Pirmasens. Geschick und Modebewusstsein sind Voraussetzungen für den wiedererstarkten Beruf.

250 Einzelteile und 140 Arbeitsschritte: Einen Schuh herzustellen, ist eine komplexe Angelegenheit. „Viele Menschen haben keine Vorstellung davon, was da dranhängt“, sagt Christa Deingruber vom Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie. Wer jeden einzelnen dieser Schritte beherrscht, darf sich Schuhfertiger nennen.

Angehende Schuhfertiger sollten motiviert, verantwortungsvoll, selbstständig und zuverlässig sein sowie eine kreative Ader mitbringen, sagt Deingruber. Neben handwerklichem Geschick sei auch ein gewisses Verständnis für Mode gefragt.

Die dreijährige duale Ausbildung folge chronologisch der Herstellung eines Schuhs, erklärt Uwe Hartmann, Betriebs- und Ausbildungsleiter bei der Carl Semler Schuhfabrik im rheinland-pfälzischen Pirmasens. Begonnen werde im Lederlager mit der Materialkunde: „Wie sieht Leder aus, wie wird es hergestellt?“

Bei der Arbeit ist Konzentration gefragt: Schuhfertiger schneiden die Einzelteile zu, aus denen später ein Schuh wird, stanzen Sohlen aus und montieren diese. Schäfte ziehen sie auf Leisten und zwicken, nähen oder kleben anschließend Sohle und Schaft zusammen. „Mir gefällt besonders die Vielfältigkeit der Arbeitsschritte und die Verarbeitung von Leder“, erzählt Phillip Burkhart, der im zweiten Jahr seiner Ausbildung bei Carl Semler ist.

„Es hat mich schon immer interessiert, Schuhe zum machen“, erzählt Selina-Sophie Franz, ebenfalls Auszubildende bei Carl Semler. Besonders gefalle ihr die Arbeit in der Stepperei, wo die einzelnen Teile zusammengenäht werden. Manches fällt ihr schwerer als anderes. „Die großen Maschinen zu bedienen, ist nicht ganz so einfach“, erzählt die 20-Jährige.

Beide Azubis stammen aus der Gegend um Pirmasens, wo traditionell viele Schuhproduzenten ansässig sind. Auch die Deutsche Schuhfachschule hat hier ihren Sitz. Die Globalisierung ist an der Branche nicht spurlos vorübergegangen: Anfang der 2000er Jahre haben viele deutsche Schuhhersteller ihre Produktion ins Ausland verlegt, berichtet Christiane Reuter vom Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn.

Inzwischen würden Schuhfertiger aber wieder gebraucht, sagt Reuter. Sie schätze die Berufsaussichten in der Industrie als gut ein, auch wenn es eine vergleichsweise kleine Branche ist. Doch die Aufstiegschancen sind sehr gut. „Die handwerkliche Ausbildung zum Schuhfertiger ist die beste Grundlage für eine berufliche Karriere in der Schuhindustrie“, sagt Deingruber. Viele Führungskräfte hätten als Schuhfertiger begonnen.

Manche Unternehmen tun sich jedoch schwer, Nachwuchs zu finden, sagt Christiane Reuter. Denn der Job kann auch hart sein: Als Schuhfertiger zu arbeiten bedeute auch, lange zu stehen und mitunter Lärm und unangenehme Gerüche ertragen zu müssen.

Bei Carl Semler verdienen die Auszubildenden je nach Lehrjahr zwischen 710 und 830 Euro, sagt Uwe Hartmann, das Einstiegsgehalt für fertige Schuhfertiger betrage etwa 1600 Euro. Für die Ausbildung als Schuhfertiger ist formal kein bestimmter Schulabschluss vorgeschrieben. In der Praxis haben die meisten Azubis aber die mittlere Reife. dpa