Wolfsburg. Volkswagen und die Diebe: Ein Fall wird nun wieder vor Gericht verhandelt. Bei weiteren Ermittlungen spielen Hundehaare eine wichtige Rolle.

Diebe schafften in den Jahren 2016 bis 2018 rund 70 Neuwagen aus dem Volkswagen-Werk Wolfsburg raus. Nur wenige dieser Autos konnten wiederbeschafft werden. Ein bulgarischer Spediteur hatte in einem Fall gleich acht Fahrzeuge in sein Heimatland verschoben. Eine weitere Täterin, eine Spediteurin aus der Nähe von Magdeburg, ist für mindestens zwei Diebstähle verantwortlich – wahrscheinlich waren es mehr. Vor dem Landgericht Braunschweig fand ihr zweiter Prozess statt.

Das Amtsgericht Wolfsburg hatte im November die geständige 34-Jährige zu 16 Monaten Haft mit Bewährung verurteilt. Damit könnte sie wohl gut leben, würden nicht weitere Ermittlungen gegen sie laufen: Es geht um einen weiteren Neuwagen-Diebstahl aus dem Werk. Dieser Fall könnte ausreichen, damit ihre Bewährung doch gestrichen wird. Dementsprechend kämpfte die Angeklagte um „jeden Monat“ ihrer Haftstrafe, wie es ihre Verteidigerin im Berufungsprozess ausdrückte.

Angeklagte sieht sich als Opfer ihres Ex-Partners – der habe ihr Geld verprasst

Vor dem Amtsgericht hatte sich die diebische Spediteurin über ihr Motiv noch ausgeschwiegen. Nun in zweiter Instanz packte sie aus und bat so um Nachsicht. Der Grund für die Taten, so behauptete sie, sei 2013 Trennung von ihrem langjährigen Partner gewesen. Der Mann hätte in ihrem Namen 50.000 Euro Schulden angehäuft. „Jede Menge Onlinespiele und Bestellungen. Er fälschte meine Unterschrift für Anträge, richtete Konten in meinem Namen ein und belastete die mit Dispo“, berichtete die Angeklagte.

Nach ihrer Trennung machte sie sich mit einer Auto-Werkstatt selbstständig. „Davor habe ich nie was auf Kredit gekauft, habe immer gespart, wenn ich mir was leisten wollte. Als ich mich selbstständig machte, wollte ich ein Auto leasen. Die Bank lehnte ab mit Verweis auf meine Schufa-Einträge.“ Fast 50 Gläubiger hätten Forderungen angemeldet, ihre Schufa-Auskunft sei knapp 40 Seiten dick gewesen. Statt Privatinsolvenz anzumelden, versuchte die Angeklagte offenbar die Forderungen zu begleichen – ganz gleich mit welchen Mitteln.

Angeklagte stahl aus dem VW-Werk nicht nur Autos, sondern auch Reifen

Seit 2015 sammelte sie zahlreiche Einträge in ihrem Strafregister. So soll sie etwa ein Fahrzeug mit einem manipulierten Tacho verkauft haben. Vom Werksgelände entwendete sie außerdem neun Reifensätze plus zwei einzelne Räder. Dafür erhielt sie einen Strafbefehl (1800 Euro). Am Rande sei erwähnt: Für ihre Firma meldete sie kürzlich Insolvenz an.

Neben ihrer Auto-Werkstatt war sie als Spediteurin für VW-Prototypen-Fahrzeuge unterwegs und kannte die Sicherheitssysteme auf dem VW-Werksgelände. Neufahrzeuge wurden in verschiedenen Zonen geparkt, die Schlüssel steckten, die Spediteure konnten so die Wagen auf ihre Hänger laden. Angesichts der großen Anzahl von täglichen Auslieferungen kontrollierte der Werkschutz damals an den Toren wohl nur stichprobenmäßig.

Gestohlener VW-Neuwagen wurde entdeckt mit verdächtigen Hunterhaare darin

Die Angeklagte hatte Kontakt zu einem Hehler geknüpft, dem sie anbot, sie könne Neufahrzeuge besorgen. Im Herbst 2017 lud sie einen Golf 2.0 R auf und übergab ihn an einer Raststätte. Der Verbleib

Millionenschaden für Volkswagen: Trotz aller Sicherheitsbemühungen des Werkschutzes kam es in den Jahren 2016 bis 2018 zu 70 Diebstählen von Neufahrzeugen vom Stammwerk-Gelände. Ein Tatverdächtiger, ein 33-jähriger bulgarisches Spediteur (rechts bei seinem Prozess vor dem Landgericht), hatte acht Fahrzeuge gestohlen und in sein Heimatland verschoben.
Millionenschaden für Volkswagen: Trotz aller Sicherheitsbemühungen des Werkschutzes kam es in den Jahren 2016 bis 2018 zu 70 Diebstählen von Neufahrzeugen vom Stammwerk-Gelände. Ein Tatverdächtiger, ein 33-jähriger bulgarisches Spediteur (rechts bei seinem Prozess vor dem Landgericht), hatte acht Fahrzeuge gestohlen und in sein Heimatland verschoben. © Hendrik Rasehorn (Archiv)

des 52.000 Euro teuren Modells ist ungeklärt. Außerdem schnappte sie sich einen Tiguan 2.0 (Neupreis 51.000 Euro). Ihr Hehler gab das Auto an einen Händler in Berlin weiter, der es verkaufte. Der Tiguan wurde im Dezember 2017 von der Polizei sichergestellt und an VW zurückgegeben.

Möglicherweise war die Spediteurin für bis zu fünf Taten verantwortlich. Sie räumte im Prozess das entsprechende Angebot an ihren Hehler ein. Weitere Fälle könnten indes mittlerweile der Verjährungsfrist unterliegen. Nur im Fall eines entwendeten Tiguan werden noch Ermittlungen geführt. Auch dieses Auto stellte die Polizei sicher und entdeckte darin ein Haarband mit DNA-Anhaftungen sowie Hundehaare.

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Diebstahl-Serie bei VW riss ab

Wie die Staatsanwaltschaft berichtete, entnahm die Polizei eine Haarprobe vom Hund der Frau. Beide Proben werden nun von einem Experten des Bundeskriminalamts untersucht, um letztendlich den Beweis zu führen, dass die Spediteurin auch für diesen Diebstahl verantwortlich ist.

In zweiter Instanz wurde ihre Strafe durch die Berufungskammer am Landgericht von 16 auf 15 Monate auf Bewährung reduziert. Sie muss für den Schaden gesamtschuldnerisch mit dem Hehler und dem Berliner Autohändler aufkommen. Die Kammer verpasste der Angeklagten noch einen Bewährungshelfer und verdonnerte sie zusätzlich zu 200 Stunden gemeinnützer Arbeit. Die vorsitzende Richterin Petra Bock-Hamel machte deutlich, VW habe es den Dieben wohl leicht gemacht. Sie betonte aber die gehörige Portion Dreistigkeit gepaart mit der krimineller Energie der Angeklagten – auch mit Blick auf deren Strafregister.

Nach der damaligen Diebstahlsserie im VW-Werk Wolfsburg und der Überführung des bulgarischen Spediteurs sowie der Angeklagten wurde keine ähnliche Straftatenserie mehr bekannt.

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