Bad Lauterberg. Nur 30 Prozent der Führungsstellen sind in der Region Göttingen mit Frauen besetzt. Wie hat es Sylvia Drechsler in Bad Lauterberg geschafft?

  • Nur 30 Prozent der Führungskräfte in der Region Göttingen sind weiblich
  • Die IHK Hannover hat dazu Zahlen veröffentlicht
  • Sylvia Drechser aus Bad Lauterberg sitzt in der Geschäftsführung bei Kunststoff Fröhlich. Sie sagt: Mehr Frauen sollten sich trauen
  • 33 Prozent der Vollzeitstellen sind mit Frauen besetzt, bei Teilzeitstellen sind es 70 Prozent
  • Die IHK Hannover schlägt Lösungen vor

Was ist mit den Frauen los? Wollen Frauen gar nicht auf der Karriereleiter nach oben klettern? Oder warum sind in der Region Göttingen der IHK Hannover nur knapp 30 Prozent der Chefsessel mit Frauen besetzt?

„In einer komplexen Welt, in der wir immer wieder neu nach Lösungen für neue Krisen suchen müssen, kann es sich unsere Gesellschaft nicht leisten, auf weibliche Talente zu verzichten“, heißt es dazu von der IHK Hannover. Hier hat man sich genau angeschaut, wo wie viele Frauen in Führungspositionen sitzen und die IHK hat die Zahlen dazu auch veröffentlicht.

Sylvia Drechsler sitzt in einem Chefsessel. Sie ist Geschäftsführerin bei der Fröhlich Holding GmbH & Co. KG in Bad Lauterberg. Gegründet wurde das Unternehmen schon 1929 in Großbreitenbach in Thüringen. Seit 1954 hat es seinen Sitz in der Kneippstadt.

Für mich war es schon immer wichtig, mitgestalten zu können.
Sylvia Drechsler - Geschäftsführerin der Fröhlich Holding GmbH & Co. KG über ihre Motivation

Dank Weiterbildung gelangt die Bad Lauterbergerin von der Buchhaltung in die Chefetage

Sylvia Drechsler, Geschäftsführerin der Fröhlich Holding GmbH & Co. KG, im April 2024 in ihrem Büro. Sie sagt: Für Frauen hat sich schon vieles entwickelt.
Sylvia Drechsler, Geschäftsführerin der Fröhlich Holding GmbH & Co. KG, im April 2024 in ihrem Büro. Sie sagt: Für Frauen hat sich schon vieles entwickelt. © FMN | Kirsten Buchwald

Schon immer war der Betrieb in Familienhand. Es ist ein mittelständisches Unternehmen - mit einer Frau in der Geschäftsführung. „Ich bin da reingewachsen“, erzählt Sylvia Drechsler beim Besuch des Harz Kurier. Drechsler ist ausgebildete Industriekauffrau und hat, fast nebenher, ihren Betriebswirt gemacht sowie eine Ausbildung zur Bilanzbuchhalterin absolviert. Seit 1988 ist sie jetzt schon im Unternehmen, ihr Schwerpunkt war schon immer das Rechnungswesen. Sylvia Drechsler hat nicht sofort Platz genommen im Chefsessel der Firma, das hat sich entwickelt. Sie begründet ihren Aufstieg so: „Für mich war es schon immer wichtig, mitgestalten zu können.“

Auch für den Harz gültig: Die Zahlen aus der Studie der IHK Hannover

  • 129.112 Führungskräfte (Ende 2023)
  • 39.070 davon waren Frauen. Das macht 30,3 Prozent
  • Im Raum Göttingen: 29,9 Prozent der Führungskräfte sind Frauen (Ende 2023). Damit nimmt der Raum Göttingen den drittletzten Platz ein, vor Nienburg und der Region Hannover.
  • Unternehmen, die im Handelsregister eingetragen sind: 22 Prozent der Führungskräfte sind Frauen (Ende 2023)
  • Je mehr Beschäftigte in einem Unternehmen tätig sind, desto niedriger ist der Anteil der weiblichen Führungskräfte.
  • Die meisten Frauen in Führungspositionen findet man laut der Auswertung der IHK Hannover im Handel, auf Platz 2 steht das Gastgewerbe.
  • Im Juli 2023 gab es im IHK-Gebiet insgesamt 723.435 Vollzeitstellen und 337.215 Teilzeitstellen. Der Frauenanteil bei den Vollzeitstellen betrug zu der Zeit 33 Prozent, während der Frauenanteil bei den Teilzeitstellen 77 Prozent betrug.

