Braunschweig. Im Abgasskandal ist für VW kein Ende in Sicht. Im Gegenteil. Aus Sorge vor Verjährung zogen vor Jahreswechsel erneut Tausende Kunden vor Gericht.

Die Zahl der Klagen im VW-Abgasskandal hat drastisch zugenommen. Mehrere Landgerichte in Niedersachsen berichteten von einer Verdoppelung oder sogar Verdreifachung der Verfahren allein im Dezember 2018. In den im Januar veröffentlichten Bilanzen verweisen viele Gerichte auf die nahezu unveränderte Personalstärke, mit der diese Klageflut nun abgearbeitet werden müsse.

Sorge vor Verjährung

Ein Grund für die vielen Klagen auf Schadenersatz kurz vor dem Jahreswechsel sei die Sorge vor einer möglichen Verjährung, heißt es in der Mitteilung des Landgerichts Oldenburg. Viele VW-Kunden würden zudem allein vor Gericht ziehen, obwohl mittlerweile die Möglichkeit besteht, sich einer Musterfeststellungsklage anzuschließen.

Nach 2900 Zivilverfahren im Jahr 2016 und fast 3200 im Jahr 2017 gingen im vergangenen Jahr mehr als 4100 Klagen allein in Oldenburg ein. In Hildesheim beanspruchten die Abgasklagen das Jahrespensum von drei Richtern, wenn diese sich ausschließlich mit den VW-Verfahren befassen würden, rechnete das dortige Landgericht vor. Nach Angaben eines Sprechers gingen dort allein im Dezember 265 VW-Klagen ein. Die insgesamt mehr als 460 neuen Verfahren im Jahr 2018 machten fast ein Viertel aller Zivilsachen aus.

Anzahl der Klagen lässt keinen Rückschluss auf Zahl der Betroffenen zu

Auch das Landgericht Göttingen verzeichnete Ende 2018 einen deutlichen Anstieg. Von den insgesamt 310 Klagen seit 2016 stammen einer Sprecherin zufolge 136 aus dem Dezember 2018. Die Landgerichte Hannover und Braunschweig legten bisher keine Zahlen vor.

Die Zahl der Klagen lässt nicht immer Rückschlüsse auf die Zahl der Betroffenen zu. So gehen die Klagen der Internetplattform Myright mit Tausenden VW-Kunden am Landgericht Braunschweig als eine einzige Klage in die Statistik ein. Einer solchen Schadenersatzforderung schlossen sich im Dezember 18.700 Besitzer manipulierter Diesel an.

Schon Ende 2017 hatten mehr als 15.000 Autobesitzer über Myright die Rückzahlung des Kaufpreises ihrer VW-Diesel gefordert. Es wirkt, als hätten sich die Landgerichte zu einem gemeinsamen Hilfeschrei nach mehr Personal zusammengetan. Mitte Januar kam zunächst die Meldung aus Osnabrück über neue Höchststände.

VW hatte im September 2015 Manipulationen zugegeben

Ein Viertel der 2018 beim Landgericht eingegangenen Zivilverfahren betreffe die Dieselproblematik, hieß es darin. Rechnerisch seien sechs Richter und noch einmal die gleiche Anzahl anderer Mitarbeiter ausschließlich mit der Bewältigung dieser Verfahren beschäftigt.

Aus dem Justizministerium in Hannover hieß es, dass bei personellen Engpässen zunächst die Oberlandesgerichte dafür zuständig seien, das Personal in den Bezirken entsprechend zu steuern und einzusetzen.

VW hatte im September 2015 Manipulationen an Dieselmotoren zugegeben. US-Umweltbehörden hatten festgestellt, dass die Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand voll aktiviert war, auf der Straße lag der Stickoxid-Ausstoß weit höher. Die Auswirkungen des Skandals haben das Unternehmen nach jüngsten Angaben eines Sprechers weltweit bereits etwa 28,2 Milliarden Euro gekostet. dpa