Braunschweig. Algorithmen, Querdenker, Streit und Hetze: Autorinnen unserer Braunschweiger Jugendredaktion schreiben über die Spaltung der Gesellschaft (Teil 2).

Manchmal reicht es nicht, einfach ein Teil dieser Gesellschaft zu sein. Manchmal ist das Glas nicht voll, sondern halbleer. Manchmal wiegen nicht nur Sorgen schwer. Manche sagen, man braucht Glück im Leben und manche hindert eben das am Geben. Manche sagen, wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht, nur die haben bisher immer am längsten gelacht.

Manchmal haben wir verschiedene Glaubensansätze. Manchmal verlieren sie sich in Streit und in Hetze.
Manchmal braucht es eben Gesetze, um alle Menschen wieder in eine Richtung zu lenken. Manchmal braucht es einfach nur ein Lächeln, was wir dem anderen schenken.

Was kostet schon die Welt? Frag das die Menschen ohne Geld. Steigende Preise im Supermarkt. Früher hat man auf Spielzeug, anstatt auf gutes Essen gespart. Mag sein, dass das nicht auffällt, dass die Konzerne das nicht aufhält. Mag sein, dass so mancher Minijob, einen eher zum Discounter lockt. Wie soll ich fair kaufen, wenn mir für die Preise meine Mittel fehlen? Wie lebt die eine Hälfte, wenn die andere sich durch den Monat quält? Was nützt mir ein steigender Mindestlohn, wenn die Preise auch alle wachsen? Wie ein Mast-Tier, was schneller fett werden soll, dann kann man es früher schlachten.

Danielle Wiesner schreibt für die Jugendredaktion „Streetwords“ der Braunschweiger Zeitung.
Danielle Wiesner schreibt für die Jugendredaktion „Streetwords“ der Braunschweiger Zeitung. © Peter Sierigk

Wir wollen toleranter sein, diverser sein. Ein Land, was mehr ist, als nur seine Geschichte. Doch das politische Kartenhaus bricht immer ein,
egal, wie ich die heutigen Stimmen gewichte. Einerseits gedenken wir jedes Jahr den unzähligen Opfern des Holocausts, andererseits sitzt eine rechte Partei im höchsten politischen Haus. Man geht nicht mit Nazis spazieren, nicht damals und auch nicht heute, und man sitzt auch nicht neben ihnen im Bundestag, als wären das ganz normale Leute. Wir können nur einen Tod sterben. Man könnte meinen, wir seien verantwortungsvolle Erben. Ich schäme mich, dass wir dastehen und öffentlich trauern, und mit all diesem Wissen, noch immer Wege für rechte Meinungen bauen.

Und dann sitz’ ich da und denke daran, wie viel besser alles mal war. Mit meinen jungen Jahren, sollte ich sowas vermutlich nicht sagen. Da geht es doch eher um: die Zukunft ist alles, was wir noch haben.
Doch unwissend, ob es die für uns gibt, stellen sich tausende Fragen. Was ist, wenn wir versagen?

Klimaschützer, Klimaleugner. Menschen, die das Impfen kritisch beäugt haben, dann einen Menschen an Covid verloren und immer noch sagen: Das ist doch alles gelogen. Was denkt die Ärztin auf der Intensivstation, ihr ist gerade eine Reanimation misslungen, und sie fragt sich: Wann hört das alles auf? Die Dinge nehmen ihren Lauf, nehmen Fahrt auf und was weiß ich, wie viele Menschenleben noch, in Kauf.

Und ich bin sauer, so unendlich sauer und will es gar nicht sein, denn die Spaltung beginnt nicht im Großen, sondern im Kleinen. Ich will kein Teil davon sein, doch manchmal denke ich mir, jetzt denkst du so groß und landest am Ende bei dir. Und was, wenn das jeder machen würde? Mal darüber nachdenken, was man besser machen kann und das dann auch tun.
Dann gäbe es vielleicht weniger Hürden und uns wäre das, was gerade ist, nicht genug.

Unsere Gesellschaft ist gespalten, in vielerlei Hinsicht. Und trotzdem wird das Verhalten derer, die dafür sorgen, viel zu lang schon gebilligt. Die Mehrheit will wieder zurück in ein normales Leben, wie viel muss sie dafür geben? Die Minderheit stellt sich quer, liegt im Unrecht und bekommt noch mehr. Welchen Wert haben Worte wie Gemeinwohl und Nächstenliebe, wenn der eine das Leben seiner Nächsten aufs Spiel setzt? Was ist uns noch geblieben? Wenn einer den anderen nun schon mutwillig verletzt?

Und dann sitz’ ich da und hinterfrage so vieles. Wie viele Leben muss man noch geben, bis das letzte verspielt ist? Wie viele Menschen müssen noch hungern, leiden und ausgegrenzt werden? Wie viele „Querdenker“ dürfen bestimmen, wie viele Menschen noch sterben? Ich gehe gerne spazieren, aber nicht mit Nazis und nicht mit Menschen, deren Flaggen quere Gedanken zieren. Ich gehe mit Menschen, die queer sind und wo das Herz an der richtigen Stelle ist. Und so lange die Mehrheit der Minderheit unterliegt, die im Unrecht ist. So lange bleibt unsere Aussicht auf den normalen Alltag ungewiss.

Wäre das Leben ein Spiel, hätten wir Zeit auszuprobieren. Wäre das Leben kein Spiel, könnten wir nur verlieren. Manchmal muss man erst hinfallen, um wieder aufzustehen. Aber die Zeit, um „das erstmal zu testen“, kostet Menschenleben. Solange sich jeder selbst der Nächste ist, sind wir alle verloren, das sei‘ gewiss. Und manchmal sitze ich einfach nur da und frage mich: „Was fange ich mit meinem Leben nur an,
wenn man es gar nicht richtig anfangen kann?“

Weitere Streetwords-Texte zum Thema