Wolfsburg. Der 14. Juni ist der Weltblutspendetag. Die Blutkonserven sind knapp – auch in Wolfsburg. Dr. Beate Rothe informiert über die Blutspende.

Etwa alle sieben Sekunden benötigt ein Mensch in Deutschland ein Blutpräparat. Doch gibt es überhaupt genug Blutspender? Wer kommt als Blutspender in Frage? Und wie läuft so eine Blutspende genau ab? Diese und weitere Fragen beantwortet Dr. Beate Rothe, Chefärztin des Instituts für Klinische Chemie, Laboratoriums- und Transfusionsmedizin am Klinikum Wolfsburg, im neuen Gesundheitspodcast.

Frau Dr. Rothe, kennen Sie Ihre eigene Blutgruppe?

Ja. Früher hat man diese sogar in der Schule bestimmt. Das geschieht heute nicht mehr. Wenn man sich beruflich mit dem Thema beschäftigt, bestimmt man natürlich auch die eigene Blutgruppe. Spätestens, wenn eine Frau in Deutschland schwanger ist und einen Mutterpass bekommt, kennt sie ihre Blutgruppe.

Ist es ein Problem, wenn man im Notfall ins Krankenhaus kommt und seine Blutgruppe nicht parat hat?

Nein. Zumal der Gesetzgeber vorschreibt, dass wir die Blutgruppe von Patienten jedes Mal neu bestimmen müssen. Wir dürfen uns nie darauf verlassen, dass das, was in einem Ausweis steht, auch richtig ist. Wenn wir einem Patienten das falsche Blut geben, könnte es für ihn lebensbedrohlich werden. Ganz im Notfall bekommt ein Patient universal passendes Blut.

Für welche Menschen wird Spenderblut benötigt?

Die Hauptverbraucher sind Patienten, die größere Operationen haben. Dabei handelt es sich häufig um Tumor-Operationen. Aber auch eine gutartige Prostatavergrößerung kann mal bluten. Es gibt chronische Tumor-Patienten, die während der Chemotherapie immer wieder Blutprodukte benötigen. Oder auch schwer kranke Patienten auf der Intensivstation. Wenn man schwer krank ist, produziert das Knochenmark nicht genug Blutzellen.

Dr. Beate Rothe, Chefärztin des Instituts für Klinische Chemie, Laboratoriums- und Transfusionsmedizin im Klinikum Wolfsburg, beantwortete im Gesundheitspodcast „Auf Herz und Nieren“ die Fragen von Redakteur Markus Kutscher.
Dr. Beate Rothe, Chefärztin des Instituts für Klinische Chemie, Laboratoriums- und Transfusionsmedizin im Klinikum Wolfsburg, beantwortete im Gesundheitspodcast „Auf Herz und Nieren“ die Fragen von Redakteur Markus Kutscher. © regios24 | LARS LANDMANN

Wie ist das im Kreißsaal, wird bei einem Kaiserschnitt Blut benötigt?

Der Kaiserschnitt an sich ist kein großes Problem. Schwierig ist es, wenn sich die Gebärmutter nach der Geburt nicht entsprechend zusammenzieht, oder es zu großflächigen Blutungen in der Gebärmutter kommt, die schwer zu stillen sind. Dann kann es sein, dass man 10, 20 oder 30 Blutkonserven zu je 250 Milliliter benötigt.

Man hört regelmäßig, dass die Blutspenden knapp sind. Gilt das generell oder gibt es saisonale Engpässe?

Über die Jahre war es immer so, dass es Wellenbewegungen gibt. So ist im Sommer die Ressource Blut extrem knapp, weil viele Leute verreisen. Manche Spender dürfen nach einem längeren Auslandsaufenthalt nicht spenden, weil sie bestimmte Länder besucht haben. Seit Corona hat sich das ein wenig gewandelt: Zu Beginn gab es generell wenig Bereitschaft zur Blutspende. Heute sind wir immer noch nicht auf dem Stand von vor der Pandemie.

Wie ist es in Wolfsburg, wenn Werksferien sind?

