Wolfsburg. Der Angeklagte attackierte jeden, der ihm in die Quere kam. Das Landgericht entscheidet, ob der Angeklagte dauerhaft in die Psychiatrie kommt.

Ein Mehrfamilienhaus am Hochring wurde im September 2020 Schauplatz eines Großeinsatzes der Polizei. Damals hatte es ein Mann (42) im Drogenrausch beinahe geschafft, seinen Bekannten totzuprügeln. Rund ein Jahr später, im November, 2021, kam es zur nächsten besonderen Einsatzlage für die Polizei. In einer psychischen Ausnahmesituation hatte ein Mann erst seine Nachbarin, dann einen Marktleiter und schließlich mehrere Polizisten attackiert. Im Prozess vor dem Landgericht Braunschweig schilderten die Opfer die brenzlige Situation.

Gegen Mittag war eine 20-jährige Nachbarin aus ihrer Erdgeschosswohnung gekommen und stand vor dem Fahrstuhl. Sie wollte hoch ins Dritte zur Waschküche, als ihr aus der Kabine der Angeklagte entgegentrat: Bewaffnet mit einer mit Toilettenpapier umwickelten Aluminiumstange. „Ich dachte der wäre Maler und das in der Hand so ein Malerzeugs“, berichtete sie.

Opfer über Zustand des Angeklagten: „Es war keine Interaktion möglich“

Erst fuchtelte der Angeklagte mit der Stange vor ihr herum, dann traf er sie damit. Die Frau flüchtete

In diesem Hochhaus fand der Polizeieinsatz statt.
In diesem Hochhaus fand der Polizeieinsatz statt. © regios24 | Helge Landmann

zurück in ihre Wohnung. Als sie sich traute, die Tür wieder zu öffnen, stand dort der Angeklagte und spuckte nach ihr. Er zog ein Obstmesser, kratzte damit an der Wand und blickte zur Frau. „Ich blickte ihn an und bat ihn, er soll mich in Ruhe lassen. Ich wollte doch nur meine Wäsche machen. Es war keine Interaktion möglich.“

Mit dem Notruf ihres Freundes bei der Polizei begann der Einsatz, bei dem am Ende im Hause zahlreiche Polizeikräfte mit gezogenen Dienstpistolen vor der Wohnungstür des Angeklagten standen.

Ehe die Polizei angerückt war, hatte der Angeklagte einen Neukauf-Markt in der Nachbarschaft betreten. Dort wollte er zwei Brote und Margarine stehlen. Als der Inhaber ihn darauf ansprach und bat, dies zu unterlassen, drehte der Angeklagte auf. „Er hat die Zähne gefletscht und geknurrt, seine Augen standen hervor. Das war so, als ob Satan vor einem steht“, berichtete der Marktleiter im Landgericht. Er hatte sich dem Dieb noch in den Weg gestellt, denn „niemand lässt sich gerne beklauen“, so der Zeuge. Der Angeklagte stach ihm in die Hand und soll auch versucht haben, ihm in den Oberkörper zu stechen. Dabei sei die Klinge des Obstmessers abgebrochen.

Der verwirrte Schläger rief immer wieder „Alpha“ und „Omega“

Auf seiner Flucht vor der herannahenden Polizei lief der Angeklagte zurück zum Mehrfamilienhaus. Polizisten verfolgten ihn. Im Treppenhaus kam es zu einem Handgemenge mit zwei Beamten. Der Angeklagte konnte sich losreißen und verbarrikadierte sich in seiner 1-Zimmer-Wohnung in der 7. Etage. im Treppenhaus formierten sich derweil die Beamten für einen Zugriff.

Sie brachen die Tür auf. Der 42-Jährige, der weiteres Toilettenpapier um seinen Körper gewickelt hatte, hielt neben dem Rohr noch eine (Drogen-)pfeife und rief wiederholt „Alpha“ und „Omega“.

Der Mann konnte schließlich mit vereinten Kräften niedergerungen werden. Er kam ins Psychiatriezentrum nach Königslutter. Weil er weiterhin spuckte und dabei seinen Spuckschutz zerstört hatte, wurde kurzerhand eine Nierenschale vor seinem Mund geklebt. Bis heute ist er in Königslutter untergebracht. Die Staatsanwaltschaft will ihn für eine längere Behandlungszeit dauerhaft unterbringen lassen.

Angeklagter wurde schon einmal wegen Drogenschmuggels verurteilt

Der Schwarzafrikaner ist für die Justiz kein Unbekannter. Mehrmals wurde er bereits verurteilt. Schon 2008 stand er vor dem Landgericht Braunschweig. Damals wurde er wegen Drogenhandels zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. 2006 hatte er 25 Kondome – befüllt mit jeweils 10 Gramm Kokain – geschluckt. die illegale Ware wollte er aus seinem Heimatland Benin über Brüssel nach Wolfsburg schmuggeln. Am Hauptbahnhof Hannover war er festgenommen worden und im Krankenhaus geröntgt worden.

Der Angeklagte war damals womöglich groß im Geschäft. Ein verurteilter Kleindealer, der als Zeuge aussagte, berichtete, er will ihm mehr als drei Kilo Drogen abgekauft haben. Zweimal war dieser Prozess bereits geplatzt, weil er schwer erkrankt war. Ärzte diagnostizierten psychotische Störungen.