Wolfsburg. Berater Marcus Musiol erklärt, welche Faktoren in Wolfsburg am häufigsten zur Verschuldung führen – und welche einfachen Mittel helfen.

Es kann schneller gehen als man denkt: Wenn der Haushaltsplan auf Kante genäht ist, kann die neue Abschlagsrechnung für die Heizkosten so manchen Wolfsburger in die Schulden treiben. Laut Pressedienst EPD erleben die Verbraucherschutzzentralen in Deutschland aktuell eine höhere Nachfrage aufgrund der gestiegenen Energiekosten. „Bei Fragen zu Energieschulden haben wir es in jüngster Zeit mit mehr Anfragen aus der Mittelschicht zu tun als sonst“, zitiert die Agentur Kolja Ofenhammer, Referent bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Wo also Hilfe suchen, wenn die Finanzen nicht mehr stimmen? In Wolfsburg gibt es kostenfreie Beratungsangebote. Darunter die Awo-Schuldnerberatung.

In Wolfsburg suchen 200 Menschen pro Jahr erstmals die Schuldnerberatung auf

Marcus Musiol berät hier mit seinem Team um die 200 Menschen pro Jahr – hinzu kommen all jene Wolfsburgerinnen und Wolfsburger, die über einen längeren Zeitraum betreut werden. Oft sei es eine Vielzahl von Gründen, die die Menschen in die Schulden treibe, sagt Musiol. „Am häufigsten ist es aber die Arbeitslosigkeit.“

Oft seien es aber auch eine Krankheit, die Trennung vom Partner, das Konsumverhalten oder schlicht die Unfähigkeit, Einkommen und Ausgaben richtig auszubalancieren, die das Fass zum Überlaufen brächten. Und: In 8,6 Prozent der Fälle stünde ein eigentlich schönes Ereignis, nämlich die Geburt eines Kindes, mit den finanziellen Problemen in Verbindung. „Meistens treten aber mehrere Faktoren gleichzeitig auf“, sagt Musiol. Eine Geburt sei meistens eher ein nachrangiger Grund.

Auch gut verdienende Menschen können sich verschulden

Die Gefahr, in die Schulden zu rutschen, mache dabei vor keiner Einkommensklasse Halt. „Wir haben auch gut verdienende VW-Mitarbeitende in der Beratung“, sagt Musiol. Auch das Alter spiele keine Rolle – wobei die Ursache der Schulden sich hier schon unterscheide. „Gerade junge Leute geraten häufig durch Handyverträge und Versandhausschulden in Zahlungsschwierigkeiten.“

207 Menschen suchten 2022 die Schuldnerberatung der Awo in Wolfsburg auf. Das waren die größten Faktoren für die Verschuldung.
207 Menschen suchten 2022 die Schuldnerberatung der Awo in Wolfsburg auf. Das waren die größten Faktoren für die Verschuldung. © Jürgen Runo

Die Beratungsstelle biete ihnen allen verschiedene Ansätze. Zu allererst gehe es darum, den Menschen empathisch zu begegnen, findet Musiol. „Das ist uns sehr wichtig.“ So mancher habe Hemmungen, über seine finanzielle Situation zu sprechen. „Die allermeisten gehen aber mit einem guten Gefühl wieder aus der Beratung heraus“, ist Musiol stolz zu berichten. Überhaupt sei Scheu eher ein Hindernis, denn: „Kommen Sie lieber früher in die Beratung, wenn wir noch wirklich was tun können.“

Berater: Zuerst die Miete und die Energiekosten bezahlen

Die Privatinsolvenz sei immer das letzte Mittel der Wahl. Ganz grundsätzlich rät Musiol jedem, sich zuhause einen Haushaltsplan anzulegen. Eigentlich ganz leicht: Man zählt alle Einkünfte zusammen und stellt sie allen regelmäßigen Ausgaben gegenüber. Geht der Plan auf? Oder sind die Ausgaben zu hoch? Dann muss reduziert werden.

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„Das wichtigste ist, dass Sie die Miete und die Energiekosten bezahlen“, rät Musiol mit Nachdruck. Vor allem, wenn Kinder im Spiel sind. So manches Inkassounternehmen sei mit massiven Drohgebärden unterwegs. „Die bauen einen solchen Druck auf, dass die Menschen teilweise ihr weniges Geld eher dahin überweisen, als Miete und Nebenkosten zu begleichen.“ Die Gefahr: Sei die Wohnung erst weg, komme man noch schwerer aus den Schulden.

Risikofaktoren für eine Verschuldung: Unter anderem schnell abgeschlossene Verträge

Risikofaktoren sieht Musiol an mehreren Stellen. Zum Einen seien viele Verträge zu leicht abzuschließen. Da locke die Kunden – auch, wenn sie sich die Kosten eigentlich nicht leisten können. „Es gibt viele Menschen, die gleich mehrere Handys haben, die sie abbezahlen.“

Auch Kreditkartenverträge seien leicht abzuschließen und bergen laut Musiol Risiken. „In den letzten Jahren haben wir leider Gottes auch immer mehr Geflüchtete bei uns“, sagt er, „für sie sind die bürokratischen Aufwände noch schwieriger zu bewältigen.“ 74 Prozent der Menschen in der Schuldnerberatung seien dabei Deutsche.

Wer an Spielsucht leidet, hat ein großes Risiko, sich zu verschulden

Ein weiterer großer Risikofaktor seien Süchte, so Musiol: Vor allem die Spielsucht sei weit verbreitet. „Da hilft dann auch kein gutes VW-Einkommen mehr, da haben Sie schnell mal 60.000 bis 80.000 Euro Schulden“, warnt Musiol. Wer es brauche, dem vermittele er daher den Kontakt zur Suchtberatung; aber auch in rechtlichen Fragen verweise er an Partner.

Die steigenden Energiekosten haben übrigens in Wolfsburg bisher noch nicht zu einer erhöhten Nachfrage in der Schuldnerberatung geführt. „Damit rechne ich erst, wenn die Jahresabrechnungen kommen“, sagt Marcus Musiol.

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