.

Wir haben aufgehört, die Meinung des anderen zu tolerieren

Ob wir Menschen deshalb aber ausschließen oder gar bestrafen sollten, finde ich eher fragwürdig. Eines aber ist klar: Die Uneinigkeit der Menschen kam nicht erst mit der Pandemie auf. Die Menschen hatten schon immer viele unterschiedliche Meinungen und Anschauungen. Angefangen beim Kaffee mit oder ohne Milch, über religiös oder Atheist, bis hin zur Flach-Erdlern.

Die Spaltung der Gesellschaft ist dementsprechend kein neues Phänomen. Wir haben nur aufgehört, die Meinung des anderen zu tolerieren – vielleicht aus gutem Grund, aber macht uns das nicht alle auch ein wenig böse?

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