Wolfenbüttel. Die Vision des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs zum Radfahren in Wolfenbüttel: die Stadt investiert jährlich 900.000 Euro.

Und so sieht die Vision des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) Wolfenbüttel für das Radfahren in zehn Jahren aus. ADFC-Vorstandsmitglied Martin Langer stellt sie vor.

Radfahren ist seit längerer Zeit wieder en vogue. Seit fünf Jahren gibt es „Stadtradeln“ in Wolfenbüttel. Es bricht alle Rekorde. Firmen, Schulen und Sportvereine, alle machen beim Stadtradeln mit. Die ersten fahrradfreundlichen Betriebe werden ausgezeichnet. Arbeitgeber unterstützen ihre Beschäftigten bei Kauf oder Leasing von Fahrrädern beziehungsweise Pedelecs. Die größeren unter ihnen unterhalten sogar Dienstradflotten. Umfangreiche Anreizsysteme – nach dem Motto „jeder Kilometer macht Schule“ -- helfen auf spielerische Weise beim Umstieg aufs Rad. Elterntaxis sind Vergangenheit. Entweder man nimmt einen der im engen Takt verkehrenden Busse oder fährt mit dem Fahrrad zur Schule.

Größter Profiteur ist der Wolfenbütteler Einzelhandel. Man hätte es schon viel früher erkennen können: Wer Fahrrad fährt, bleibt und kauft in Wolfenbüttel ein. Heute bringen die Wolfenbütteler mit neuartigen Elektro-Lastenrädern ihre Einkäufe nach Hause oder ihre Kinder in die Kindertagesstätte. Es gibt die besonderen Räder an jeder Ecke zu
leihen. Auch der zentrale Lieferservice des Wolfenbütteler Einzelhandels bringt alles per Lastenrad. Und selbst am Nachtbus können die späten Einkäufe noch abgeholt werden. Bei Payback gibt es jetzt sogar
Punkte für den Einkauf mit dem Fahrrad.

Der Urknall der Radverkehrsförderung in Wolfenbüttel wird das Radverkehrskonzept 2030. Anfang 2020 wird es beschlossen. Die Stadt investiert nun jährlich 650.000 Euro in den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur und steigert ihre Investitionen bis 2030 auf 900.000 Euro jährlich. Dann verbinden breite und geschützte Radrouten die Stadtteile miteinander und mit der Innenstadt. Die neue Grüne Welle hilft, in den Hauptverkehrszeiten als Fahrradfahrer zügig voranzukommen. In Wendessen, Linden und Groß Stöckheim hält die Regionalbahn.

Am Bahnhof muss das 2020 errichtete Fahrradparkhaus schon erweitert werden. Ein neues Stadtbusliniennetz und das Radverkehrskonzept ergänzen sich ideal. Schwerpunkthaltestellen verfügen über Fahrradabstellanlagen und eine Leihradflotte. Auf den Hauptlinien ist die Fahrradmitnahme am Bus an neu konzipierten Halterungen möglich. Diese werden an der Ostfalia-Hochschule entwickelt, studiert man dort doch inzwischen Velotechnik. Das ÖPNV-Ticket auf dem Handy ist Vergangenheit. Der Verkehrsverbund ist bundesweit Vorreiter.

Der Radverkehrsanteil beträgt 35 Prozent. Mehr als 70 Prozent aller Wege in Wolfenbüttel werden zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Bus zurückgelegt. Auswärtige, die nicht mit dem ÖPNV anreisen, finden spontan Parkplätze. Die innerstädtische Lebensqualität ist deutlich gestiegen. Plätze und Wege, die einst vorschnell dem motorisierten Verkehr zum Opfer fielen, werden nach und nach wieder von der Bevölkerung in Besitz genommen. Kinder können wieder auf der Straße spielen.

Auf dem Radschnellweg Wolfenbüttel-Braunschweig, der 2025 eröffnet wird, fahren täglich mehr als 6000 Pendler mit ihren Fahrrädern oder Pedelecs. Aus dem Ride-Hailing der 2020er Jahre wurde das Bike-Hailing. Ride-Hailing bezeichnet den App-basierten und meist von Privatpersonen angebotenen Verkauf von Fahrten mit dem privaten PKW. Es verabreden sich Dutzende Berufspendler zum gemeinsamen Radfahren von und nach Braunschweig.

Grundsätzlich ist das Bedürfnis nach Einfachheit in der Lebensführung größer geworden. Das Fahrrad bedient dies in Form, Funktion und Handhabung perfekt – von Kindesbeinen an. Die noch verbliebenen Mobilitätsdienstleister haben dies erkannt.