Braunschweig. Eine besondere Pizza, türkischer Kaffee und Knabberkram satt – zwei neue Lokale machen das Braunschweiger Kultviertel bunter.

Es ist Bewegung im Braunschweiger Kultviertel. Mitten in der Corona-Pandemie haben zwei Braunschweiger den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt: Der 26-jährige Adam M’Barek hat kurz vor Weihnachten seine Trattoria „Bel Gusto“ am Bruchtor eröffnet. Der 33-jährige Burak Konyalı eröffnete bereits am 15. Dezember den ersten Teil seines „Knabber-Cafés“ an der Friedrich-Wilhelm-Straße, ein Geschäft, in dem er Hülsen- und Trockenfrüchte sowie türkische Spezialitäten verkauft. Ab heute können die Gäste auch eine Etage höher gehen und dort italienisches Essen und türkische Kaffeespezialitäten genießen.

Damit erweitern sie das gastronomische Angebot des oft als Kultviertel bezeichneten Friedrich-Wilhelm-Viertels, das zwischen Bürgerpark und Kohlmarkt, zwischen Schloss und dem Alten Bahnhof liegt. „Im Viertel ist gerade einiges Erfreuliches in Bewegung“, sagt Falk-Martin Drescher, Vorsitzender des Vereins Interessengemeinschaft Friedrich-Wilhelm-Viertel. „Wir merken seit Jahren, dass sich die Akteurinnen und Akteure ganz bewusst für das Kultviertel als Standort entscheiden. Seien es Cafés, Bars, Kreativwirtschaftler, neue Store-Konzepte, Büros & Co.“ Das Viertel habe sich erfolgreich neu erfunden.

Von der Lage überzeugt ist auch Karrar Qasim Al-Tameme, der am 15. Dezember bereits das „Beef & Leaf“ am Gieseler eröffnet hat (wir berichteten). Drescher: „Und ich kann schon jetzt vermelden, dass auch für die nächsten Monate bereits neue Gründungen geplant oder angestrebt sind, auch im Kultviertel.“

„Man muss Lust auf die Selbstständigkeit haben und wagemutig sein“

Burak Konyalı, Betreiber des Knabber-Cafés, mit seinem Vater Özkan Konyalı (rechts) und Koch Massimo Gatto (links).
Burak Konyalı, Betreiber des Knabber-Cafés, mit seinem Vater Özkan Konyalı (rechts) und Koch Massimo Gatto (links). © Bernward Comes

Für sein „Knabber-Café“ an der Friedrich-Wilhelm-Straße sagt Konyali: „Im Erdgeschoss bieten wir Trockenfrüchte, Hülsenfrüchte und Lokum an, türkische Spezialitäten wie Baklava.“ Das Besondere: Die Ware ist unverpackt und kann mit Schaufel und Zange in Tütchen aus recyceltem Papier verpackt werden. „Es haben aber auch schon Kunden angefragt, ob sie ihre eigenen Dosen mitbringen können. Das geht natürlich auch.“

Heute eröffnet Konyalı auch die zweite Etage des „Knabber-Cafés“- Und die lädt zum längeren Verweilen ein, bei italienischem Essen und türkischem Kaffee. Und wer mit Kindern kommt, der darf sich darauf freuen, dass es jedes Gericht auch als Kinderportion gibt. „Was wir für die Großen anbieten, gibt es auch für die Kleinen.“

Das Ladenlokal an der Friedrich-Wilhelm-Straße hat Konyalı bis kurz vor der Eröffnung Mitte Dezember saniert – bis hin zur Erneuerung der Stromleitungen und Wasserrohre. Unterstützung bekommt er aus der Familie, insbesondere von seinem Vater. Beide haben für die Selbstständigkeit ihre vorherigen Arbeitsplätze aufgegeben, das „Knabber-Café“ mit Ersparnissen aufgebaut.

