Braunschweig. . Die „Barber Angels“ waren vor der Braunschweiger Bahnhofsmission im Einsatz. Sie beglücken, die sich einen Friseurbesuch nicht leisten können.

Es kommt nicht alle Tage vor, dass ich mit schwarzen Engeln verabredet bin. Aber sie haben Mailadressen und Telefonanschlüsse, und man kann sie problemlos erreichen. Es sind Engel mit der Lizenz zum Trösten. Himmlisch, wie gut sie abschneiden können.

Sie nennen sich Barber Angels und sehen zu meiner Überraschung aus wie Rockerladies aus einer Bikergang. Und so ähnlich sind auch die Aufnahmerituale. Auf den Lederjacken der Aufnäher: „Our heart in your hand.“

Ihr über Deutschland hinaus engagierter Verein, 2016 gegründet, heißt „Barber Angels Brotherhood“, was man mit „Bruderschaft der Friseurengel“ übersetzen kann. Ihre Satzung kennt nur ein Ziel: nämlich Obdachlose und andere Bedürftige zu frisieren. Kostenlos. Aber weil selbst Engel manchmal Spritkosten haben, sind sie froh über Spenden jener, die in ihrem Leben nicht herumknappsen müssen.

Umsonst frisieren und den Schnurrbart stutzen — das wollte einst schon meine Mutter mit mir veranstalten, weil nach ihrer Auffassung Friseurbesuche mit sinnlosen Ausgaben verbunden sind. Ich habe immer dankend abgelehnt.

Diese Aktion hier vor der Bahnhofsmission Braunschweig ist hoch professionell aufgezogen. Ich bin dabei und fühle mit, wie die Seele aufblüht, nur weil der Pony endlich mal super fällt. Manchmal hält das Leben auch Glückssträhnen bereit. Es ist immer so: Das was in mir ist, will ich nach außen tragen, und das Äußere wirkt auf das Innere ein.

Ich wundere mich, wie hingebungsvoll mancher Engel eine Glatze bearbeitet, auf der nicht mehr viel wächst. Da rutscht keiner einfach mit der Schermaschine drüber, sondern leistet liebevolle Kleinstarbeit am einzelnen grauen Haar.

Und dann die Bärte. Aus einem Gemüsegarten wird endlich wieder eine männliche Zierde mit Format, ähnlich dem Bart, mit dem mittlerweile George Clooney über den roten Teppich geht. Endlich voll salonfähig. Das neue Passfoto wäre der Beweis. Und vielleicht könnte man sich ja mit diesem Foto erfolgreich bewerben.

Da legen sie also ihren Kopf in die Hände der Angels, und bald stellt sich das Gefühl der Geborgenheit und Vertrautheit ein. Es gibt wissenschaftliche Stimmen, die sagen, nach einem Friseurbesuch könne man sich den Gang zum Psychiater sparen.

Diese Engel hier — ein paar männliche Exemplare sind auch darunter – schneiden ungern lange Haare ab. Man könnte sie tragen wie die Popsängerin Rihanna, die ihre Mähne auf der Bühne so unnachahmlich verwegen herumwirbeln kann. Oder wie wäre es mit einem Dutt à la „Fromme Helene“ (Wilhelm Busch)?

Ich beuge mich runter zu Meike, die sich am Ende der Prozedur selig ins rotblonde Haar greift. „Man geht schon anders durchs Leben“ sagt sie. Und sie wundert sich: „Das es noch so etwas gibt.“

Was ist schon umsonst in der Stadt? Nicht viel. Wenn wir unseren Durst stillen wollen, sind wir mit mindestens mit zwei Euro dabei. Und der Damenfriseur nimmt vielleicht fünfzig Euro.

Der Open-Air-Salon vor der Bahnhofsmission hat keinen Namen. Man hätte ihn, um im Bild zu bleiben, „Haarem“ nennen können oder einfach nur „Schnittstelle“. Nach drei Stunden ist der Steinboden voller Haare. Zum Auffegen haben die Friseurengel eigens Putzteufel engagiert.

Barber Angel Melanie Bethke aus Braunschweig freut sich, wie wunderbar alles gelaufen ist. Sie und die anderen Engel haben ja auch etwas davon. Helfen macht glücklich. Wo immer sie wirken, übernehmen wichtige Politiker die Schirmherrschaft, in Braunschweig Oberbürgermeister Ulrich Markurth.

Melanie und die anderen: Engel, die keine Grenzen kennen. Inzwischen wurden sie nominiert für den „Grand Prix Humanitaire de France“. Die Ehrung ist im Mai 2019 in Paris.

Kostenlose Frisur für Obdachlose und Wohnungslose

Die „Barber Angels“ frisierten in der Bahnhofsmission wohnungslose und obdachlose Menschen.
Die „Barber Angels“ frisierten in der Bahnhofsmission wohnungslose und obdachlose Menschen. © Harald Duin
Die „Barber Angels“ frisierten in der Bahnhofsmission wohnungslose und obdachlose Menschen. Melanie Bethke ist Friseurin in Braunschweig.
Die „Barber Angels“ frisierten in der Bahnhofsmission wohnungslose und obdachlose Menschen. Melanie Bethke ist Friseurin in Braunschweig. © Harald Duin
Die „Barber Angels“ frisierten in der Bahnhofsmission wohnungslose und obdachlose Menschen.
Die „Barber Angels“ frisierten in der Bahnhofsmission wohnungslose und obdachlose Menschen. © Harald Duin
Die „Barber Angels“ frisierten in der Bahnhofsmission wohnungslose und obdachlose Menschen.
Die „Barber Angels“ frisierten in der Bahnhofsmission wohnungslose und obdachlose Menschen. © Harald Duin
Die „Barber Angels“ frisierten in der Bahnhofsmission wohnungslose und obdachlose Menschen.
Die „Barber Angels“ frisierten in der Bahnhofsmission wohnungslose und obdachlose Menschen. © Harald Duin
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Die „Barber Angels“, 2016 in Biberach gegründet, engagieren sich deutschlandweit. Und immer frisieren sie in einer Rockerkluft, um von vorneherein ihren Gästen die Hemmungen zu nehmen. Für die Braunschweiger Aktion, die von der Friseurmeisterin Melanie Bethke organisiert wurde, übernahm Oberbürgermeister Ulrich Markurth die Schirmherrschaft. Die „Barber Angels“ sind alle 14 Tage auf eigene Kosten im Einsatz und machen jene glücklich, die sich einen normalen Friseurbesuch nicht leisten können.