Wolfenbüttel. Im „Pride Month“ wird sexuelle und geschlechtliche Vielfalt gefeiert. Eine Expertin der Ostfalia, Tu Braunschweig und HBK erklärt, worum es geht.

Der Juni ist der „Pride Month“ – der Monat, in dem sexuelle und geschlechtliche Vielfalt gefeiert wird. Juliette Wedl vom Braunschweiger Zentrum für Gender Studies der Ostfalia, TU Braunschweig und HBK Braunschweig erklärt, worum es dabei geht.

Was bedeutet eigentlich „queer“?

Das ist ein Oberbegriff für alle Personen, die nicht eindeutig, dauerhaft und unverändert männlich/weiblich oder nicht heterosexuell sind. Die Biologie begreift das Geschlecht mittlerweile als Kontinuum. Ebenso gibt es verschiedene sexuelle Orientierungen.

Und worum geht es beim „Pride Month“?

Es geht darum, diese Vielfalt sichtbar zu machen und eine Öffentlichkeit für das Thema herzustellen. Das ist notwendig, weil es bisher wenig präsent war und es lange Zeit komplett tabuisiert und pathologisiert wurde. Außerdem wird gezeigt: Schaut her, wir sind Teil der Gesellschaft und selbstbewusst.

Es gibt ja auch immer mehr Unternehmen, die die Regenbogenfahne hissen oder Produkte in den Farben auf den Markt bringen. Ist das sinnvoll oder nur Marketing?

Klar ist es Marketing. Gender-Marketing – also die geschlechtliche Zuweisung von Produkten, von der ich kein Fan bin – gibt es schon lange. Das auf queere Menschen zu erweitern ist daher nur logisch. Es geht um Verkaufszahlen. Aber es ist auch ein Statement: Es wird sich für Akzeptanz und gegen Ausgrenzung positioniert. Das ist gut. Und der Bedarf sich durch Zeichen, wie einem Turnschuh mit Regenbogen drauf, ebenfalls zu positionieren, ist da.

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Müsste die Politik mehr für queere Menschen tun?

Ja, auf jeden Fall. Es passiert schon etwas, beispielsweise wird gerade das Selbstbestimmungsgesetz für transPersonen auf den Weg gebracht. Egal, wie man im Detail darüber denkt, ist es ein Schritt in die richtige Richtung. Es müsste aber auch Geld in die Hand genommen werden, um Selbstvertretungen, Aufklärungs- und Beratungsstellen auszubauen. Der Weg zum Ausleben geschlechtlicher Vielfalt ist nicht per se konflikthaft, aber er wird es durch die Konfrontation mit einer heteronormativen, das heißt binär zweigeschlechtlich und heterosexuellen Norm. Deshalb braucht es Aufklärung und Unterstützung.

Und wie sieht es in der Schule aus?

Es bewegt sich viel, braucht aber noch viel Entwicklung, um Schule zu einem Ort der Vielfalt zu machen. Dafür braucht es vielfaltsoffene Leitlinien, eine inklusive Gestaltung von Räumen und Sprache, Projekte – zum Beispiel zum „Pride Month“ –, Kontaktpersonen für queere Schülerinnen und Schüler und eine Sensibilisierung der Menschen dort, vor allem Fortbildungen für Lehrkräfte und Schulleitung. Die Unterrichtsinhalte spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sollte ein ganz selbstverständlicher Bestandteil des Unterrichts werden – beispielsweise im Mathematikunterricht, wenn in Textaufgaben auch mal zwei Männer mit Kind eine Familie sind. Und natürlich im Sexualkundeunterricht, in dem bisher meist nur über zwei Geschlechter gesprochen wird. Wir beginnen alle als Fötus unser Leben intersexuell und Geschlechtsorgane sind nicht binär sondern vielfältig.

Es gibt auch Menschen die sagen, so etwas würde Kinder homosexuell machen oder in ihrer Geschlechtsidentität verwirren.

Das ist wissenschaftlich nicht haltbar. Sonst müsste das ja auch umgekehrt funktionieren, also queere Menschen in einer zweigeschlechtlich und heterosexuell normierten Gesellschaft ebenso werden. Die Vermittlung muss natürlich altersgerecht sein – was auf jedes Schulmaterial zutrifft. Queere Menschen sind Teil der Welt. Kinder und Jugendliche bekommen davon auch außerhalb der Schule etwas mit und haben Fragen. Schule ist der richtige Ort, um diese ganz unaufgeregt zu beantworten.

Da gibt es ja noch viel zu tun. Würden Sie denn sagen, dass wir als Gesellschaft insgesamt auf einem guten Weg sind?

Ja, es hat sich schon viel geändert. Allein durch das Internet kann man sich über viel informieren. Aber am Ziel sind wir noch nicht.