Wolfsburg. Nach der NS-Zitat-Aktion an der Porsche-Büste sind in Wolfsburg gefälschte Postkarten zum 85. Stadt-Geburtstag aufgetaucht.

Erst gab es die anonyme Aktion mit Zitat aus der Nazi-Zeit, das am Wochenende an der Porsche-Büste am Rathaus befestigt war. Nun der nächste Vorgang, der auf Kritik am Umgang mit der Wolfsburger Geschichte zielt: Unbekannte haben Fake-Postkarten zur 85-Jahr-Feier der Stadt verteilt, die im Design stark an das von der Stadt verwendete Design erinnern.

Adolf Hitler, Ferdinand Porsche, Heinrich Nordhoff und Hugo Bork sind auf dem Kartenmotiv als Bildcombo montiert. „Wir feiern Stadtgeburtstag!“, sagt der frühere VW-Generaldirektor Nordhoff in einer Comic-Sprechblase. „Die Stadt Wolfsburg feiert ganz unbeschwert und geschichtsvergessen ihren Tag der Gründung im Jahr 1938“, steht unten. Mit der Namensnennung auf der Rückseite haut es allerdings nicht so ganz hin: Der frühere VW-Betriebsratsvorsitzende und spätere Oberbürgermeister Bork wird dort als Bernhard Tyrakowski bezeichnet – der war ab 1954 Erster Bevollmächtigter der IG Metall.

Gefälschte Postkarte zum 85. Stadtgeburtstag in Wolfsburg

Scannt man den QR-Code auf der gefälschten Stadtgeburtstags-Postkarte, gelangt man auf die Seite http://wolfsburg-wird-85.info. Dort gibt es zunächst Erläuterungen zum Programm des dreitägigen Stadtfests. Weiter geht es dann aber mit Ausführungen und kritischen Einschätzungen zur Geschichte Wolfsburgs, das 1938 von den Nationalsozialisten als „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“ gegründet wurde.

Es folgt eine Art FAQ mit Fragen wie diesen: „Was hat Adolf Hitler mit Ferdinand Porsche und Wolfsburg zu tun?“ Unter „Wo bekomme ich weitere Infos?“ wird auf das von Stephan Krull herausgegebene Buch „Volksburg ­– Wolfswagen. 75 Jahre ,Stadt des KdF-Wagens/Wolfsburg‘“ hingewiesen, das 2013 erschienen ist. Krull war früher Betriebsratsmitglied bei Volkswagen und im Vorstand der IG-Metall-Geschäftsstelle Wolfsburg.

Unbekannte hatten an der Porsche-Büste vor dem Rathaus in Wolfsburg einen Zettel angebracht. Damit sollte auf die Rolle von Ferdinand Porsche bei VW in der NS-Zeit aufmerksam gemacht werden.
Unbekannte hatten an der Porsche-Büste vor dem Rathaus in Wolfsburg einen Zettel angebracht. Damit sollte auf die Rolle von Ferdinand Porsche bei VW in der NS-Zeit aufmerksam gemacht werden. © regios24 | Darius Simka

Per Klick auf dem Smartphone wird Porschestraße in Wolfsburg umbenannt

Unter dem Punkt „Wolfsburg lernt aus seiner Geschichte! Jetzt interaktiv umgestalten!“ können Smartphone-Nutzer sich dann noch spielerisch betätigen: Sie können per Klick auf Fotos die Porsche-Büste am Rathaus verschwinden lassen und die Porschestraße in Sara-Frenkel-Straße umbenennen.

Seitens der Stadt hieß es auf Anfrage unserer Zeitung, dass es aktuell keine Erkenntnisse dazu gebe, wer Verfasser der Postkarte sei. Und weiter: „Die Stadt Wolfsburg behält sich rechtliche Schritte gegen die möglichen Verfasser*innen vor.“

Oberbürgermeister bekennt sich zu Auseinandersetzung mit NS-Vergangenheit der Stadtgeschichte

Was den Vorwurf des unreflektierten Umgangs mit Wolfsburgs NS-Vergangenheit betrifft, den die anonymen Akteure erheben, nahm Oberbürgermeister Dennis Weilmann so Stellung: „Wolfsburg ist eine multikulturelle und weltoffene Stadt, in der über 150 verschiedene Nationalitäten leben. Der 85. Stadtgeburtstag bietet einen passenden Anlass, um als Stadtgesellschaft zusammenzukommen, den Zusammenhalt unserer weltoffenen Stadt zu zeigen und gemeinsam zu feiern. Wir sind uns unserer Geschichte bewusst und setzen uns auch aktiv, offen und kontinuierlich damit auseinander.“

Es folgen Ausführungen der Stadt zur Chronologie der Aufarbeitung des düsteren Kapitels der Stadtgeschichte, die nach Meinung vieler Kritiker nicht weit genug geht.

