Berlin. Die Übungen dazu bieten sich auch für den Arbeitsalltag an.

Yoga kennt heute jeder. Pilates auch. Aber Achtsamkeit? Da zucken viele immer noch mit den Schultern. Dabei ist es eine Technik, die ebenso gut beim Entspannen und Stressabbauen helfen kann. Dafür braucht man nicht einmal eine Matte oder Turnsachen. Die Übungen bieten sich daher auch fürs Büro an. Oder für gestresste Eltern im Alltag.

Die Idee dabei: Entspannung fängt im Kopf an. Denn Stress ist nicht selten hausgemacht. Und wie sehr man sich selbst stresst und wie sehr man darunter leidet, ist Einstellungssache.

Das Problem: Viele hetzen im Alltag ständig von einer Sache zur nächsten – und sind dabei nie ganz bei der Sache. Und im Kopf kreisen die Gedanken andauernd um die Sorgen von morgen und den Ärger von gestern – das Wichtigste verpassen viele: den Moment. So entsteht das Gefühl: Irgendwas ist immer. Das nagt an einem und macht unzufrieden.

Bei den meisten geht morgens schon der Autopilot an, erklärt Achtsamkeitstrainer Günter Hudasch aus Berlin. Dadurch sind sie oft nicht bei dem, was gerade passiert. „Wenn sie unter der Dusche stehen, kochen sie in Gedanken Kaffee, wenn sie den Kaffee trinken, denken sie „Ich muss los“, und so weiter“, erläutert der Vorsitzende des Verbandes der MBSR- und MBCT-Lehrer in Deutschland. Die beiden Abkürzungen stehen für Trainingsprogramme für Achtsamkeit.

Achtsamkeit zielt dagegen darauf ab, wieder mehr im Jetzt und Hier zu leben. Es geht darum, dem Moment mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Dazu ist es wichtig, den inneren Autopiloten ab und zu einmal abzuschalten und das Gedankenkarussell zu stoppen. Ziel ist es, mehr Gelassenheit zu entwickeln, erklärt Hudasch.

Das kann im Alltag in vielen Situationen helfen – an der Supermarktkasse, im Stau oder an stressigen Tagen im Job. Ein typischer Fehler im Beruf: das Multitasking. Dabei wissen Experten wie Prof. Dirk Windemuth längst: Weder Frauen noch Männer beherrschen das. „Unser Gehirn kann das nicht“, erklärt der Psychologe vom Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. „Tatsächlich strengt uns dieses Hin- und Herschalten enorm an – wir vergeuden Energie.“ Einigen ist dabei gar nicht klar, dass sie diese Arbeitsweise stresst. Achtsamkeitsübungen können helfen, sich solcher Dinge bewusst zu werden. Dazu ist es wichtig, einmal in sich hineinzuhorchen und hineinzuspüren.

Das hilft auch dabei, in schwierigen Situationen nicht immer in alte Rollenmuster zu verfallen. Kommt der Chef auf sie zu, geraten manche zum Beispiel gleich in Panik. Das kann leicht passieren, wenn der Autopilot an ist. Dann ist es wichtig, einen Moment innezuhalten, erklärt Rüdiger Standhardt vom Giessener Forum, einem Ausbildungsinstitut für achtsamkeitsbasierte Verfahren. „Stress ist oft durch einen Tunnelblick gekennzeichnet.“ Wer dann innerlich einen Schritt zurücktritt, sieht womöglich, dass es noch andere Wege gibt, mit der Situation umzugehen.

Dazu sollten sie einmal genau aber beobachten, was in solchen Situationen passiert. Wichtig dabei ist es, nicht zu bewerten. Denn wirklich offen für Eindrücke ist man nur, wenn man sich nicht selbst zensiert, also Dinge nicht wegkontrolliert – beispielsweise einen Schweißausbruch abzutun, weil man sich dafür schämt. Zunächst geht es darum, einfach nur wahrzunehmen, was geschieht. Das hilft, ein wenig Abstand zu bekommen. Und beim nächsten Mal womöglich nicht mehr so verkrampft zu reagieren. dpa