Die Zahlen zeigen: Das Potenzial weiblicher Talente wird auf dem Arbeitsmarkt und auch in den Führungsetagen der Unternehmen nicht vollständig ausgeschöpft. Das ist auch eine Schlussfolgerung der IHK zu der Analyse. Unternehmen, Politik, Arbeitgeber, Verwaltungen aber auch die Frauen selbst müssten nun die Initiative ergreifen, um das zu ändern.

Die IHK schlägt folgende Lösungen vor:

  • Eine familienfreundliche Unternehmenskultur, damit Frauen und auch Männer Familie und Beruf flexibel vereinbaren können. Flexible Arbeitszeiten und mobiles Arbeiten gehören hier dazu, ebenso wie das Modell „Führen in Teilzeit“ oder Jobsharing und vielleicht ein Betriebskindergarten.
  • Ausbau von Betreuungsangeboten und Infrastruktur: Damit Familie und Beruf besser unter einen Hut passen, müssen Betreuungsangebote für Kinder, aber auch für pflegebedürftige Angehörige ausgebaut werden. Es hilft auch der Ausbau der Infrastruktur für mobiles Arbeiten.
  • Frauen gezielt anwerben und unterstützen: Innerhalb des Unternehmens sollte die Zufriedenheit der Mitarbeiter überprüft werden. Das Unternehmen sollte dann vor allem nach außen hin familienfreundliche Maßnahmen präsentieren, denn das steigert die Attraktivität des Arbeitgebers.

Karriere und Kinder: So hat die Harzerin in Bad Lauterberg Arbeit und Familienleben gemeistert

Sylvia Drechsler sieht die Herausforderungen, die Frauen zu meistern haben, wenn sie Familie und Karriere verfolgen. „Als Frau ist es schwierig, alles unter einen Hut zu bringen“, sagt sie. Aber eines weiß sie aus eigener Erfahrung: „Kinder stehen der Karriere der Frau nicht im Weg.“ Sylvia Drechsler hat selbst zwei Kinder, die sind schon erwachsen. „Aber ich habe immer weiter gearbeitet“, erinnert sie sich. „Mit etwa einem Jahr gingen meine Töchter in die Kinderbetreuung.“ Sie gibt zu: Manchmal hat sie das ein wenig bereut, doch heute kann Sylvia Drechsler auch sehen: Ihre Töchter gehen ihren Weg. „Sie sind eben zur Selbstständigkeit erzogen worden.“

Sylvia Drechsler ist aber auch wichtig zu sagen: „Viele Frauen sind sehr gut qualifiziert. Auf sie sind wir angewiesen, gerade in Zeiten des Fach- und Führungskräftemangels. Es ist uns ein großes Anliegen Frauen zu motivieren und zu fördern, um Verantwortung und Führungsrollen zu übernehmen. Unsere tschechische Tochtergesellschaft wird zum Beispiel auch von einer Frau geführt. Man muss es wollen als Frau. Dann geht das auch.“ Vieles habe sich im Vergleich zu früher entwickelt, meint sie. Heute werde schon mehr Rücksicht genommen auf Familien. Dennoch: Eine verlässliche Kinderbetreuung ist unabdingbar, findet sie. „Denn es geht nicht mehr ohne die Frauen.“

Kinder stehen der Karriere der Frau nicht im Weg.
Sylvia Drechsler, - Geschäftsführerin Fröhlich Holding GmbH & Co. KG, zur Vereinbarkeit von Familie und Karriere