Das merken wir immens. Die Werksferien sind ja in den niedersächsischen Sommerferien. Es ist ja nicht nur das Werk geschlossen, alle Angehörigen sind mit weg. Als Zugezogene aus Stuttgart habe ich diese Werksferien aber extrem lieben gelernt. Ich genieße dann die Ruhe in der Stadt, und ich bekomme überall einen Parkplatz (lacht).

Welche Erklärung gibt es, dass es nicht genug Blutspender gibt?

Ich denke, viele Menschen werden immer bequemer. Die Blutspende ist ein Akt, der Zeit in Anspruch nimmt und zu dem man sich aufraffen muss.

Wie versucht das Klinikum Blutspender anzulocken?

Wir versuchen, den Spendern etwas Gutes zu tun. Es gibt eine Aufwandsentschädigung. Wir haben die Anmeldung zu Blutspende-Terminen niedrigschwelliger gestaltet, indem wir auf unserer Internetseite www.klinikum-wolfsburg.de ein Online-Anmeldesystem installiert haben. Die Spender machen bei uns einen persönlichen Termin aus und werden relativ zügig durchgeschleust. Und wir haben sehr hohe Hygieneregeln, die wir einhalten, auch pandemiebedingt. Jeder bekommt einen Einzeltermin.

Welche Menschen kommen als Blutspender in Frage?

Spender, die zwischen 18 und 65 Jahre alt sind. Wer älter als 65 Jahre ist, kommt als Erstspender nicht mehr in Frage. Wer allerdings häufig gespendet hat und mit 66 noch weiter spenden will, gesund ist und keine Einschränkungen hat, darf auch gerne wiederkommen. Ältere Spender kommen dann aber nicht mehr sechsmal, sondern nur noch drei- oder viermal im Jahr. Das ist zu deren eigenem Schutz.

Gibt es Menschen, die Sie von der Blutspende ausschließen müssen?

Ganz wichtig ist, dass man mindestens 50 Kilogramm wiegt, weil wir generell einen halben Liter Blut abnehmen. Das Körpergewicht ist wichtig zum Schutz, weil man einem 50 Kilogramm schweren Menschen prozentual mehr Blut entnimmt als jemandem, der 80 Kilo wiegt. Gewisse Vorerkrankungen schließen ebenfalls eine Blutspende aus. Dazu gehören zum Beispiel Tumorerkrankungen. Wer eine infektiöse Erkrankung hat, darf auch nicht spenden. Das gilt auch für schwangere und stillende Frauen.

Wie ist das bei Diabetes?

Solange die Diabetiker medikamentös eingestellt sind, können sie spenden. Wenn jemand Insulin benötigt, kann er nicht spenden. Da hat man Bedenken, dass bei zu viel Glukose im Blut ein bakterielles Wachstum begünstigt wird. Wer sich unsicher ist, ob er als Spender in Frage kommt, kann uns gerne anrufen und fragen.

Wie oft darf ich im Jahr Blut spenden?

Als Mann im Schnitt sechsmal, als Frau viermal im Jahr. Männer verfügen über ein größeres Blutvolumen als Frauen, deshalb dürfen sie häufiger spenden.

Wie läuft bei einem Erstspender eine Blutspende im Klinikum Wolfsburg ab?

Zunächst muss ein Fragebogen mit 30 Fragen zu Gesundheit und weiteren Themen beantwortet werden. Dann machen wir einen Piks in den Finger, um zu schauen, ob auch ausreichend Blut für eine Spende vorhanden ist. Ist der Wert zu niedrig, müssen wir die Spender bitten, in drei Monaten wiederzukommen. Sind die Werte ganz schlecht, empfehlen wir auch, das beim Hausarzt abklären zu lassen. Wenn alles in Ordnung ist, bespricht ein Arzt mit dem Spender den Fragebogen und das Laborergebnis. Und der Arzt gibt weitere wichtige Hinweise. Nach der Blutspende ist es zum Beispiel wichtig, ausreichend zu trinken und eine ausreichende Ruhezeit zu haben. Beim ersten Mal hören wir auch Herz und Lunge ab. Grundsätzlich verläuft eine Blutspende immer individuell: Der eine geht hinterher noch zum Sport, der andere schafft es nur noch aufs Sofa.

Wie geht es nach dem Aufklärungsgespräch weiter?

