Berlin. Menschen ab 60 sollten regelmäßige Booster-Impfungen gegen Corona erhalten. Das sieht der Entwurf der neuen Stiko-Impfempfehlung vor

Die Pandemie ist offiziell vorbei, Corona aber wird so schnell nicht wieder verschwinden. Sars-CoV-2 ist endemisch geworden. Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat darauf reagiert und ihre Impfempfehlung überarbeitet. In zwei Wochen – nach Bewertung durch die Fachgesellschaften – soll der Entwurf beschlossen sein. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie lautet die neue Empfehlung der Stiko?

Ziel der Impfung ist und bleibt der Schutz vor schweren Krankheitsverläufen. Dafür empfiehlt das Gremium allen Menschen im Alter von 18 bis 59 Jahren einen Basisschutz, bestehend aus drei Kontakten mit dem Erreger. Im Idealfall erfolgen zwei dieser Kontakte per Impfung, so die Stiko. Wer noch nicht infiziert war, sollte drei Mal geimpft sein. Zwischen dem zweiten und dem dritten Erreger-Kontakt sollten im Idealfall sechs Monate vergehen. Darüber hinaus wird für diese Bevölkerungsgruppe keine weitere Auffrischung empfohlen. Das gilt auch für Schwangere.

Anders ist die Empfehlung für Menschen ab dem sechsten Lebensmonat mit einem Risiko für einen schweren Covid-Verlauf, für Menschen ab dem 60. Lebensjahr sowie für Bewohner eines Altenheims und für Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegewesen. Diese sollten regelmäßig im Abstand von zwölf Monaten – am besten im Herbst – einen Booster mit einem bivalenten Impfstoff erhalten, also einem Impfstoff, der gegen den Wildtyp und die Omikron-Varianten des Coronavirus schützt. Ob es bei dem jährlichen Impfschema bleibe, sei offen. Die empfohlenen Abstände könnten künftig größer werden.

Zu den Risikofaktoren für schwere Covid-19-Verläufe gehören unter anderem chronische Lungen-, Herz-, Kreislauf- oder Stoffwechselkrankheiten oder starkes Übergewicht. Auch Menschen mit einem unterdrückten Immunsystem sollten in Absprache mit den behandelnden Ärzten Auffrischungsimpfungen erhalten. „Weil hier eine Vielzahl von Erkrankungen zu unterscheiden sind, muss jeder Einzelfall betrachtet werden“, sagt Stiko-Mitglied und Immunologe Prof. Christian Bogdan.

Was gilt für Kinder und Jugendliche

Für Kinder und Jugendliche könnte es bereits in zwei Wochen keine Impfempfehlung mehr geben.
Für Kinder und Jugendliche könnte es bereits in zwei Wochen keine Impfempfehlung mehr geben. © dpa | Frank Hammerschmidt

Ganz herausgefallen aus der Impfempfehlung sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Auch in dieser Bevölkerungsgruppe gebe es erstens eine gute Basisimmunität, zweitens werde eine Infektion durch das unspezifische Immunsystem von Kindern und Jugendlichen gut bekämpft. Nach Abwägen von Nutzen und Risiken habe die Stiko so entschieden, erklärt Mitglied und Kinderarzt Martin Terhardt. Gleichzeitig stellt das Gremium klar: Es sieht in der Impfung von Kindern und Jugendlichen grundsätzlich kein erhebliches Risiko.

Was bedeutet die neue Empfehlung für die Kostenübernahme durch die Krankenkassen?

Es sei durchaus möglich, dass jene Bevölkerungsgruppe, für die es keine Empfehlung gibt, die Impfung künftig selbst bezahlen müsse, wenn sie diese haben wolle, sagt Martin Terhardt. Darüber werde in naher Zukunft der Gemeinsame Bundesausschuss entscheiden, das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen.

Warum kann die Empfehlung aus Sicht der Experten jetzt verändert werden?

25 Mal hat die Stiko seit Beginn der Pandemie ihre Impfempfehlung aktualisiert und damit auf neue Entwicklungen und Erkenntnisse reagiert. Nun sehen die Experten den Zeitpunkt gekommen, die Empfehlung längerfristig anzulegen. „Das Infektionsgeschehen hängt im Wesentlichen von zwei Dingen ab: von der Immunitätslage der Bevölkerung und dem Erreger selbst“, sagt Christian Bogdan. Das dazu gesammelte Wissen reiche aus, um die Empfehlung jetzt „in den normalen Impfkanon zu überführen“.

Generell sieht Bogdan zwei positive Entwicklungen: Die vielen Mutationen des Virus hätten zwar dazu geführt, dass Sars-Cov-2 inzwischen extrem ansteckend sei, bisher seien aber keine Varianten aufgetreten, die den Immunschutz komplett umgehen könnten. Darüber hinaus sei die Bevölkerungsimmunität mittlerweile durch Millionen Impfungen und Infektionen gut ausgeprägt.

Wurde bei der Empfehlung das sogenannte Post-Vac-Syndrom berücksichtigt, also mögliche langfristige Impfreaktionen?

„Es ist unbestritten, dass es nach Impfungen gegen Corona zu Reaktionen kommen kann, die wir nicht mehr als normal einschätzen können“, sagt Bogdan. Diese Reaktionen hingen zum Teil mit der Funktionsweise des Immunsystems zusammen und beträfen Impfungen im Allgemeinen. Grundsätzlich gelte aber weiterhin, dass die Impfstoffe sicher seien. Post-Vac habe die Impfempfehlung nicht beeinflusst.

Wie schätzt die Stiko das aktuelle Infektionsgeschehen ein?

„Trotz positiver Entwicklung ist Sars-CoV-2 nicht verschwunden. Es gibt immer noch Menschen, die schwer erkranken und sterben“, sagt Bogdan. Der Basisschutz bleibe deshalb sehr wichtig. Weil es bisher keine Impfung gebe, die das Infektionsgeschehen unterbreche, geht die Stiko davon aus, dass es ganzjährig, vor allem aber in Herbst und Winter weiter zu vielen Erkrankungen kommen werde.