Nürnberg. Arbeitszeitkonten bringen Flexibilität, aber auch Probleme – vor allem für Angestellte.

Viele Chefs bitten ihre Angestellten um einen Kredit in Form von Arbeitsstunden. Denn nichts anderes sind sogenannte Arbeitszeitkonten: Dort zahlt der Beschäftigte seine Überstunden über einen kurzen oder längeren Zeitraum ein. Später kann er sich dafür eine Auszeit nehmen – für einen Nachmittag, je nach Modell aber auch für ein Sabbatical oder eine frühere Rente. Solche Arbeitszeitkonten bieten Flexibilität, bergen aber auch Risiken.

Gefährdet ist vor allem die Gesundheit: „Erholung lässt sich nicht aufschieben“, mahnt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in einer Broschüre. Wer also ständig zu lange arbeitet, um sich den ersehnten Drei-Monats-Trip durch Mexiko leisten zu können, der gefährdet Gesundheit, Leistung und Sicherheit.

Laut Bundesarbeitsministerium gibt es zwei Varianten von Arbeitszeitkonten: Erstens die kurzfristigeren Modelle, das sind Kurzzeit-, Gleitzeit- oder Jahresarbeitszeitkonten mit begrenzter Laufzeit, vor allem zum Ausgleich von Mehrarbeit über Tage und Wochen gedacht. Und zweitens langfristig angelegte Modelle, das sogenannte Wertguthaben und die Sonderform Lebensarbeitszeitkonto zum Beispiel, mit denen Beschäftigte auf eine längerfristige Freistellung hinarbeiten.

Zumindest die kurzfristigen Varianten sind mittlerweile fast Standard, sagt Professor Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). „Es ist an sich auch erstmal eine gute Sache für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, dass nicht an jedem Tag genau dieselbe Arbeitszeit abgeleistet werden muss.“

Teilzeit-Beschäftigte haben mehr Möglichkeiten, Arbeitszeit anzusparen ohne ihre Gesundheit zu gefährden, als Beschäftigte mit einer hohen wöchentlichen Arbeitszeit, sagt Frank Brenscheidt von der BAuA in Dortmund. Zumindest bei ihnen können Arbeitszeitkonten also mehr Flexibilität für Beschäftigte und Unternehmen bringen.

In der Realität wird Arbeitszeitflexibilität allerdings häufig eher durch die Gegebenheiten von Arbeitgeber und Job bestimmt, so IAB-Experte Weber. Der Arbeitnehmer habe darauf weniger Einfluss, mit negativen Konsequenzen. „Zufriedenheit kommt daher, wenn ich in der Lage bin, die Arbeitszeit zu beeinflussen“, sagt Weber. „Unzufrieden sind dagegen diejenigen, die unbezahlte Überstunden, Schicht- und Wochenendarbeit oder ein hohes Stressniveau haben.“

„Je mehr Überstunden die Leute machen, desto mehr gesundheitliche Beeinträchtigungen haben sie“, sagt auch Brenscheidt. Wer Vollzeit arbeitet, sollte deshalb nicht noch Überstunden auf dem Arbeitszeitkonto sammeln.

Das Guthaben lässt sich auch anderweitig erhöhen, zumindest bei der Langzeitvariante: Häufig kann der Arbeitgeber dort Prämien einzahlen, das Weihnachts- oder Urlaubsgeld etwa. Oder er kann von sich aus Zuschüsse anbieten.

Die Frage, ob man heute auf Lohn oder Prämien verzichtet, um später davon zu profitieren, ist auch eine finanzielle: „Wer weniger Geld ausbezahlt bekommt, hat auch bei Krankheit oder Arbeitslosigkeit weniger, weil die Berechnungsgrundlage geringer ist“, warnt Helga Nielebock. Sie leitet die Rechtsabteilung im Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Zudem könnte das Guthaben bei Insolvenz des Unternehmens verloren gehen, sagt Nielebock. Denn Wertguthaben müssen per Gesetz zwar rechtlich abgesichert sein. Für andere Modelle gilt das aber nicht. dpa