Dann setzen Sie sich auf einen bequemen Spenderstuhl und legen die Beine hoch. Unsere Mitarbeiterinnen legen einen Stau am Arm an. Dann stechen sie in die Armbeuge mit einer Nadel, die anders ist als beim Hausarzt. Die Nadel ist wesentlicher dicker, ähnlich einem Skalpell, hat aber den Vorteil, dass sie weniger bemerkt wird von den Spendern. Die Spende von einem halben Liter dauert zwischen sechs und zwölf Minuten. Alles ist steril verpackt. Zu Beginn der Blutentnahme entnehmen wir schon die Röhrchen für die Diagnostik. Wir müssen jedes Mal die Blutgruppe neu bestimmen und schauen auf gewisse Infektionswerte.

Das Blut wird auf Krankheiten untersucht, auf auffällige Werte. Ich habe als Spender also die Gewissheit, dass ich keine Infektionsherde im Körper habe?

Das ist richtig. Wir haben auf diese Weise auch schon einmal eine Leukämie diagnostiziert oder eine Autoimmunerkrankung. Das ist selten, kommt aber vor.

Was passiert mit meinem gespendeten Blut?

Das bleibt komplett im Klinikum. Es muss zunächst runterkühlen, dazu kommt es auf eine Kühlplatte und ruht eine Stunde. Dann haben wir es von 37 Grad Körpertemperatur auf Raumtemperatur heruntergekühlt. Danach wird das Blut in einer Zentrifuge aufgeteilt in die roten Blutkörperchen, also die Erythrozyten, und das Plasma. Die roten Blutkörperchen bleiben in Wolfsburg. Die liegen maximal sechs Wochen im Kühlschrank, so lange sind sie haltbar. Das Plasma frieren wir tief auf minus 30 Grad, das ist ein bis zwei Jahre haltbar.

Die roten Blutkörperchen sind also auch nicht ewig verwendbar. Kommt es vor, dass Sie welche vernichten müssen?

Wir in Wolfsburg verbrauchen alle. Im Gegenteil: Wir müssen sogar noch zukaufen vom Deutschen Roten Kreuz. Wir brauchen in Wolfsburg zwischen 5000 und 6000 Blutkonserven, also Erythrozyten-Konzentrate, womit wir das Klinikum und zum Teil auch onkologische Praxen in der Stadt versorgen. In unserer Spenderkartei befinden sich circa 2000 Personen. Wenn also jeder dreimal im Jahr kommen würde, wären wir schon gut dabei. Insgesamt reichen die 2000 Spender aber nicht aus, um uns selbst zu versorgen.

Wenn ich als Spender im Klinikum registriert bin, ist es dann ein Problem, wenn ich beispielsweise auch beim DRK spende?

Das Problem in Deutschland ist eher, dass wir keine zentrale Spenderdatei haben. Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern. So könnte man sehen, wie hochfrequentiert man spendet. Egal, wo Sie spenden: Es kommt der Allgemeinheit zugute. Für den Spender selbst ist es aber besser, an einem Ort zu bleiben, damit man nicht zu oft spendet.

Sie sind Chefärztin des Instituts für Klinische Chemie, Laboratoriums- und Transfusionsmedizin. Warum haben Sie diese medizinische Richtung eingeschlagen?

Mein Herz schlägt eigentlich für die Innere Medizin. Ich habe in der Onkologie angefangen und mich auch mit Stammzelltransplantation und Stammzellherstellung beschäftigt. In der Transfusionsmedizin bin ich gelandet nach dem ersten Kind, weil ich nicht jede dritte, vierte Nacht im Klinikum verbringen wollte.

Sie sind seit 2014 in Wolfsburg. Für wen oder was schlägt denn Ihr Herz in Ihrer Freizeit?

Alles, was mit Wasser zu tun hat, mag ich. Paddeln, Schwimmen und Schnorcheln. Leider habe ich das Tauchen zu spät entdeckt. Ich habe mich als Schwäbin sehr schnell in Wolfsburg einleben können: Ich war überwältigt vom Phaeno, als ich aus dem Bahnhof kam. Wolfsburg hat trotz der kleinen Größe kulturell viel zu bieten. Was mich ganz am Anfang umgehauen hat, waren die Movimentos-Wochen. Das war unglaublich für mich. Die kurzen Wege in Wolfsburg schätze ich sehr.

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