Wolfsburg. Wie andere Autobauer muss sich Volkswagen mächtig strecken, um nicht weitere Produktionseinbußen durch fehlende Halbleiter zu riskieren.

Die Lieferausfälle bei Elektronik-Chips mit wichtigen Halbleitern dürften sich in der Autoindustrie nach Einschätzung von VW-Chef Herbert Diess noch spürbar hinziehen. Für bestimmte Rohstoffe sei die Lage wegen erhöhter Preise ebenfalls angespannt, sagte der Manager der Deutschen Presse-Agentur. Insgesamt habe sich die konjunkturelle Entwicklung in vielen Ländern nach dem Corona-Tief 2020 jedoch wieder erholt. Der Konzern gab sich bei der Vorlage der Quartalszahlen am Donnerstag prinzipiell zuversichtlich.

„Die größten Risiken sehen wir bei den Halbleitern“, erklärte Diess. „Es gibt eine grundsätzliche Knappheit bei Chips, die wir wegen der vielen vernetzten Geräte in den Fahrzeugen brauchen. Das wird unsere Werke auch in den nächsten Monaten, wenn nicht Jahren, weiter beschäftigen.“ Zuletzt seien Probleme durch das Feuer beim japanischen Produzenten Renesas und den Schneesturm in Texas hinzugekommen. „Da sind mehrere Halbleiterfabriken für mehrere Wochen ausgefallen“, sagte der VW-Konzernchef. „Das werden wir spüren.“

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Rohstoffeinkauf nicht einfach

Nicht einfach sei derzeit zudem der Rohstoffeinkauf: „Bei vielen Materialien - Stahl zum Beispiel, aber auch bei Edelmetallen etwa für den Katalysator - merken wir Preisanstiege.“ Verglichen mit der Situation, in der man wegen ausbleibender Teile „ein ganzes Auto mit seinem Deckungsbeitrag“ verliere, wiege dies aber weniger schwer. VW sichere sich überdies gegen allzu starke Kurzfrist-Schwankungen ab.

Besonders im zweiten Quartal 2020 waren Produktion und Verkäufe der Autobranche weltweit abgesackt. Werke mussten zeitweilig schließen, viele Verbraucher scheuten die Ausgaben für ein neues Auto. Es laufe inzwischen deutlich besser, meinte Diess. „Aber Corona ist für uns alles andere als vorbei. Wir müssen natürlich mit Covid-19 weiter umgehen.“ Vielerorts habe man die Situation nun im Griff - „auch in Südamerika und Tschechien, wo wir große Corona-Wellen hatten“, so der VW-Chef. „Aber es gibt auch in einigen Regionen Europas viele Händler, die noch geschlossen sind. Mit den Impfungen gehen wir davon aus, dass sich die Situation ab dem Sommer deutlich entspannen wird.“

Klimaneutralität bis spätestens 2050

Der Konzern will mit Hilfe des weiteren Hochlaufs der E-Mobilität seinen CO2-Ausstoß drücken, für spätestens 2050 wird Klimaneutralität angepeilt. Die Kernmarke VW Pkw schärfte jüngst ihre Zwischenziele bis 2030 nach, auch Standorte sollen ihre Emissionen stärker senken.

Zum angepassten Ziel der Bundesregierung, Deutschland solle möglichst schon 2045 bilanziell CO2-neutral sein, meinte Diess: „Das bringt positive Dynamik in den Klimaschutz. Wir sind für diese Entwicklung nach wie vor gut vorbereitet. Wir haben sehr große Vorleistungen getroffen, haben stark in Elektrifizierung, die Umstellung unserer Werke und neue Technologien zur CO2-Reduzierung investiert.“

Entschlossener Klimaschutz in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft sei der einzig gangbare Weg. „Letztlich hat die Politik eine entscheidende Rolle, die größten Hebel für Klimaschutz umzusetzen, etwa mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 oder einem CO2-Preis von 100 Euro pro Tonne bis 2026“, sagte Diess.

VW-Konzern plant weitere Großprojekte

Der VW-Chef stimmt sich in Klimafragen mit weiteren Top-Managern und Verbänden in Europa ab. Neben der Erweiterung des Angebots an E- und Hybridautos plant der Konzern mit „Trinity“ und „Artemis“ bis zur Mitte des Jahrzehnts zusätzliche Großprojekte für neu konzipierte Modelle. „Wir konzentrieren uns jetzt im Umbruch der Autobranche schon sehr viel stärker auf die zweite Hälfte des Jahrzehnts, auf autonomes Fahren und auf Software“, erklärte Diess. „Ein großer Teil der Umsätze wird jenseits von 2030 mit Software erzielt werden.“ Hinzu kämen künftig auch mehr Mobilitätsdienstleistungen.

Dass der Konzern Ende vorigen Jahres den weltweiten Spitzenplatz bei den Gesamtverkäufen wieder an den Erzrivalen Toyota abgeben musste, stört den VW-Chef nicht. Reines Volumen sei kein zentrales Ziel mehr - und weniger wichtig als ein klares Profil in der E-Mobilität und in einzelnen Marktsegmenten: „Wir brauchen ausreichend Größe für Skalenvorteile, aber Größe an sich ist für uns kein Maßstab.“ Es gehe vielmehr um eine Marktführerschaft bei E-Fahrzeugen. „Hier wollen wir schneller wachsen und profitabler sein als die Wettbewerber.“