Braunschweig. VW-Anleger wollen dem Konzern nach dem Dieselbetrug eine Abgasrechnung vorlegen – in der Braunschweiger Stadthalle startet heute der Musterprozess.

VW-Anleger fordern im Musterverfahren Schadenersatz in Milliardenhöhe für erlittene Kursverluste im Abgasskandal. Am Montagvormittag beginnt die mündliche Verhandlung des Oberlandesgerichts Braunschweig – allerdings in der Stadthalle. Hintergrund sei die zu erwartende Anzahl an Beteiligten, Zuschauern und Pressevertretern, sagte Gerichtssprecherin Andrea Tietze. Die Räumlichkeiten im Oberlandesgericht seien zu klein. Bislang hat das Gericht 13 Verhandlungstage bis Ende des Jahres angesetzt. Musterbeklagte sind Volkswagen und der VW-Hauptaktionär Porsche SE, Musterklägerin ist die Deka Investment.

Insgesamt machen die Kläger Forderungen von fast neun Milliarden Euro geltend. Im Musterverfahren selbst liegt der Streitwert bisher bei knapp vier Milliarden Euro. Die entscheidende Frage ist: Hat VW die Märkte rechtzeitig über die Affäre rund um millionenfachen Betrug mit manipulierten Dieselmotoren informiert? Volkswagen-Rechtsanwalt Markus Pfüller betonte, in dem Verfahren gehe es ausschließlich darum, ob Volkswagen seine Veröffentlichungspflichten gegenüber Aktionären und dem Kapitalmarkt erfüllt habe: „Wir sind davon überzeugt, dass dies der Fall ist.“ Kläger-Anwalt Andreas Tilp sagte: „Uns schreckt nichts von den Argumenten.“

Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz

Sammelklagen wie in den USA kennt das deutsche Recht nicht. Nur mit dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz - kurz KapMuG genannt - werden erstmals im deutschen Recht vergleichbare kapitalmarktrechtliche Klagen von Anlegern im Streitfall zwischen Unternehmen und Aktionären effektiv gebündelt. Die Begründung für das Gesetz lautete 2005, dass Massenklagen nach der bestehenden Zivilprozessordnung nicht mehr zu bewältigen seien.

Im Kern geht es darum, zentrale Rechtsfragen sämtlicher Fälle vorab von der nächsthöheren Instanz verbindlich entscheiden zu lassen - noch bevor ein Urteil der niedrigeren Instanz vorliegt. Dafür wird aus den ähnlich gelagerten Klagen ein Fall als Exempel herausgegriffen, die übrigen anhängigen Klagen werden ausgesetzt. Im Fall von Volkswagen machen die Kläger Forderungen von fast 9 Milliarden Euro geltend. Im Musterverfahren selbst, das am Montag vor dem Oberlandesgericht Braunschweig beginnt, liegt der Streitwert bei knapp 4 Milliarden Euro.

Liegt der Musterentscheid vor, ist er für die Gerichte in allen zuvor ausgesetzten Verfahren bindend. Da das KapMug gewissermaßen nur zentrale Fragen vorab klären lässt, ist es nicht mit Sammelklagen zu vergleichen, die etwa das US-Rechtssystem kennt. In den USA müssen Kläger nicht ihren individuellen Schaden nachweisen, sondern nur ihre Zugehörigkeit zur betroffenen Gruppe. Daher münden Sammelklagen dort oft in große Vergleiche. dpa