Wolfsburg. Das erste offizielle Schreiben zu der Städtepartnerschaft datiert vom 5. Dezember 1988 und ist Wolfsburgs Archivalie des Monats.

Wie kam es dazu, dass vor 30 Jahren ein Vertrag über eine Partnerschaft zwischen Wolfsburg in der Bundesrepublik Deutschland und Halberstadt in der Deutschen Demokratischen Republik unterzeichnet wurde, obgleich doch die SED in solchen Städtepartnerschaften ein nicht kalkulierbares „Sicherheitsrisiko“ erkannte, man „subversive Angriffe“ und eine bundesdeutsche „Zersetzungstätigkeit“ vermutete? Schon im Jahr 1988, und damit zwei Jahre, nachdem eine erste solche deutsch-deutsche Städtepartnerschaft zwischen Eisenhüttenstadt und Saarlouis beschlossen wurde, nahm Oberbürgermeister Werner Schlimme der Stadt Wolfsburg Kontakt zur ständigen Vertretung der DDR in Bonn und zur DDR-Regierung mit dem Anliegen auf, zu einem Ort in der DDR städtepartnerschaftliche Bande knüpfen zu dürfen. Halberstadt war der ausdrückliche Wunsch der Stadt Wolfsburg, wobei es hauptsächlich darum ging, menschliche Kontakte jenseits der politisch „unmenschlichen“ Systemrealität zu etablieren, schreibt die Stadt.

Seit Mai 1987 waren Wolfsburger aus dem kirchlichen und kommunalen Verwaltungsbereich aber auch Privatleute, so beispielsweise aus dem Umfeld des sogenannten „Halberstädter Kreises“ um Ilse Behrens und Alfred Keil, in dieser Richtung mit zahlreichen Schreiben an die DDR-Regierung – unter anderem an den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker – aktiv geworden. Persönliche Gespräche etwa zwischen Schlimme und dem DDR-Botschafter Ewald Moldt, die den brieflichen Anfragen vorausgegangen waren, blieben noch ohne Ergebnis, da die DDR-Regierung Vorbehalte gegen weitere Städtepartnerschaften hegte.

Von ganz anderen, nämlich positiven Zeichen aus der DDR für die gewünschte Partnerschaft berichtet hingegen das erste offizielle Schreiben der Stadt Wolfsburg an den Halberstädter Bürgermeister Siegfried Stock, die Archivalie des Monats, das gemeinsam von Oberbürgermeister Schlimme und Oberstadtdirektor Professor Peter Lamberg verfasst wurde und auf den
5. Dezember 1988 datiert. Das Wolfsburger Anliegen hatte zwischenzeitlich längst weitere Unterstützer gefunden, hatte doch auch die Leitungsebene des Volkswagenwerks den DDR-Behörden das Begehr um eine kommunale Partnerschaft angetragen. Gleichwohl hierbei das thüringische Eisenach im Bezirk Erfurt mit seiner Automobilbautradition im Fokus stand, scheint die Fürsprache eines nicht unbedeutenden westdeutschen Wirtschaftsunternehmens erst die entsprechende Wirkung erzielt zu haben. Denn im Schreiben der Stadt wird berichtet, dass Horst Neubauer, der Botschafter der DDR in Bonn, der sein Amt gerade erst angetreten hatte, während seines Besuchs des Volkswagenwerks wie auch des Automuseums Wolfsburg am 28. November 1988 im persönlichen Gespräch gegenüber Schlimme mitgeteilt habe, „dass eine partnerschaftliche Verbindung beider Städte auch seitens der DDR begrüßt werde“. Botschafter Neubauer riet den Wolfsburgern sogar dazu, wie aus dem Wolfsburger Schreiben hervorgeht, direkt mit dem Rat der Stadt Halberstadt in Kontakt zu treten, „um notwendige Vorbereitungs- und Abstimmungsmaßnahmen zu koordinieren“.Gerade da „der Wolfsburger Raum [...] mit Ihrer Stadt seit Jahrhunderten geschichtlich verbunden ist“, heißt es in dem Schreiben weiter, sei es der Wunsch der Stadt Wolfsburg, bevorzugt mit Halberstadt eine Partnerschaft einzugehen. Zwar war die Stadt Wolfsburg selbst gerade erst 50 Jahre jung, Halberstadt dagegen feierte sein 1000-jähriges Bestehen, doch tatsächlich reichen die historischen Verbindungen der Ortschaften um Schloss Wolfsburg und Schloss Fallersleben zum knapp 80 Kilometer entfernten „Tor zum Harz“ über Bistum und Domstift Halberstadt sowie das braunschweigische Herzogtum mehrere Jahrhunderte zurück. Die Wolfsburger schlugen den Halberstädtern „unter anderem im Bereich des Sportes und der Kultur […] wechselseitige Aktivitäten“ vor und führten zugleich an, dass sich „voraussichtlich“ auch die Volkswagen AG „engagieren“ werde.

Die schriftliche Kontaktanbahnung der Wolfsburger Schlimme und Lamberg erreichte ihr Ziel über Zwischenstationen erst im Januar 1989 und damit nicht nur mehr als einen Monat später, sondern sogar erst im nächsten Jahr. Zurückzuführen ist dies auf die komplexen und langwierigen Zuständigkeiten in der DDR, die es einzuhalten galt, wenn eine Beziehung mit einer „nichtsozialistischen“ Stadt aufgebaut werden sollte. Augenfällig wird dies durch die verschieden datierten Eingangstempel aber auch durch das ebenfalls überlieferte Begleitschreiben vom 27. Dezember 1989 des Rats des Bezirks Magdeburg, zu dem Halberstadt gehörte.

Dessen Stellvertreter Frank Heydick – Bürgermeister Siegfried Stock war erkrankt – verfasste ein Antwortschreiben am 16. Januar 1989 an den westdeutschen Amtskollegen und teilte diesem mit, „der Rat der Stadt […] begrüßt den Abschluss einer Vereinbarung […] auf der Grundlage des Dialogs der Vernunft und des Realismus“. Zugleich wurde der Vorschlag formuliert, mit „einer Abordnung der Stadtverordnetenversammlung Halberstadts (4 bis 5 Personen) in der Woche vom 15. bis 20. Mai 1989 für 2 bis 3 Tage“ Wolfsburg zu besuchen. Auch dieses Schreiben benötigte aufgrund der notwendigen Umwege über die Behörden in Magdeburg, Berlin (Ost) und Bonn weit über acht Wochen bis es in Wolfsburg ankam.

Erstaunlicherweise fanden erste persönliche Gespräche über die geplante Partnerschaft tatsächlich schon beim Besuch der Halberstädter Stadtverordneten in Wolfsburg im Mai 1989 statt. Der Gegenbesuch der Wolfsburger in Halberstadt erfolgte bereits zwei Monate später im Juli 1989 – ein weiteres untrügliches Anzeichen für die Bedeutung, die die Stadt der Partnerschaft zumaß – und wurde durch die Feierlichkeiten zur Tausendjahrfeier der alten Bischofsstadt gekrönt. Noch vor dem Fall der Mauer konnte dann am 24. Oktober 1989 der Städtepartnerschaftsvertrag in Halberstadt unterzeichnet werden.