Als Frau ein Unternehmen führen: Es bleibt eine Herausforderung

Es sei durchaus eine Herausforderung, als weibliche Führungskraft die Familie zu managen, sich seine Zeit einzuteilen und abzustimmen. Doch es ist nicht unmöglich. „Die Akzeptanz von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und in der Führungsetage hat sich im Vergleich zu früher vergrößert. Die flexible Gestaltung der Arbeitszeit ist kein No Go mehr, auch hat sich viel bei der Entwicklung der Kinderbetreuungszeiten getan. Früher schloss der Kindergarten um 12 Uhr, heute gibt es Ganztagsbetreuung.“

Frauen können ein positives Vorbild sein

Wichtig sei es jetzt, die Frauen zu motivieren, es zu versuchen, spricht Drechsler aus Erfahrung. Sie nimmt die Frauen aber auch selbst in die Pflicht: „Die müssen sich fragen: Was sind meine Ziele, was will ich erreichen? Und dann kann man Frauen sagen: Ja, es ist möglich.“

Es sei eben auch ein positives Vorbild für die eigenen Kinder, wenn die Mutter ihren Weg auf dem Arbeitsmarkt und auf der Karriereleiter gehe. „Man sollte die Familie nicht als Entschuldigung vorschieben. Sondern es ist eine Frage der Chancengleichheit - auch innerhalb der Familie - und viel Organisationsgeschick. Wenn man will, geht das“, ist Sylvia Drechsler überzeugt. „Für mich war immer wichtig, dass ich mein Leben selbst gestalten kann und nicht abhängig sein muss von anderen“, erklärt sie ihre Motivation.

Man darf die Familie nicht als Entschuldigung vorschieben. Wenn man will, geht das.
Sylvia Drechsler - Geschäftsführung Fröhlich GmbH & Co. KG, zum eigenen Willen der Frauen

Und dann bringen Frauen so viel Positives mit in den Chefsessel, findet Drechsler. „Frauen haben feine Antennen, sie sind emphatisch, aber doch geradlinig. Es hat schon einen Einfluss auf die Atmosphäre im Unternehmen, wenn eine Frau der Chef ist. Frauen zeigen auch andere Perspektiven auf.“

Sylvia Drechsler beobachtet auch: „Frauen in ländlichen Gebieten bewegen sich oft in alten Rollenmustern, in Städten ist das anders. Da hat man andere Möglichkeiten. Ich hoffe, dass sich das ändern wird.“

Was tut die IHK für mehr Frauen im Chefsessel?

In der Playmobilwelt sieht‘s gut aus, in der Region Göttingen eher nicht so: Hier sind nur 30 Prozent der Führungsstellen in Unternehmen mit Frauen besetzt. Die IHK Hannover will das ändern.
In der Playmobilwelt sieht‘s gut aus, in der Region Göttingen eher nicht so: Hier sind nur 30 Prozent der Führungsstellen in Unternehmen mit Frauen besetzt. Die IHK Hannover will das ändern. © picture alliance / dpa | Daniel Bockwoldt
  • IHK-Aktion „Ich werde Chefin“: Bei ihrer bundesweiten Aktion „Ich werde Chefin! “ im Rahmen des Girls‘ Day bietet die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mädchen ab der siebten Klasse am 25. April 2024 die Möglichkeit, den Alltag einer Chefin beziehungsweise Unternehmerin kennenzulernen. Die IHK nennt es bewusst Girls Day - und nicht Zukunftstag - weil diese Aktion vor allem Mädchen erreichen soll.
  • Das Frauennetzwerk der IHK Hannover: Kontakte knüpfen, Ideen austauschen und neue Impulse bekommen – das Frauennetzwerk der IHK Hannover bietet Unternehmerinnen und Frauen in Führungspositionen aus der Region vielfältige Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln. Dabei geht es auch darum, selbst Vorbild zu sein und andere zu motivieren.

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