Braunschweig. . Betriebe decken ihren Bedarf im Ausland, setzen auf Hilfskräfte – oder sehen keine Zukunft mehr für sich.

Auszubildende sind für Betriebe die Fachkräfte von morgen ­– und damit so etwas wie eine Zukunftsgarantie. Doch immer mehr Schüler machen Abitur und wollen danach studieren. Und viele von denen, die in unserer Region dennoch eine Ausbildung bevorzugen, versuchen ihr Glück bei VW. Folge: Manche Betriebe haben die Suche nach geeigneten Auszubildenden aufgegeben – und müssen andere Wege gehen.

Sibille Druschke hat ihren letzten Auszubildenden vor drei Jahren gehabt. „Er hat abgebrochen, weil er morgens nicht bei Kälte an der Bushaltestelle stehen wollte“, erzählt die Malermeisterin. Sie führt einen kleinen Betrieb in Braunschweig-Querum mit zwei Mitarbeitern. Und die 53-Jährige hat vieles versucht, um diesen zu verjüngen – vergeblich. Inzwischen schaltet sie keine Anzeigen mehr und bietet aktiv keine Tagespraktika mehr an. „Die Wahrscheinlichkeit, dass es diesen Betrieb in 20 Jahren noch gibt, ist gering“, sagt sie resigniert.

Fakt ist: Die Zahl der Ausbildungsbetriebe im Bezirk der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade belief sich im Jahr 2009 auf 6044, im Jahr 2018 auf 5427. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl der ausbildungsberechtigten Betriebe ist die Ausbildungsquote damit im selben Zeitraum von 21,8 auf 19,6 Prozent gesunken. „Viele Unternehmen haben sich mittlerweile darauf eingestellt, dass es in den letzten Jahren schwieriger und mühsamer geworden ist, qualifizierte Bewerber zu finden“, sagt zwar Eckhard Sudmeyer als Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer und verweist auf die Unterstützung der Kammer bei der Auszubildenden-Suche durch spezielle Berater, Workshops und praktische Tipps. Aber nicht immer werden die Anstrengungen belohnt.

Alf Pytlik ist Gerüstbaumeister und Betriebswirt und scheut keine Mühen, um Nachwuchs an sein Unternehmen in Braunschweig zu binden. Mal lässt er einen Bus mit Grand-Canyon-Motiv bekleben, um zu zeigen: Gerüstbau hat seine Reize und bietet in der Höhe viele Freiheiten. Mit seinen Auszubildenden fährt der Geschäftsführer auch schon mal zum Segeltörn in die Niederlande oder nach Köln, um ein 200 Meter hohes Hängegerüst am Kölner Dom zu besteigen. Viel Engagement für den Nachwuchs. Pytlik sagt aber auch: „Wir könnten locker fünf Auszubildende mehr einstellen.“ Weil es an Interessenten fehlt, deckt er den Personalbedarf ergänzend durch gewerbliche Arbeitnehmer, die nicht selten aus dem Security-Bereich kommen. Sie könnten aber nur als zusätzliche Hilfskräfte eingesetzt werden, so Pytlik.

Thomas Hering muss für seine Internetagentur Fishfarm Netsolutions sogar Arbeitskräfte im Ausland suchen – schließlich können Programmierarbeiten auch über das Internet erledigt werden, ohne dass der Mitarbeiter im Büro in Braunschweig sitzt. Auszubildende für den Job als Mediengestalter hierher zu locken, hat der Geschäftsführer inzwischen fast aufgegeben. „Viele wollen lieber in die Großstädte mit ihren coolen Start-ups“, sagt der 56-Jährige.

Hering hat bei seiner früheren Azubi-Suche einige Frustrationen erlebt. Viele Bewerber hätten noch nicht einmal den Anzeigentext richtig gelesen, sagt er. Eklatante Rechtschreibschwächen seien ihm aufgefallen. Und von denen, die da waren, hätten einige ihre Arbeitszeit auf Facebook abgesessen. Da schluckt er jetzt lieber die Sprachprobleme mit den Mitarbeitern aus dem Ausland, die ihm über Agenturen vermittelt werden.

Ob er es noch einmal versucht mit der Suche nach einem geeigneten Auszubildenden für seine Agentur? „Es war ein klarer Negativtrend zu erkennen“, sagt Hering. Aber vielleicht, meint er, wage er irgendwann doch noch einmal das Abenteuer.