Braunschweig. Rätsel erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit. Wir sprachen mit Rätselredakteur Johannes Susen über Kreuzworträtsel und geheime Botschaften.

Johannes Susen hat sein Hobby zum Beruf gemacht: Seit 1985 entwirft er Rätsel jeder Art von klassischen Formaten wie dem Kreuzworträtsel bis hin zu selbst erdachten wie der Salami-Taktik. Mit seiner Rätselredaktion Susen beliefert er vor allem Rätselzeitschriften. Der Brühler ist Mitgründer des deutschen Rätselvereins Logic Masters Deutschland und rief 2010 die Deutschen Kreuzworträtsel-Meisterschaften ins Leben. Im Interview erzählt er, warum er zwar ein gefürchteter Gesprächspartner, aber dennoch ein geschätzter Freund ist, was Braunschweig in seinen Kreuzworträtseln zu suchen hat und wie es um geheime Botschaften in seinen Rätseln steht.

Herr Susen, wer Kreuzworträtsel entwirft, muss ein großes Allgemeinwissen haben. Sind Sie unter Freunden ein gefürchteter Gesprächspartner, wenn es um Wissensfragen geht?

Ich fürchte ja. In erster Linie bin ich aber der Versorger mit neuen Rätselzeitschriften. Ich habe viele Freunde, die gerne Kreuzworträtsel und logische Rätsel wie Sudokus lösen. Sie werden entsprechend versorgt. Von daher bin ich – glaube ich schon – eine als nett angesehene Person im Freundeskreis. (lacht)

Traut sich denn noch irgendjemand, mit Ihnen Trivial Pursuit zu spielen oder eine Ratesendung anzusehen?

Wenn ich spiele, dann Doppelkopf, und das hat wenig mit Rätseln zu tun. Früher habe ich auch mal „Wer wird Millionär“ geguckt. Das ist unterhaltend, aber mit dem Lösen von Kreuzworträtseln nicht vergleichbar. Das ist ein ganz anderes Medium. Es ist schön, ein Blatt Papier zu nehmen, sich hinzusetzen und ein Rätsel zu lösen. Es muss schon Papier sein. Es macht mir keinen Spaß, Rätsel am Computer zu lösen. Ich habe grundsätzlich den Eindruck, dass es der Mehrheit der Rätsellöser so geht. Online gibt es unzählige Rätsel, da kommt man nie zu einem Ziel. Wer aber das letzte Rätsel einer Rätselzeitschrift gelöst hat, ist ein glücklicher Mensch. Das macht Spaß.

Und diesen Spaß haben Sie zum Beruf gemacht. Wie kamen Sie zum Entwerfen von Rätseln?

Das war reiner Zufall. Ich habe während meines Studiums der Germanistik, Geschichte und Politologie gerne das Rätsel der Londoner Times gelöst. Darin werden schon die Fragen verklausuliert gestellt und man muss sie erst aufdröseln, bevor man sie beantworten kann. Solche Rätsel nennt man „Querdenker-Rätsel“ oder „Dem Sinn auf der Spur“. Eine solche Frage könnte zum Beispiel lauten: Wo führen Frauen ihre Männer an der Leine spazieren? Da sind wir bei Hannover, weil Hannover von der Leine durchflossen wird. Man spielt da ein bisschen mit den Bedeutungsebenen.

Nach dem Studium wurde dann zufällig eine Stelle in der Rätselredaktion des damaligen Bastei-Verlags frei. Die war von einer Freundin besetzt, die zu einem anderen Verlag wechseln wollte. Um das tun zu können, musste sie einen Nachfolger benennen. Das war 1985, seitdem stelle ich Rätsel und Rätselzeitschriften her. Mitte der 2000er Jahre habe ich mich dann selbstständig gemacht. Ich habe mich auf Rätselzeitschriften konzentriert und erstelle dafür ganze Konzepte.

Was muss man für diese Arbeit mitbringen?

Man muss gerne denken und sollte eine sehr große Allgemeinbildung haben. Das sind die besten Voraussetzungen, um Kreuzworträtsel und logische Rätsel zu erstellen. Beides sind intelligente Unterhaltungen, die die verschiedenen Hirnbereiche in Anspruch nehmen – je nachdem, welches Rätsel man löst. Beim Sudoku muss man logisch denken können, beim Kreuzworträtsel kommt es auf das Spiel mit Sprache und Begriffen an.

Das ist übrigens auch der Grund, warum wir bei Rätsel-Meisterschaften zu logischen Rätseln meistens jüngere Menschen treffen. Die sind noch fitter im Kopf als die Älteren. Und zu den Kreuzworträtsel-Meisterschaften kommen eher die älteren Menschen, die mehr Lebenserfahrung und daher einen viel größeren Wissensschatz haben.

Wie viele Rätsel entwerfen Sie pro Tag?

Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt Rätsel, an denen ich tagelang sitze und manchmal erstelle ich 20 bis 30 Rätsel an einem Tag.

