Wolfsburg. Die Bäckerei Cadera feiert ihr 170-jähriges Bestehen. Doris Eggeling erinnert sich an ihre Ausbildung vor fast 70 Jahren.

„Immer wenn ich in die Stadt fahre, muss ich erst einmal in mein Café Cadera“, gesteht Doris Eggeling. Und dann genießt die 84-Jährige ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte. Und schwelgt dabei in alten Erinnerungen. „Ach, wissen Sie“, sagt sie zu der Reporterin, „das war hier früher sehr gediegen. Hier kamen die hohen Herren aus den Chefetagen mit ihren Gattinnen zum Kaffeetrinken her, man kannte sich, man grüßte sich, alles war piekfein.“ Es wurden Fasching und Silvester gefeiert, es gab Tanztee und Modenschauen. Und einmal, so erinnert sich Doris Eggeling, habe der „alte Graf“, also Günzel Graf von der Schulenburg, sie sogar zum Tanzen aufgefordert. „Junges Fräulein, darf ich bitten“, soll er gesagt haben.

170-jähriges Bestehen

Eigentlich hat Doris Eggeling gerade einmal drei Jahre bei der Konditorei und Bäckerei, die an diesem Wochenende ihr 170-jähriges Bestehen feiert, verbracht, doch das „war die schönste Zeit in meinem Leben“.

Als 15-Jährige hat Doris Eggeling, die hier im Hof der damaligen Backstube in der Schillerstraße 60 an dem Auto, mit dem immer das Brot ausgeliefert wurde, steht, auf dem Dachboden des Hauses genächtigt.  
Als 15-Jährige hat Doris Eggeling, die hier im Hof der damaligen Backstube in der Schillerstraße 60 an dem Auto, mit dem immer das Brot ausgeliefert wurde, steht, auf dem Dachboden des Hauses genächtigt.   © regios24 | Lars Landmann

Die Wolfsburgerin wird am 2. April 1939 in Regenthin, ein Dorf im Landkreis Arnswalde, dem damaligen Pommern, geboren. Weil Familienangehörige schon in Tiddische im Landkreis Gifhorn wohnen, verschlägt es auch die Familie Klink dorthin. Doris ist die jüngste von drei Schwestern: „Eigentlich sollte ich ein Junge werden.“ Schwester Edith erblickte 1927 das Licht der Welt, Ingrid 1934. Das Geld war in den Nachkriegsjahren, wie bei so vielen anderen Familien auch, immer knapp, und so halfen die Mädchen auf dem Feld mit, sammelten Steine auf und zogen Rüben. „Von dem Geld habe ich mir rote Schuhe gekauft. Auf die war ich so stolz, dass ich die am liebsten auch im Bett anbehalten hätte“, blickt Doris Eggeling zurück, die heute mit Ehemann und Sohn Olaf, Jahrgang 1960, im Eigenheim in Vorsfelde lebt.

„Sauber und gewissenhaft“

Am 14. Juli 1954 beginnt die damals gerade einmal 15-Jährige eine Lehre bei Cadera als Gewerbegehilfin, ihren Vertrag musste nicht nur Papa Paul Klink unterschreiben, sondern er ist auch von „Bäckermeister Peter Cadera“ gegengezeichnet – das Original, ebenso wie das Arbeitszeugnis, welches Doris als „sauber und gewissenhaft“ auszeichnet, hütet die rüstige Rentnerin wie einen Schatz. Zu den Aufgaben der jungen Frau gehörte es, morgens in der Frühe die Brötchen im Bereich der Rothenfelder-, der Post-, der Schiller- und der Goethestraße auszuliefern und den Kunden den Beutel „an die Türklinke“ zu hängen.

Geschirr mit Goldrand

Als im Kaufhof die kleine „Mokka-Stube“ eröffnete, half Doris Eggeling auch hier hinterm Tresen mit: „Wir hatten ganz tolles Rosenthal-Geschirr mit Goldrand. Das haben wir mit der Hand ganz vorsichtig abgespült und wehe, wenn etwas kaputtging.“ Genächtigt hat der damalige Teenager auf dem Dachboden unter der Schräge, gleich über der Backstube in der Schillerstraße 60, zusammen mit drei weiteren weiblichen Lehrlingen.

Eine Postkarte zum 50-jährigen Cadera-Café-Jubiläum 2006. 
Eine Postkarte zum 50-jährigen Cadera-Café-Jubiläum 2006.  © regios24 | Lars Landmann

Badezimmer? Fehlanzeige. Gegenüber befand sich nur noch der Mehlboden. Denn abends wieder nach Hause fahren – am Wochenende hatte sie ja auch manchmal Dienst – war zu diesen Zeiten nicht Usus und kam einer Weltreise gleich, zumal etliche Kilometer zu Fuß zurückgelegt werden mussten. Als 1956 das Café Cadera, das damals größte Café in Wolfsburg, in der Porschestraße 38 eröffnete, war Doris Eggeling von Anfang an mit dabei. Sie erinnert sich: „Es gab jeden Tag frische Schlagsahne. Die wurde in so einem großen, silbernen Behälter, der mitten auf dem Tresen stand, aufbewahrt. Das war nach Feierabend eine ganz schöne Malesche, den wieder sauber zu bekommen.“

Backstubenfest bei Cadera

Das große Backstubenfest bei Cadera steigt am Sonntag, 17. September, in der Borsigstraße 39. Bei freiem Eintritt erwarten die Besucher zwischen 10 und 17 Uhr verschiedene Programmpunkte.

Stündlich ab 10 Uhr zur vollen Stunde gibt es Führungen durch die Bäckerei. Um 10.15 Uhr und danach jede weitere Stunde immer um Viertel nach wird gezeigt, wie Brezelschlingen entstehen.

Fürs Kinderbacken (um 10.45, 11.45 Uhr und dann weiter stündlich) wird um eine Voranmeldung am Infostand vor Ort aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl gebeten.

Ein Brot-Sommelier verkostet mit den Gästen Brote und führt sie ein in die Welt des Brotes (12, 14 und 15.45 Uhr, Anmeldung erforderlich).

Mitarbeitende der Flechtorfer Mühle erklären, wie Korn zu Mehl wird und was die Mehlsorten unterscheidet.

Wie Baumkuchen entsteht, wird um 11.15, 13.15 und 15.15 Uhr gezeigt, Auszubildende stellen um 11.15, 13.15, 15.15 und 16.15 Uhr ihren Beruf vor.

Die Bigband Tappenbeck tritt von 13 bis 14 und noch einmal von 14.30 bis 15.30 Uhr auf.