Wolfenbüttel. Die Wolfenbütteler Band braucht etwas Zeit, um die Wolfenbütteler auf dem Platz vorm Lessingtheater auf Betriebstemperatur zu bringen. Dann geht`s ab.

Als die warme Sommersonne sich hinter den Kastanien am Harztorwall zu Ruhe bettet, der Mond sein sanftes Licht über die muntere Gesellschaft vor dem Lessingtheater ausgießt und die Theaterfassade in violettem Licht erstrahlt, da herrscht pures Sommerglück auf den Bänken vor der Showbühne. Kultursommer Wolfenbüttel 2018. In ein paar Jahren wird man sich an diese Zeit erinnern. Weißt Du noch…? Trockene Hitze am Tag, sanfte Luft des Abends. Eine entspannte Atmosphäre. Leckere Häppchen. Kühles Bier, Wein und Buntes von der Cocktailbar. Und auf der Bühne eine Truppe mit dem unaussprechlichen Namen „Qantaqa“. Ein Zauberwort? Aus dem Reich der Hexen und Zaubersprüche? Egal. Die zwei Künstlerinnen und fünf Künstler bedienen sich ganz irdischer Mittel, ihr Publikum zu fesseln. Nach eigenem Bekunden ist das Septett Spezialist für rockige, tanzbare Interpretationen bekannter und weniger bekannter Stücke, abwechselnd mit mystischen, feinfühligen Barock- und Folk-Balladen. Nun, die vorausgesagte gute Stimmung stellte sich schnell ein, die ebenfalls geweissagte Gänsehaut eher nicht. Dazu ist die Wolfenbütteler Band zu lieb und zu sehr dem wohligen Mainstream verhaftet. Und da wird eben die Ballade vom Henker, der plötzlich seinen eigenen Bruder enthaupten soll, weniger zum musikalischen Drama, als zum Ausflug in gefällige mittelalterlich aufgehübschte Harmonien. Aber genau das will das Publikum. Und da schleicht sich schon die Melodie des „Weges nach Mandalay“ („Way to mandalay“) in die Ohren des Publikums. Die Gitarre intoniert mit einem langen Intro das Thema und schon macht sich das Ensemble, angetrieben vom Drummer, unterfüttert vom Bass gemeinsam mit Vokalistin Lia Gallagher auf den Weg durch gespenstisch neblige Moore, hört die Einflüsterungen seltsamer Spukgestalten und denkt doch nur an die leckeren exotischen Häppchen nebenan und das kühle schäumende Bierchen. Das passt. Noch sind die tanzwütigen Wolfenbütteler nicht auf Betriebstemperatur. „Zur Strafe“, so Gitarrist Tommy Gallagher schelmisch, „gibt´s jetzt ein langsames Stück“. Und schon wabert nostalgische Melancholie über die Köpfe. „Scarborough Fair“ von Simon and Garfunkel. Eine herzerwärmende Liebesgeschichte aus dem ländlichen England, in der Petersilie, Salbei, Rosmarin und Thymian die Rolle der Liebesboten einnehmen. Die Flöte singt sich zärtlich aus, die Gitarren schweben über den Bierzeltgarnituren und mancher ältere Herr erinnert sich wehmütig an durchtanzte Nächte mit elfengleichen Wesen. Doch schon der Kontrast. Das rhythmische „All for one“ mit der Unterzeile „We found together“ schwankt zwischen mittelalterlichem Kolorit und shantyseligem Klatschmarsch. Das können sie, die sieben Künstler, und nun sind die Wolfenbütteler nicht mehr zu halten. Der Abstand zwischen Bühne und Publikum? Nicht mehr messbar! Und dann ist Schluss. Man trollt sich. Schön war´s. Morgen geht es weiter.