Braunschweig. Das Braunschweiger Startup Brainplug hat ein System entwickelt, das Gefahrensituationen automatisch erkennt und meldet – ohne Daten zu speichern.

Das Team des Braunschweiger Startups „Brainplug“ hat lange getüftelt. Seit 2013 wurde geforscht, ab 2017 haben Felix Geilert, Silviu Homoceanu, Niklas Kiehne und Dennis Klose dann ein intelligentes System für Überwachungskameras entwickelt, das potenzielle Gefahrensituationen frühzeitig erkennt und meldet.

Das sogenannte „Brainplug Spotlight“, aufgespielt auf einen kleinen Kasten, in etwa so groß wie eine Brotdose, lässt sich an ein lokales -– und damit nicht hackbares – Netzwerk von Überwachungskameras oder an Drohnen anschließen. Sobald in deren Sichtfeld potenzielle Gefahren auftauchen, wie etwa herrenlose Taschen, schlägt das System automatisch Alarm. Statt gleich mehreren wären künftig damit nur noch ein Mensch und ein Monitor nötig, um tausende Kamerabilder in Echtzeit zu überwachen.

Ende 2017 wurde das System bereits nicht öffentlich getestet, seitdem hat sich seine Leistungsfähigkeit vervielfacht. Ein einzelner dieser kleinen Minicomputer lässt sich jetzt mit bis zu vier Kameras verbinden. Jetzt wäre eigentlich alles bereit für einen Einsatz – doch dem macht aktuell noch das Gesetz einen Strich durch die Rechnung. Oder besser: das fehlende Gesetz:

„Aus unserer Sicht ist die Schaffung einer eigenen Rechtsgrundlage erforderlich, da es sich um einen besonders intensiven Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung handelt, der derzeit nicht durchs Gesetz gedeckt ist“, erklärt Philip Ossenkopp, Pressesprecher der Landesbeauftragten für Datenschutz Niedersachsen, Barbara Thiel.

Die von den Braunschweiger Informatikern entwickelte Hardware ist vor allem für Orte mit großen Menschenansammlungen gedacht, etwa öffentliche Plätze, Flughäfen oder Fußballstadien. „Teilweise gibt es dort heute schon mehrere tausend Kameras. Doch die suggerieren eine falsche Sicherheit – denn die aufgezeichneten Daten können nicht alle auch in Echtzeit ausgewertet werden“, sagt Geilert.

Genau da setzt die Entwicklung seiner Firma an. Und nicht nur das: „Brainplug Spotlight“ ist es sogar möglich, die Stimmungslage großer Menschengruppen anhand deren Mimik und Gestik zu analysieren. Das Besondere: Die Gesichter bleiben auf den Kamerabildern stets verpixelt – ein biometrischer Gesichtsscan, also die konkrete Zuordnung einer Person anhand ihrer Gesichtszüge – findet nicht statt. Personen können damit nicht verfolgt werden. Auch werden die Bilder der Videokameras nicht gespeichert – und sie verlassen zu keiner Zeit das lokale Netzwerk.

„Damit unterscheidet sich unser System von denen aus China oder Israel, die sich stark auf die Nutzung und das Abschöpfen biometrischer Daten fokussieren und damit ethische Standards schaffen“, sagt Geilert.

Dem wolle man mit einer Konkurrenz-Technologie gegenübertreten, um auf internationaler Ebene nicht das Mitspracherecht zu verlieren und die hier geltenden ethischen Standards auf technischer Ebene verteidigen.

Was nach viel Datenschutz klingt, wird derzeit jedoch ausgerechnet vom Datenschutzgesetz ausgebremst.

„Brainplugs System speichert zwar keine Daten, aber es verarbeitet diese in Form von Bildabgleichen“, sagt Datenschutz-Sprecher Ossenkopp.

Für die Polizei stelle die Videoüberwachung eine wertvolle Unterstützung bei ihrer Arbeit dar, schreibt dagegen Svenja Mischel, Pressesprecherin des Niedersächsischen Innenministeriums auf Anfrage unserer Zeitung.

„Bildübertragungen beziehungsweise -speicherungen sind jedoch unterschiedliche Maßnahmen und bedürfen einer eigenen einzelfallbezogenen Bewertung.“ Nicht jede Bildübertragung müsse demnach auch zwangsläufig gespeichert werden.

Das spräche zwar für das „Brainplug Spotlight“ – klar ist allerdings: Ganz ohne Speicherung geht es nicht. Schließlich müssen Täter gefilmter Straftaten verfolgt und ermittelt werden können.

Denkbar also, das „Brainplug Spotlight“ in Zukunft ergänzend zu bisheriger Videoüberwachung eingesetzt wird. Ganz ersetzen wird das System diese wohl nicht. Doch dessen sind sich die Entwickler durchaus bewusst.

„Uns geht es nicht darum wer etwas macht, sondern was gemacht wird“, sagt Entwickler Niklas Kiehne.