Die erste Etage mit dem Restaurant sollte eigentlich zeitgleich mit dem Geschäft im Dezember starten. „Wir hatten allerdings Lieferschwierigkeiten bei der Küche.“ Dieser Lieferengpass habe sicher mit der Corona-Pandemie zu tun gehabt, so Konyalı. Sich von der Pandemie bei dem Wunsch, ein eigenes Lokal zu eröffnen, stoppen zu lassen, sei für ihn nicht infrage gekommen. „Sich selbstständig zu machen, ist immer mit einem Risiko verbunden. Man muss einfach Lust darauf haben und wagemutig sein.“ Zudem ist er von seinem Konzept überzeugt: „Wir machen etwas Neues und sprechen dabei viele Kulturen an.“ Zudem: „Die Leute sehnen sich nach etwas Neuem, danach, aus dem Trott heraus zu kommen.“

Auch Adam M’Barek blickt mit seiner Trattoria „Bel Gusto“ trotz Pandemie sehr optimistisch in die Zukunft: „Die Menschen freuen sich, gut essen gehen zu können, egal zu welcher Zeit.“ Als sich die Gelegenheit ergab, das Ladenlokal anzumieten, fasste er sich ein Herz und schlug zu. Mit Ersparnissen und Unterstützung seiner Familie baute er die Trattoria auf und führt sie nun. Gut angelaufen sei das Geschäft. „Egal wer da war, er oder sie kam wieder. Es war ein guter Start.“

„Als ich das erste Mal Pinsa gegessen habe, bin ich ausgeflippt“

Adam M'Barek von der Trattoria „Bel Gusto“ setzt auf die besondere Pizza Pinsa.
Adam M'Barek von der Trattoria „Bel Gusto“ setzt auf die besondere Pizza Pinsa. © Bernward Comes

In seiner Trattoria dreht sich alles um die Pinsa. „Die normale Pizza, die wir kennen, kommt aus Neapel. Die Pinsa romana ist eine andere Variante, die aus der italienischen Region Latium stammt“, sagt M’Barek. Sie gilt als bekömmlichere und gesündere Variante zur Pizza, da der Teig lange gärt, bei M’Barek 72 Stunden lang, und weil sie aus Reis-, Soja- und Weizenmehl hergestellt wird. Auch glutenfrei gibt es sie bei M’Barek.

„Als ich das erste Mal Pinsa gegessen habe, bin ich ausgeflippt.“ Es sei schwierig, eine vernünftige Pizza zu finden. „Ich bin glücklich, das jetzt teilen zu können.“ Neben der Pinsa bietet M’Barek auch Antipasti, Pasta und Salate an. Perspektivisch soll es auch Fleischgerichte und Eis geben. Und mit Blick auf das Nachtleben im Viertel möchte er in Zukunft auch Handliches zum Mitnehmen anbieten: Panini und Arancini, gefüllte Reisbällchen.

M’Barek hat in den vergangenen drei Jahren ein Restaurant in Rheinland-Pfalz gemanagt, seit seiner Jugend arbeitet er in der Gastronomie. Sein Koch kommt aus Turin. Das Ladenlokal, in dem er nun das „Bel Gusto“ betreibt, habe er schon länger im Blick gehabt. Eine Zeit habe er nebenan gewohnt. Als gebürtiger Braunschweiger, der in der Innenstadt groß wurde, kenne er dort jeden Stein. „Und ich sehe sehr viel Potenzial in dem Viertel.“ Und er will es mitgestalten. Im Sommer vielleicht sogar mit Tischen auf dem Friedrich-Wilhelm-Platz. Aber das müsse die Stadt Braunschweig entscheiden. Laut Drescher nehmen die Friedrich-Wilhelm-Straße und der Friedrich-Wilhelm-Platz eine ganz neue Rolle ein. „Wo wir früher nach und nach Mieter verloren haben, sind wir heute in einer Position, dass sich auf ein Objekt gleich mehrere wirklich gute Akteurinnen und Akteure bewerben.“

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