Fallersleben. Hans-Erich Kopischke aus Fallersleben vermietet seinen historischen Waggon für Geburtstagspartys und Co. – ein Besuch im ausgemusterten Reisewagen.

Sie suchen eine ungewöhnliche Location für ihre nächste Feier? Bitteschön. Hereinspaziert in die „Donnerbüchse“ – ein umgebauter Bahnwaggon, der 1922 in Görlitz gebaut wurde und den Namen Schwerin 2375 Wagen Nummer 340-282 erhielt. Heute steht der 1970 von der damaligen DDR-Reichsbahn ausgemusterte Reisewagen auf dem Grundstück von Hans-Erich Kopischke in der Bahnhofstraße 38 im Wolfsburger Stadtteil Fallersleben– dicht gedrängt an der grauen Lärmschutzwand.

Feiern im historischen Bahnwaggon in Fallersleben

Dort, wo einst 66 Fahrgäste auf harten Sitzbänken aus Eichenholz Platz nehmen konnten, stehen heute nur noch im hinteren Teil eineinhalb Doppelbänke – auf ihnen liegen rehbraune Sitzkissen. Dieser historische Teil mit Gaslicht, Schiebefenstern und Oberregalen voll mit alten Lederkoffern entspricht dem Reisestandard in den 20er-Jahren der vierten Klasse. Die restliche Fläche, die „Partymeile“, kann mit Tischen und (Klapp-)Stühlen gefüllt werden – die Anzahl orientiert sich am Bedarf der Feiernden. „20 Personen können hier gemütlich zusammensitzen“, meint Hans-Erich Kopischke.

Wie kommt man auf die Idee, einen Bahnwaggon sein Eigen nennen zu wollen? Hans-Erich Kopischke erinnert sich: „Ich konnte mir während einer Besichtigung der stillgelegten Zuckerfabrik von einer Aussichtsplattform aus die leere Fläche, wo einst der Bahnhof stand, von oben anschauen. Da reifte in mir die Vorstellung, dass es doch wünschenswert wäre, ein Erinnerungsstück an die frühe Geschichte des Eisenbahnverkehrs zu bewahren. Zudem hatte ich ja das Grundstück mit so viel Platz.“

Donnerbüchse: Ausgemusterter Reisewagen kostete 800 D-Mark

Der Fallersleber begibt sich Ende 1996 auf die Suche, „stolpert“ unter anderem in Leipzig über die Gleise, schaut sich diverse Waggons an, findet aber erst in Basdorf bei Berlin das Passende: Am 12. März 1997 erwirbt er den etwa 17 Tonnen schweren Koloss für 800 D-Mark. Fünf Tage später rollt das gute Stück auf eigenen Rädern in die Hoffmannstadt und wird zunächst auf dem Zuckerfabrikgelände abgestellt. Denn erst mussten noch Schienen auf dem kopischken Grundstück verlegt werden. Am 13. Juni 1997 ist es dann soweit und zwei Autokräne hieven den 3,05 Meter breiten und 8,50 Meter langen Waggon auf seinen endgültigen Stellplatz.

Doch dann fängt die Arbeit erst an. Das Ständerwerk war marode und musste ausgewechselt, verfaulte Träger durch neue ersetzt, der Wagen komplett entkernt sowie Strom-, Wasser- und Abwasserleitungen verlegt werden. „Richtig fertig war der Waggon an meinem 65. Geburtstag“, blickt der heute 77-Jährige zurück.

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Fast wie im Museum: eine historische Schaffnertasche mit Geldwechsler.
Fast wie im Museum: eine historische Schaffnertasche mit Geldwechsler. © regios24 | LARS LANDMANN

Restauration der Donnerbüchse kostete viel Arbeit

Mehr als 2000 Arbeitsstunden steckt der Rentner in die Restauration, rekonstruiert sogar teilweise die originale Inneneinrichtung nach acht Fotos und historischen Vorlagen. Bei den Verkleidungsbrettern greift Hans-Erich Kopischke in die Trickkiste: Aus Kostengründen verwendet er Fichtenbretter, die dem Original nachempfunden gehobelt und dann in Eichenholzoptik lasiert werden.

Heute glänzt der Waggon, den Kopischke schon zu dessen 90. Geburtstag im Jahre 2012 auf den Namen „Fallersleben“ taufte, außen wieder im ursprünglichen grünen Anstrich. Liebevolle Details wie der Original-Fahrplan des Fallersleber Bahnhofes mit Gültigkeit vom 29. September 1957 bis zum 31. Mai 1958, eine historische Schaffnertasche, alte Signalhörner und Reichsbanknoten unter Glas aus der Hochzeit der Inflation lassen die „Donnerbüchse“ beinahe wie ein kleines Museum wirken. Wären da nicht die Küchenzeile mit Mini-Spülbecken und zwei Herdplatten, der Kühlschrank und das Badezimmer.

Dort, wo einst 66 Fahrgäste auf harten Sitzbänken aus Eichenholz Platz nehmen konnten, stehen heute nur noch im hinteren Teil eineinhalb Doppelbänke – auf ihnen liegen rehbraune Sitzkissen. Dieser historische Teil mit Gaslicht und Oberregalen voll mit alten Lederkoffern entspricht dem Reisestandard in den 20er-Jahren der vierten Klasse.
Dort, wo einst 66 Fahrgäste auf harten Sitzbänken aus Eichenholz Platz nehmen konnten, stehen heute nur noch im hinteren Teil eineinhalb Doppelbänke – auf ihnen liegen rehbraune Sitzkissen. Dieser historische Teil mit Gaslicht und Oberregalen voll mit alten Lederkoffern entspricht dem Reisestandard in den 20er-Jahren der vierten Klasse. © regios24 | LARS LANDMANN

Einen interessanten Blick auf das Fahrwerk gestattet ein 1,20 mal 1,20 Meter großes Fenster aus schusssicherem Panzerglas im Fußboden, darunter Heizungsrohre und die Bremsmechanik – diese wird nachts sogar angestrahlt. „Damals wurde noch nicht geschweißt, sondern genietet – wie beim Eiffelturm und den alten Brücken“, erläutert der Eisenbahnfan.

Der Waggon wurde schon für Bandproben, Skatabende, Betriebsfeiern oder Geburtstagspartys genutzt. Für Heimeligkeit im Winter sorgen die Wärmedämmung und eine Gasheizung.

Termine vergibt Hans-Erich Kopischke unter seiner Telefonnummer (05362) 20 69. Wer Catering wünscht, muss sich an das benachbarte Bistro „Blue and More“ wenden, Telefon (05362) 666418. Weitere Infos auch unter www.blue-and-more.com.