Wolfsburg. Am Ortsausgang von Heiligendorf gibt’s zwei Tunnel unter der Kreisstraße 111. Aber ohne Leiteinrichtung laufen die Amphibien lieber über die Straße.

Die Sache ist tierisch vertrackt: Für Kröten und Co. ist unter der frisch sanierten Kreisstraße 111 zwischen Heiligendorf und Barnstorf ein Amphibientunnel gebaut worden. Doch die Tierchen nutzen die sichere Unterführung nicht. Stattdessen versuchen sie wie gewohnt, an anderen Stellen zu ihren Laichgewässern und zurück zu kommen. Nur der ehrenamtliche Einsatz von Naturschützern bewahrt sie vor dem sicheren Tod durch Autos.

Dabei ist der Tunnel nicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht. Jedoch nicht ganz an der richtigen Stelle, wie Christian Schreiter nach Zählungen nun weiß. Er ist Vorsitzender des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) in Wolfsburg und Grünen-Mitglied im Ortsrat Hattorf/Heiligendorf. Dort hat er vorige Woche das Problem erläutert und darauf gedrängt, dass es möglichst rasch gelöst wird.

Laut Monitoring des BUND muss Amphibienschutz umfangreicher werden

Auf dem kritischen Straßenabschnitt ist nämlich zwar vor wenigen Monaten der Tunnel gebaut worden. Was aber noch fehlt, sind die Leiteinrichtungen, die die Amphibien dorthin lotsen. Und: Diese sollen zwar in den VW-Werksferien nachträglich aufgestellt werden. Doch wie ein Monitoring des BUND ergeben hat, müssen sie umfangreicher werden als nach bisherigen Erkenntnissen bisher geplant.

An Ort und Stelle erklärte Christian Schreiter beim Termin mit unserer Zeitung das Problem. Und verwies auf die hohe Zahl von Kröten, Grasfröschen und Molchen, die allein im Zeitraum vom 27. Februar bis 15. April dort auf Wanderschaft gingen. Wo ehrenamtliche Helfer vom BUND möglichst viele Amphibien mittels provisorischer Zäune abfingen, in Eimern sammelten und zu ihrem Laichgewässer auf der Ostseite der K 111 brachten.

196 Amphibien wollten bei Heiligendorf über die Straße

Dort befindet sich nämlich ein Biotop mit einem kleinen Teich, der sich aus dem Heiligendorfer Bach speist. Alles vor vielen Jahren von Udo Rauhaus angelegt, der mit seiner Frau Katharina Petersen-Rauhaus am

Ja, wo laufen sie denn? Hier jedenfalls nicht. BUND-Vorsitzender und Grünen-Ortsratsmitglied Christian Schreiter zeigt den neuen Amphibientunnel unter der K 111 zwischen Heiligendorf und Barnstorf, den Kröten und Co. nicht nutzen. Zu ihrem Schutz sind auf der anderen Straßenseite grüne Abfangzäune gespannt.
Ja, wo laufen sie denn? Hier jedenfalls nicht. BUND-Vorsitzender und Grünen-Ortsratsmitglied Christian Schreiter zeigt den neuen Amphibientunnel unter der K 111 zwischen Heiligendorf und Barnstorf, den Kröten und Co. nicht nutzen. Zu ihrem Schutz sind auf der anderen Straßenseite grüne Abfangzäune gespannt. © regios24 | Helge Landmann

Ortsausgang von Heiligendorf den Hof Welkensiek unterhält und auch Vorsitzender des Islandpferdevereins Fákur ist.

Jedenfalls ergaben die Zählungen der Naturschützer, dass im genannten Zeitraum 196 Amphibien versuchten, die Straße zu queren. Und zwar viele von ihnen bis zu 80 Meter vom neuen Tunnel entfernt. Weshalb die Leiteinrichtungen umfangreicher ausfallen müssten, wie Schreiter im Ortsrat darlegte.

