Wolfsburg. Bewirtung auf der Tribüne, persönliche Betreuung und Lösungen für nahezu jedes Problem: Der Verein hat einen einmaligen Rollstuhlbereich.

Dass Fußball für jeden ist, wird spätestens dann klar, wenn man einen Blick auf die Rollstuhltribüne beim VfL Wolfsburg in der Volkswagen-Arena wirft. Hier sitzen die Wölfe-Fans in Rollstühlen oder sind auf Rollatoren angewiesen. Aber sei‘s drum, das ist hier nur Nebensache. Vorrangig ist auch auf diesen Plätzen der VfL Wolfsburg, der bei unserem Besuch im Rollstuhlbereich 2:1 gegen den RB Leipzig in der Bundesliga gewann.

Wenn der 14-jährige Maximilian mit seinem Vater Alexander an der Volkswagen Arena ankommt, ist der Weg nicht weit bis zur Rollstuhltribüne im Heimbereich. Der 14-Jährige und sein Vater stehen direkt am Anfang der Tribüne, die sich ungefähr eine Stunde vor Anpfiff füllt. Hier gibt es Cola, Fanta, Wasser, Sprite, Apfelschorle – Freigetränke für die Zuschauenden. Denn: Den direkten Zugang zu den Stadion-Kiosken haben sie nicht. Stattdessen geben sie am Eingang direkt ihre Bestellung auf: Currywurst, Pommes, Brezeln, Bier – all das, was zu einem Stadionbesuch eben dazu gehört – wird dann im Laufe der ersten Halbzeit vom Catering direkt auf die Rollstuhltribüne geliefert.

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Zu Gast im Rollstuhlbereich des VfL Wolfsburg: Verein baut Rampe für Rollstuhlfahrer

Seit zehn Jahren versuchen Alexander und Maximilian, bei jedem Heimspiel dabei zu sein. Als Maximilian vier Jahre alt war, war er noch so klein, dass er gar nicht über die Bande schauen konnte, erinnert sich sein Papa. Also baute ihm der VfL eine Rampe für den grünen Rollstuhl. Heute ist er groß genug und hat die Fans in der Nordkurve, aber auch das Spiel auf dem Feld im Blick. „Die Sicht, die ganze Atmosphäre, alle kennen sich hier und jeder gibt sich für die Rollstuhlfahrer sehr viel Mühe“, sagt Alexander. Und was ist Maximilians Lieblingsgegner vom VfL Wolfsburg? „Definitiv FC Bayern München“, muss der 14-Jährige gar nicht lange überlegen.

Die Sicht, die ganze Atmosphäre, alle kennen sich hier und jeder gibt sich für die Rollstuhlfahrer sehr viel Mühe.
Alexander, Vater von Maximilian (14)

Ein paar Meter weiter sitzt Andreas Pscheida. Auch er versucht, bei jedem Spiel der Wölfe dabei zu sein – wenn er denn eine Begleitung findet. „Letztendlich ist es doch als Wolfsburg-Fan egal, wo man sitzt. Hier ist man sogar mittendrin, statt nur dabei“, sagt Pscheida mit einem Lachen. Beim Heimspiel gegen Leipzig wurde er von seinem Kumpel Norbert Kriegel begleitet. Es sind schon fast Kreisliga-Verhältnisse: Nur ein paar Meter vom Spielfeldrand entfernt hören die Zuschauenden hier, wenn der Ball gegen die Fußballschuhe von Jonas Wind, Vaclav Cerny und Co. klatscht, Pässe gespielt werden, die Mannschaft kommuniziert oder der Schiri pfeift. „Es ist ganz cool, die Spieler so nah zu erleben“, sagt Pscheida. Direkt vor seiner Nase steht sein Stadionbier in einer Halterung. Stadionbier und Currywurst – seiner Meinung nach die passende Verpflegung an Spieltagen.