Ist das denn alles Handarbeit oder läuft das computerbasiert?

Basiert ist das richtige Wort. In den 1980er Jahren habe ich mir Papier und Bleistift genommen, ich habe Kästchen gemalt und die Fragen und Lösungsbegriffe hineingeschrieben. Dabei hilft mir heute der Computer, aber er ersetzt im Prinzip nur das weiße Blatt Papier und den Bleistift. Der Computer selbst macht keine Rätsel.

Heißt das, der Computer gibt eine Maske vor?

Nein, ich muss dem Computer auch die Maske, das Rätsel-Gitter, vorgeben. Es gibt zwar schon Programme, die das können, aber die Ergebnisse finde ich grauenhaft. Von Hand gemacht mit Hilfe des Computers scheint mir immer noch die beste Lösung zu sein. Das ist die technische Seite, daneben gibt es noch die inhaltliche. Und die bedeutet: Wortschatzpflege. Damit beginnt jeder Tag. Der Wortschatz ist das Herzstück einer jeden Rätsel-Redaktion und muss ständig aktualisiert werden. Welche Begriffe kann man den Leuten zumuten und welche nicht oder nicht mehr? Stefan Raab ist heute als TV-Moderator viel bekannter als Hans-Joachim Kulenkampff. Deshalb ist Raab in einer niedrigeren Schwierigkeitsstufe kategorisiert als Kulenkampff.

Wie umfangreich ist der Wortschatz, den Sie angelegt haben?

Jedes Wort, das im deutschen Wortschatz enthalten ist, ist kategorisiert. Den Wortschatz gab es schon zu meiner Zeit im Basteiverlag. Ich pflege ihn weiter, seit knapp 20 Jahren. Neben jedem Begriff steht eine oder stehen mehrere Definitionen, die die Wörter des Lösungsbegriffs natürlich nicht enthalten dürfen. So darf ein Burgverlies nicht als das Verlies einer Burg definiert werden sondern zum Beispiel als Kerker in einer Festung. Und zusätzlich gibt es eine Zuordnung in eine von zehn Schwierigkeitsstufen. Die unteren drei Stufen enthalten die einfachen Wörter, die jeder Mensch in Deutschland beherrscht, in den Kategorien vier bis fünf kommen Fachbegriffe dazu, darüber stehen noch schwierigere Fachbegriffe. Je nach Adressat muss man die Rätsel entsprechend anpassen. Wenn man die Frage nicht versteht und deswegen nicht auf die Lösung kommt, ist man nur verärgert. Rätsel sollen ja Lust und keinen Frust machen.

Gab es schon Rätsel, an denen sie sich selbst die Zähne ausgebissen haben?

Heute morgen erst bin ich an einem Rätsel in der Fernsehzeitschrift Prisma gescheitert. Da wurde ein Zufluss zur Elbe gesucht. Der gesuchte Begriff war Ohra, ein Fluss in Thüringen. Aber die Ohra fließt nicht direkt in die Elbe, sondern zuerst in die Unstrut, die dann wiederum in die Elbe fließt.

Auch unser Leser Hanno Zander, der leidenschaftlich gerne Rätsel löst, bemängelt, dass es immer wieder Fehler gibt. Wird da in den Rätselredaktionen nicht gut recherchiert?

In jedem Bereich gibt es Beispiele für schlechte und gute Qualität. Herr Zander äußert berechtigte Kritik: Lösungsbegriffe müssen stimmen. Aber es gibt Fehler und in schlechten Rätseln setzen sich manche fort. Zum Beispiel das Wort Rae, nach dem als Fort am großen Sklavensee gefragt wird. Aber ein Fort mit diesem Namen gibt es dort gar nicht, ich habe überall recherchiert.

Der große Sklavensee liegt übrigens in Kanada und hat nichts mit Sklaven zu tun. Es gab dort einen Indianerstamm namens Slavey, das wurde einfach mit Sklaven übersetzt. Auch so was lernt man, wenn man Kreuzworträtsel erstellt.

Sehen Sie in Ihrer Arbeit auch einen Bildungsauftrag?

Nein, aber ich weiß natürlich, dass Rätsel bilden können. Mit ihnen kann man sein Wissen und seinen Wortschatz hinterfragen und erweitern. Das finde ich schön und ich sehe schon eine gewisse Verantwortung, dass ich die Begriffe richtig definiere.

Haben Sie ein Lieblingswort?

Nein, eigentlich nicht aber es gibt viele schöne Wörter, Leibgericht zum Beispiel. Es geht mir in meinen Kreuzworträtseln nicht darum, irgendeinen Nebenarm von irgendeinem Fluss in Asien abzufragen oder irgendeinen chemischen Grundbegriff oder ein
Wort, das man vor 200 Jahren
benutzt hat. Es geht mir um einen lebendigen deutschen Wortschatz.

Kommt auch Braunschweig in ihren Kreuzworträtseln vor?

