Berlin. Morgenroutinen, Meditation und Ordnung vertreiben die Wut und machen glücklich. Wirklich? Julia Karnick erklärt, was daran problematisch ist.

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Nein, ich werde nicht mehr die tiefenentspannte und fokussierte Frau, von der ich immer dachte, dass ich sie mal sein werde. All die anderen scheinen das ja mühelos hinzubekommen. Sie sind achtsam, sortiert und strukturiert. Sie liegen morgens um sechs Uhr auf der Yoga-Matte, nehmen sich Zeit für ihr inneres Kind und finden ihr Seelenheil in Spiritualität, Schweigekloster, Aufmerksamkeit für den Augenblick und das selbst gebackene Chia-Brötchen. Und in Marie-Kondō-geordneten Wäscheschubladen.

Während draußen die Welt immer unübersichtlicher und unkalkulierbarer wird, schaffen sie sich so den perfekten Ausgleich: drinnen, in ihrer privaten Sphäre, haben sie alles im Griff. Nicht nur Kalorienverbrauch, Kinder und Karriere, sondern auch ihren Gefühlshaushalt und die Gestaltung ihres Tages. Der neueste Trend: die Morgenroutine, dieser „bewusst gestaltete Ablauf der ersten Stunden eines Tages“ durch Rituale wie: „Tee oder Kaffee zubereiten“, „Dehn- oder Muskelübungen“, „Zeit für Kreativität und Inspiration“, „Dankbarkeit praktizieren“, „Erfolgstagebuch führen“ oder „Meditation und Selbstreflexion“ – empfiehlt unter anderem die karrierebibel.de. So starte man bestens gelaunt und auf hohem Energielevel in den Tag und könne Stress vermeiden und seine „Produktivität steigern“.