Andreas Pscheida (rechts) liebt es, bei den Fußballspielen in Wolfsburg „mittendrin, statt nur dabei“ zu sein. Die Partie gegen Leipzig hat er sich gemeinsam mit seinem Kumpel Norbert Kriegel angesehen.
Andreas Pscheida (rechts) liebt es, bei den Fußballspielen in Wolfsburg „mittendrin, statt nur dabei“ zu sein. Die Partie gegen Leipzig hat er sich gemeinsam mit seinem Kumpel Norbert Kriegel angesehen. © FMN | Celine Wolff

Fanbeauftragte des VfL Wolfsburg kümmern sich um Rollstuhlfahrer und Co.

Hans-Jürgen Streich sitzt auf einem Rollator im Heimbereich. Ganz in der Nähe der Notfallrampe: Diese kann bei Bedarf heruntergelassen werden, sodass die beeinträchtigten Personen im Falle einer Evakuierung, beispielsweise bei einem Brand, schneller nach draußen befördert werden können. „Das ist einmalig“, weiß Lothar Schukowski, Fanbeauftragter beim VfL Wolfsburg. Er macht diesen Job seit 30 Jahren, kennt die Fans gut. So auch Streich. Die beiden unterhalten sich, über die nächsten Auswärtsfahrten, über die Leistung... „Wenn ich nicht im Krankenhaus liege, komme ich bei jedem Heimspiel hierher. Egal ob verloren oder gewonnen wird, man darf die Mannschaft nicht im Stich lassen“, sagt Streich. „Der VfL Wolfsburg ist wie eine Familie.“

Der VfL Wolfsburg ist wie eine Familie.
Hans-Jürgen Streich, VfL-Fan

Und um die „Familie“ kümmern sich nicht nur Ordner und Fanbetreuer, sondern auch Schukowski selbst. Er begrüßt die Fans, kommt mit ihnen in den Austausch und findet immer wieder Kleinigkeiten, die den Rollstuhlbereich in der Volkswagen-Arena „einmalig“ machen – so zum Beispiel Steckdosen für Heizdecken im Winter oder Ventilatoren im Sommer.

Lothar Schukowski (links) kommt mit den Fans auf der Rollstuhltribüne immer wieder in Kontakt. So auch mit Hans-Jürgen Streich. 
Lothar Schukowski (links) kommt mit den Fans auf der Rollstuhltribüne immer wieder in Kontakt. So auch mit Hans-Jürgen Streich.  © FMN | Celine Wolff

Einmaliger Rollstuhlbereich: VfL Wolfsburg besser als FC Bayern, Borussia Dortmund und Co.

Dass der Rollstuhlbereich „super toll“ und nahezu einmalig in der Bundesliga ist, das betont auch Ute Kampe. Sie war schon in vielen Stadien: in Hannover, Hamburg, Dortmund, Gladbach, Bremen, Berlin, München... „Aber in Wolfsburg ist der Behindertenbereich am besten!“, betont sie immer wieder. Ist das so? Wir haben uns mal im Gästeblock umgehört. Auch hier finden 40 Rollstuhlfahrer mit ihren Begleitpersonen Platz. Unter ihnen sitzt Jens Pfeffer, er ist Leipzig-Fan. „Im Vergleich zu anderen Stadien ist die Stimmung zwar noch ausbaufähig, aber ich fühle mich hier sehr wohl.“

Seit 2001 unterstützt Ute Kampe den VfL Wolfsburg.
Seit 2001 unterstützt Ute Kampe den VfL Wolfsburg. © FMN | Celine Wolff

Damit sich alle Fußballfans beim VfL Wolfsburg wohlfühlen können, hat Andreas Marks gemeinsam mit Karen Reifenstein den Fanclub Vielfalt gegründet. Nicht nur Rollstuhlfahrer treten hier ein, der Club soll die gesamte Vielfalt in der Fanszene abbilden. „Dabei geht es um Religion, Alter, Geschlechter, sexuelle Orientierung, Menschen mit Behinderung“, erzählt Marks. Gemeinsam mit den Mitgliedern kommt er immer wieder mit den Verantwortlichen vom VfL in den Austausch. Sie helfen, geben Ratschläge, Denkanstöße. „Wir kämpfen für Barrierefreiheit und gegen Diskriminierung“, so Marks, der gemeinsam mit dem Fanclub das Leben jedes Fußballfans im Stadion leichter machen möchte.