Posche-Büste am Wolfsburger Rathaus war mit Zitat aus NS-Zeit behängt

Am Wochenende war die Porsche-Büste vor dem Rathaus in Wolfsburg einem Zettel versehen. Laminiert und mit rosa Kordel umgehängt. Auf dem Zettel an der Porsche-Büste: ein Zitat mit Bezug auf die NS-Zeit, das der oder die Verfasser Ferdinand Porsche zuschreiben. Wer hinter der Aktion steckt, war nicht klar.

Am späten Freitagabend erreichte die Redaktion eine E-Mail, als Absender in der Adresse gekennzeichnet mit „Oliver Blume“. So heißt bekanntlich der aktuelle Chef von VW und Porsche. Quasi eine Art Bekennerschreiben, versehen mit drei Fotos, aber nicht namentlich unterzeichnet.

Zettel an Porsche-Büste: Ehrung von Porsche scharf kritisiert

„Heute haben wir ein Zitat an die Porschestatue vor dem Rathaus gehängt“, heißt es in der Mail. Dann wird das wiedergegeben, was auch auf dem Zettel steht, der an der Porsche-Büste angebracht wurde: „Das Jahr 1944 soll uns in der Arbeit immer enger zusammenschließen, auf daß der Sieg unser sei. Es lebe der Führer!“. Ergänzt um einen Vermerk, der sich ebenfalls auf dem Zettel an der Porsche-Büste befindet: „Ferdinand Porsche, Dezember 1943 in der Werkszeitschrift der Volkswagenwerk GmbH.“

Auf den in der E-Mail mitgeschickten Fotos hing der laminierte Zettel gut lesbar am Sockel der Porsche-Büste. Als der Fotograf für unsere Zeitung am Samstagnachmittag eigene Aufnahmen machte, lag der Zettel auf dem Sockel, im Vorbeigehen also kaum noch lesbar. Jedenfalls üben der oder die anonymen Mail-Absender heftige Kritik am Wirken Porsches für VW zur Zeit des Nazi-Regimes und kritisieren den Umgang mit seiner Person aufs Schärfste.

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Umgang mit Ferdinand Porsche in Wolfsburg keineswegs unumstritten

„Die Ehrung einer solchen Person ist geschichtsvergessen und verantwortungslos. Hört auf damit!“, endet die E-Mail mit einem klaren Appell. In dem Schreiben wird Ferdinand Porsche als „Kriegsverbrecher“ bezeichnet. Er werde immer wieder als „genialer und erfolgreicher Erfinder“ bezeichnet, doch „die Erfolge beruhten auf Sklavenarbeit“, wird in der Mail unter anderem ausgeführt.

Der Umgang mit der Person Ferdinand Porsche ist in Wolfsburg seit jeher keineswegs unumstritten. Immer wieder gab es im Laufe der Jahre beispielsweise Forderungen, die Einkaufsmeile Porschestraße umzubenennen, ebenso wie die Ferdinand-Porsche-Realschule.

Porsche: Käfer-Konstrukteur war Opportunist in Hitlers Gunst

Erst kürzlich schrieb WN-Redakteur Thomas Kruse in seinem Artikel „Porsche – ein Lehrstück, das niemand aufführen will“ in der Beilage „85 Jahre VW-Stammwerk“ über den Käfer-Konstrukteur: „Porsche war kein fanatischer Nationalsozialist. Er machte mit, weil es ihm nutzte. Er war ein bedenkenloser Opportunist, weil ihm nur Hitlers Gunst die Gelegenheit bot, ein gewaltiges Unternehmen aufzubauen.“

Kruse weiter: „Inzwischen weiß man genau Bescheid über das, was zwischen 1939 und 1945 am Mittellandkanal passierte. Doch anders als im kleinen böhmischen Maffersdorf, dem Geburtsort von Porsche, hinterfragt man dessen Wirken weder in Wolfsburg noch Stuttgart mit der nötigen Distanz.“ Für ein gemeinsames „Haus der Geschichte von Stadt und Werk, wie es Ex-Betriebsratschef Hiller fordert, fehlt es in Wolfsburg vor allem am Willen. Dabei ist die Geschichte dieser Stadt im Guten wie im Schlechten ein Lehrstück, das tiefe Erkenntnisse vermitteln könnte. Man müsste es nur endlich aufführen“, so Kruse.

Dieses Foto von der Porsche-Büste mit dem Zitat-Zettel, die vor dem Wolfsburger Rathaus steht, verschickten Unbekannte in der nicht namentlich unterzeichneten Mail.
Dieses Foto von der Porsche-Büste mit dem Zitat-Zettel, die vor dem Wolfsburger Rathaus steht, verschickten Unbekannte in der nicht namentlich unterzeichneten Mail. © privat