Experten: Ansteckungsgefahr bleibt gering, doch den Kontakt mit toten Vögeln sollte jeder meiden

Infektionsforscher aus aller Welt trafen sich gestern in Hannover. Sie kannten naturgemäß nur ein Thema: die Vogelgrippe und ihre Ausbreitung – jetzt auch in Deutschland. Die Fachleute sahen sich in ihren Warnungen bestätigt. Der Angriff des Virus H5N1 ist in vollem Gange.

Vogelgrippe: Es ist eine Tierkrankheit, die mittlerweile auch auf Menschen übertragen werden kann. Doch von Mensch zu Mensch sprang das Virus weltweit noch in keinem bekannten Fall über.

Dies wäre der Beginn einer Grippewelle mit einem Erreger, gegen den das menschliche Immunsystem noch nicht gewappnet ist. Es dauert drei bis sechs Monate, um einen Impfstoff zu entwickeln. In dieser Zeit würden viele Menschen sterben. Die Spanische Grippe 1918 forderte weltweit Millionen Tote.

Gespanntes Warten

Alle 30 Jahre kommt es laut Statistik zu solch einer großen Grippewelle, der so genannten Pandemie. Zuletzt war es 1968/69 so weit. Damals sprach man von der "Hongkong-Grippe". Rein statistisch wäre also wieder eine große Welle "dran".

Als Kandidat hierfür wurde von den Infektionsforschern bereits seit mehreren Jahren das Vogelgrippe-Virus H5N1 identifiziert. Man konnte ihm förmlich bei der Mutation zuschauen: Zunächst befiel H5N1 nur einige Vögel, dann sehr viele. Schließlich sprang das Virus auch auf Menschen über. Mehrere 100 Menschen weltweit erkrankten, ungefähr die Hälfte davon starb.

Es herrscht gespanntes Warten. "Die Mutation des Virus ist längst überfällig", sagt Prof. Matthias Stoll von der Medizinischen Hochschule Hannover. "Wir warten alle darauf, dass das eintritt."

Dennoch warnt Prof. Jan Buer von der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig nach wie vor vor Panikmache. "Das Risiko, sich im Moment anzustecken, ist extrem gering", sagt er. Dringend warnen jedoch alle Experten vorsorglich davor, tote Vögel zu berühren. Eltern sollten ihre Kinder eindringlich davor warnen.

Auch für Verharmlosung bestehe kein Anlass, warnt der Mikrobiologe und Immunologe Prof. Hans E. Müller, früherer Leiter des Medizinaluntersuchungsamtes in Braunschweig. "Einen kranken oder toten Vogel in die Hand zu nehmen, kann lebensgefährlich sein."

Die Bevölkerung ist zunehmend verunsichert. Eine Leserin fragtegestern die Redaktion: "Meine freilaufende Katze schleppt ab und zu einen toten Vogel ins Haus. Können diese Vögel mit der Vogelgrippe infiziert sein und besteht dann eine Ansteckungsgefahr für Katze und Mensch?"

In der Tat sind dies Fragen, für die die Wissenschaftler noch keine eindeutigen Antworten haben. Sie kennen zwar das Virus H5N1, doch gewissermaßen haben sie davon nur ein unscharfes Porträt. "Im Grunde genommen wissen wir nicht, über welches Virus wir im Feindetail reden", sagt Buer.

Tückische Mutation

Die Ursache hierfür ist die tückische Neigung des Virus zur Mutation. Allerdings zeigt sich, dass die Bedingungen für die tödliche Veränderung dort am günstigsten sind, wo Menschen auf engstem Raum und unter unhygienischen Bedingungen mit vielen Tieren zusammenleben. Dies lässt unbekannte Virenstämme eher in Asien als in Europa entstehen.

Dennoch ist auch hierzulande Vorsicht geboten. Im Falle der Leserin: Körperkontakt mit den angeschleppten Vögeln ist in jedem Fall zu meiden, mit der Katze am besten auch. "Unser Verhältnis zu wild lebenden Tieren wird sich entscheidend verändern", sagt Jan Buer.

Auch in der Geflügel-Haltung wird künftig wahrscheinlich nichts mehr so sein, wie es einmal war. "Eine permanente Stallpflicht und das strikte Fernhalten von Wildvögeln kann die Hühner und uns selbst vor dem gefährlichen Virus schützen", erklärt Prof. Müller.

Hühner, Puten, Enten oder Gänse könnten künftig möglicherweise nur noch im Freiland gehalten werden, wenn sie geimpft seien. China habe diesen Weg bereits beschritten, hierzulande habe man dagegen noch Bedenken.