Wolfsburg. „Mehr (finanzielle) Wertschätzung für Menschen, die unsere Infrastruktur zusammenhalten – das muss der Weg sein.“

Ob der Mega-Streik das Land lahmgelegt hat, werden wir am Montagabend wissen. Kritiker wettern längst, dass die Verhältnismäßigkeit da doch gar nicht mehr gegeben sei. Wer so unverhältnismäßig handele wie die Gewerkschaften gerade, gefährde das Streikrecht. Der Bundesverkehrsminister sorgte sich gar ums Wohl der mobilen Bevölkerung. Fürsorglich.

Die gerade vielzitierte Verhältnismäßigkeit wurde sicher nicht gewahrt, als Menschen in Kliniken und Pflegeheimen in der Pandemie bis zur Selbstaufgabe schufteten. Und wir uns mit Klatschen begnügten. Unverhältnismäßig oder vielmehr beschämend war das Hickhack danach um die Corona-Prämien. Wenig und gar nicht verhältnismäßig sind die Gehälter, die in diesem Land oft genug für Jobs
im Dienstleistungssektor, der Verkehrsinfrastruktur, in den Kitas, der Pflege, den Heilberufen gezahlt werden.

Im aktuellen Tarifstreit geht es vor allem um einen Inflationsausgleich für die unteren und mittleren Einkommensstufen. Hier in Wolfsburg kann man unter dem Brennglas erkennen, welche fatale Kluft sich inzwischen im Land auftut. Spitzengehälter auf der einen Seite, Menschen, die zur Tafel müssen, auf der anderen.

Zu viel Populismus dies alles? Nur Futter für eine Neiddebatte? Finde ich nicht. Wir brauchen mehr Christliches, Demokratisches, Soziales im Land. Wir sind das Land, das auch so etwas wie den „Lastenausgleich“ kann, wie unsere Geschichte zeigt. In diesem Streik steckt eine Chance. Mehr (finanzielle) Wertschätzung für Menschen, die unsere Infrastruktur zusammenhalten – das muss der Weg sein. Sonst macht bald gar keiner ihre Jobs mehr. Von Politik, Staat, Wirtschaft kann man da sicherlich mehr Kreativität für Lösungsvorschläge erwarten.