Ja tatsächlich, ich war vorletztes Jahr wegen der Kemenaten in Braunschweig und da habe ich festgestellt, was für eine wunderschöne Stadt Braunschweig ist. Die beiden Kemenaten waren wirklich eine Sehenswürdigkeit und seitdem finden sie sich in unserem Wortschatz wieder.

Wie fragen Sie danach?

Die festen Räume eines Wohnhauses oder auch Frauengemach in einer Burg. Häuser bestanden früher mehrheitlich aus Holz, einige hatten einen Raum aus Stein, in dem man die wertvollen Dinge untergebracht hat, auch die Frauen wurden dort in Sicherheit gebracht, wenn es beispielsweise ein Feuer gab.

Haben sie schon mal ein Rätsel erfunden?

Bei den Kreuzworträtseln nur Spielarten. Das Kreuzworträtsel selbst kann man ja nicht mehr erfinden. Eine Spielart ist das X-Wort-Rätsel, bei dem die Frage-Wörter so angesetzt sind, dass man die Form eines X erhält. Ich habe auch ein Rätsel entwickelt, das sich Salami-Taktik nennt. Dabei bekommt man ein Wort vorgegeben, muss einen Buchstaben wegnehmen und aus den Restbuchstaben ein neues Wort formen und so fort. Das erfordert sehr viel Handarbeit und daher bin ich mit solchen Innovationen ziemlich allein auf dem deutschen Rätsel-Markt.

Und wie sieht es mit geheimen Botschaften aus? Haben Sie so etwas schon einmal in einem Rätsel versteckt?

Nein (lacht). Das gibt es doch nur in Kriegszeiten.

Ein Wort mit 100 Buchstaben – Rekord?

Hanno Zander liebt es, Rätsel zu lösen – und der pensionierte Lehrer gibt auch selbst gerne Rätsel auf.

Ganz wunderbar, diese deutsche Sprache. Wer jemals daran gezweifelt haben sollte, der möge dieses Wort genauer studieren: Profitanzweltmeisterschaftsvorrundenausscheidungsturnierteilnehmerinnengarderobenschluesselanhaenger. Ein Wort aus zehn Worten, 100 Buchstaben lang. Hanno Zander hat es erdacht, aber nicht nur das. Der 88-Jährige aus Braunschweigs Stadtteil Mascherode hat es in einem Kreuzworträtsel untergebracht, in einem sehr langen und schmalen, bisher unveröffentlichten Kreuzworträtsel.

Der Ehrgeiz hatte ihn gepackt, einen Rekord wollte er brechen. Dieter Kramer aus Mariental hatte am 28. März 1992 ein Lösungswort mit 65 Buchstaben veröffentlicht: Hallenleichtathletikweltmeisterschaltsqualifikationsveranstaltung. Das kam, in einem Kreuzworträtsel veröffentlicht, ins Guinness-Buch der Rekorde.

Hanno Zander hat ein Kreuzworträtsel mit einem 100-buchstabigen Wort entworfen.
Hanno Zander hat ein Kreuzworträtsel mit einem 100-buchstabigen Wort entworfen. © regios24 | Stefan Lohmann

Zander ist ein echter Rätsel-Liebhaber. Eine Leidenschaft, die er mit seiner Frau teilt. Und wer so eine Leidenschaft teilt, muss natürlich auch die Rätsel teilen. Aber da habe jeder seine liebsten Rätsel, in die Quere kämen sie sich nicht, sagt Zander. Zanders Favorit ist das Super-Rätsel in der Hörzu. Abgeschickt hat er die Lösungswörter noch nie. „Ich gewinne nichts“, sagt er. Aber darum gehe es ihm auch nicht. Es gehe um den Spaß, auch um den Wettkampf mit sich selbst. Ein Kreuzworträtsel in zehn Minuten, ein Sudoku in zwei, ein anderes in 48 Sekunden. „Kreuzworträtsel lösen hält jung“, sagt er und fügt an: „Ich fühle mich trotz meiner 88 Jahre recht fit.“

Ins Straucheln gerät er bei seinen Rätseln nur, wenn Popmusiker ins Spiel kommen. „Ich liebe klassische Musik, meine Frau und ich haben selbst jahrelang musiziert.“ Der pensionierte Mathematik- und Chemielehrer an Geige und Bratsche, seine Frau an der Geige. Das färbte auch auf die Tochter ab, die Berufsmusikerin ist. Und es färbte auch auf die Rätsel ab, die Zander selbst erstellte. Das hier eingangs beschriebene Kreuzworträtsel ist bei weitem nicht das erste, das Zander kreierte. Früher hätten er und seine Frau mit befreundeten Ehepaaren gerne Kulturreisen unternommen, zu Theatervorführungen in Prag oder Budapest beispielsweise. Um sich die Zeit der langen Busfahrten zu verkürzen, stellte er Musikrätsel auf à la „Von den folgenden Opern sind drei von Mozart, welche nicht?“ Natürlich ging es da nicht um die bekannteren Opern. Es soll ja knifflig bleiben.