Auch bei Barnstorf musste Schutz für Kröten verbessert werden

Schräger Fakt am Rande: Es gibt noch eine weitere, schon viel länger existierende Unterführung der K 111, etwas weiter nördlich: Dort fließt der Heiligendorfer Bach unter der Straße hindurch. Aber: „Der ist selbst in trockenen Zeiten wie jetzt so tief, dass die Tiere nicht hindurchgehen können. Sie wandern lieber rechts und links daran vorbei hoch und dann über die Straße“, weiß der BUND-Vorsitzende. Durch das fließende Gewässer schwimmen wollten sie nicht.

Grundsätzlich lobte Schreiter die gute Zusammenarbeit mit der Stadt Wolfsburg: „Wir hatten schon länger beobachtet, dass hier viele Tiere überfahren werden“, berichtete er beim Ortstermin am Heiligendorfer Ortsausgang. Bei Barnstorf habe man nämlich schon länger ein Monitoring gemacht. Dort war vor rund vier Jahren aufgefallen, dass die Amphibienschutz-Einrichtung nicht fachgerecht gebaut wurde; die Tiere mussten zu weit wandern.

In Werksferien soll Amphibienschutz am Baugebiet ergänzt werden

Auf Grundlage bisheriger Erkenntnisse sei der nun gebaute Tunnel nahe dem Heiligendorfer Neubaugebiet „Krummer Morgen“ jedenfalls nachträglich ins Straßensanierungsprojekt aufgenommen und kurzfristig realisiert worden ­– innerhalb des Kostenrahmens. „Was aber so kurzfristig nicht geklappt hat, ist der Aufbau der Leiteinrichtung“, sagte das Ortsratsmitglied.

Daher hätten sich Ortsrat, Stadt und BUND auf den Kompromiss geeinigt, dass die Leit- und Abfangeinrichtung in den verkehrsärmeren Werksferien montiert wird und der BUND einen provisorischen Zaun aufstellt, damit Kröten und Co. nicht unter die Räder kommen.

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Auch Heiligendorfer Weißstörche profitieren vom Amphibienschutz

Zugleich wurde das Monitoring verabredet. Schreiter: „Jetzt wissen wir genau, wo die Amphibien über die Straße kommen. Hier am Heiligendorfer Bach gibt es die meisten toten Tiere.“ Daher solle die Stadt nun prüfen, ob im Sommer nicht nur auf der Westseite der K 111 ein längeres Stück Leiteinrichtung montiert werden kann als bisher vorgesehen, sondern auch auf der Ostseite ein kurzes Stück. Und zwar nördlich des Tunnels mit dem Heiligendorfer Bach, durch den die Tiere eben nicht hindurchschwimmen.

Für den BUND-Vorsitzenden geht es nicht nur ums Überleben und die Erholung der Amphibienpopulation am Rande von Heiligendorf: „Wir haben seit wenigen Jahren endlich wieder ein brütendes Weißstorch-Paar in Heiligendorf. Aber die Insekten werden immer weniger. Daher ist jede Kröte überlebenswichtig als Nahrung für den Storch.“

Warum beim Amphibienschutz in Wolfsburg noch Einiges zu tun ist

Am Barnstorfer Ortseingang aus Richtung Heiligendorf musste nachgebessert werden, weil die Kröten zum dortigen Tunnel zu weite Wege hatten. Der Wolfsburger BUND-Vorsitzende Christian Schreiter nannte weitere Beispiele, wo es aus Sicht der Naturschützer nicht optimal ist für die Amphibien. „Die Stadt darf sich nicht immer auf die Ehrenamtlichen verlassen“, sagte er. Die Ehrenamtlichen sammeln die Kröten und Co. ein und bringen sie sicher über die Straße. Und begeben sich dabei laut Schreiter selbst in Gefahr.

Weit oben auf der Liste steht für Schreiter der Weyhäuser Weg, wo es bisher so läuft, dass zur Krötenwanderung Stadt Wolfsburg und Landkreis Gifhorn die Schranken herunterlassen. „Da müssen Tunnel statt Schranken hin. Dazu ist die Stadt verpflichtet“, sagte Schreiter. Er verwies auch auf einen tödlichen Unfall, der im April auf dem Weyhäuser Weg auf Gifhorner Gebiet passierte, als ein Motorrad gegen die Schranke prallte.